taz-Korrespondenten blicken auf die USA: Was bedeutet die US-Wahl für die Welt?
In den globalen Brennpunkten könnte die Wahl zwischen Trump und Harris Kriege entscheiden. Manche erwarten von den USA aber gar nichts. Ein Überblick.
Inhaltsverzeichnis
Israel: Mehr Vertrauen in Trump
Dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf einen Sieg Trumps hofft, ist ein offenes Geheimnis. Auch rund zwei Drittel der israelischen Bevölkerung wünschen sich laut einer aktuellen Umfrage des Senders Kanal 12 den Republikaner als nächsten US-Präsidenten. Für Harris würde nicht einmal jeder Fünfte stimmen. Nur 20 Prozent der Israelis glauben, dass Harris für die Sicherheit Israels gut wäre, gegenüber 58 Prozent für Trump.
Was sich Netanjahu von Trump erwartet, ist klar: freie Hand in Gaza und im Libanon. Trumps erste Amtszeit war bereits von diplomatischen Tabubrüchen zugunsten Israels geprägt: Er verlegte die US-Botschaft nach Jerusalem, erkannte die völkerrechtswidrige israelische Annexion der Golan-Höhen an und nahm eine aggressive Haltung gegenüber Iran ein.
Trumps ehemaliger Nationale Sicherheitsberater John Bolton warnte jetzt aber, dass die Unterstützung aus Trumps erster Amtszeit nicht für die zweite garantiert sei. Trump sei nicht berechenbar, habe „Wahnvorstellungen“ und „keinen Schimmer, was er im Nahen Osten tun soll“.
Die Unterstützung Israels seitens des scheidenden selbsternannten Zionisten Joe Biden oder einer Nachfolgerin Harris hingegen ist zwar zuverlässig, aber mit Mahnungen verbunden: humanitäre Hilfe zulassen, die Bevölkerung von Gaza schützen, sich gegenüber Iran zurückhalten. Gegenwärtig läuft eine Frist, die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern oder die US-Waffenlieferungen zur Debatte zu stellen.
Manche in Israel fürchten, dass eine Präsidentin Harris dem zunehmend israelkritischen Flügel der Demokraten folgen könnte. Ein signifikanter Teil der arabischstämmigen US-Bürger werfen Harris und Biden die Unterstützung eines Völkermords in Gaza vor und rufen zur Stimmabgabe für die Demokratin auf.
In entscheidenden Swing States mit einer signifikanten arabischstämmigen Bevölkerungsgruppe wie Michigan, wo wenige Tausend Stimmen den Ausschlag geben könnte, könnte dies Harris sogar um einen Wahlsieg bringen. Felix Wellisch, Jerusalem
Arabische Länder: Ob Trump oder Harris ist egal
Mit einer Mischung aus Hoffnung und Gleichmut schauen viele Menschen in arabischen Ländern auf die US-Präsidentschaftswahlen. Die Bilder der leidenden Zivilisten in Gaza und im Libanon prägen seit über einem Jahr den politischen Diskurs. Nun wird in Talkshows diskutiert, ob Kamala Harris oder eher Donald Trump die Netanjahu-Regierung zu einem Waffenstillstand zwingen könne.
Harris hatte als erste US-Politikerin ein Ende des Gaza-Krieges gefordert. Doch als Vizepräsidentin wird sie für die weitgehende Zerstörung Gazas mitverantwortlich gemacht.
Donald Trump wirbt um Wähler mit Wurzeln in der Region mit seiner unorthodoxen Diplomatie. Der herzliche Empfang des Ehepaars Netanjahu bei den Trumps in Mar-a-Lago im Juli zeigte, wo die Sympathien liegen. Mit dem Satz „Tun Sie, was Sie müssen“ soll Trump vor den israelischen Angriffen auf Iran im Oktober seine Solidarität bekundet haben. In seinem letzten Telefonat mit Benjamin Netanjahu machte Trump laut Times of Israel eine klare Ansage: „Ich will, dass der Krieg in Gaza vor der Ablegung meines Amtseides beendet ist.“
In Gesprächen mit Trump-Beratern fällt auffällig oft der Begriff „umstrittene“ statt „besetzte“ Gebiete. „Trump könnte die Ausweitung der Siedlungen anerkennen, im Gegenzug für ein Ende des Krieges“, warnt ein Berater der Palästinensischen Autonomieverwaltung in Ramallah gegenüber der taz.
In den Golfstaaten und in Nordafrika findet die Wahl weit weniger Beachtung. Der Prozess der Abnabelung vom Westen ist fortgeschritten, auch die Zeit islamistischer Gruppen ist vorbei. Ein kaltschnäuziger Pragmatismus hat Einzug gehalten.
In Tunesien, wo die Solidarität mit Hamas und Hisbollah Staatsräson ist, startet demnächst eine Militärübung mit der US-Armee, zeitgleich wird im Hafen Bizerte erstmals ein russisches Kriegsschiff einlaufen. „Ob Trump oder Harris, ist uns eigentlich egal“, sagt der tunesische Analyst Mohamed Hamad. „Die westlichen Doppelstandards haben den Glauben an den Westen beendet.“
„Die USA werden nicht mehr nur als Verbündeter Israels gesehen“, sagt Makram Rabah, der an der amerikanischen Universität in Beirut Geschichte lehrt. „Sondern als die treibende Kraft hinter der tödlichen Feuerwalze, mit der Netanjahu Großisrael durchsetzen will.“
Doch Rabah steht wie viele Libanesen und Palästinenser auch Hisbollah und Hamas kritisch gegenüber. „Die arabische Straße hofft vage darauf, dass nach dem Ende des Wahlkampfes sowohl die iranische Hegemonie als auch die israelische Besatzung Palästinas beendet wird.“ Mirco Keilberth, Tunis
Ukraine: Selenskyj geht in Deckung
In der Ukraine ist es kein Geheimnis, dass man eine Präsidentin Kamala Harris einem Präsidenten Donald Trump vorziehen würde. Doch diese Präferenz wird nicht offen ausgesprochen – der Fehler von 2016, als nahezu die gesamte politische Elite für Hillary Clinton Partei ergriff, bleibt in Erinnerung. Nach Trumps Sieg löschten viele rasch ihre Clinton-freundlichen Posts.
Diesmal will sich niemand mit den Republikanern überwerfen. Die waren verstimmt, als Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem jüngsten USA-Besuch eine Waffenfabrik besuchte und ausschließlich Politiker der Demokraten ihn begleiteten.
„Harris ist eine erfahrene Politikerin. Sie versteht ihr Handwerk. Trump mag ein guter Geschäftsmann sein, aber das macht ihn nicht automatisch zu einem guten Politiker. Ich bin für Harris, sie ist berechenbar“, meint Journalistin Nastena.
Berufssoldat Stanislaw sieht das etwas anders: „Trump ist wenigstens ehrlich. Er sagt ‚America first‘. Die Demokraten denken das auch, aber sie tun so, als stünden sie hinter uns. An der Front bekommen wir vom Westen veraltete Waffen, die er selbst nicht mehr will. Der Westen ist auf der Seite des Westens, seine Interessen bleiben die gleichen, unabhängig davon, wer gewählt wird. Ich glaube daher nicht, dass diese Wahl viel für uns ändern wird.“
Zu den wenigen öffentlichen Persönlichkeiten, die sich offen für Trump aussprechen, zählt Sergij Jagodsinskiy, Prorektor der Europäischen Universität in Kyjiw. Trump sei ein guter Geschäftsmann, habe Charisma und zeige Offenheit. Ihm gefällt es, dass Trump den ukrainischen Präsidenten in seinem Haus empfangen habe und offen von seinem Wunsch nach Frieden in der Ukraine spreche. „Trump trägt keine Maske, er ist authentisch“, sagt Jagodsinskiy auf Youtube und fügt hinzu, dass er nicht glaube, dass Harris Putin die Stirn bieten könne. Bernhard Clasen, Kyjiw
Russland: Putin spielt den Troll
In Russland tut man so, als sei der Wahlausgang völlig egal. Präsident Wladimir Putin betont immer wieder, dass die USA in Russland immer nur den „Feind“ sähen, bevor er ausholt, wofür die USA verantwortlich seien – in den Augen Moskaus für alles Schlechte in der Welt.
Außenminister Sergei Lawrow sagt: „Im Großen und Ganzen ist es egal, wer das Rennen macht. Das amerikanische Polit-Establishment, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit, betrachtet Russland als Feind und existenzielle Bedrohung.“
Die Signale aus Moskau sind absichtlich widersprüchlich. Putins rechtsextremer Vordenker Alexander Dugin bezeichnet Harris immer wieder als „unzurechnungsfähige Idiotin“, die dem Satan diene. Staatliche Medien berichten gern diffamierend über sie.
Als Joe Biden sich aus dem Wahlkampf herauszog, stellte sich Putin öffentlichkeitswirksam auf die Seite von Harris – um sie ins Lächerliche zu ziehen. Bei der Plenarsitzung des Wirtschaftsforums in Wladiwostok im September sagte der Kremlchef süffisant, diese habe so ein ansteckendes Lachen. „Es geht ihr also gut. Und wenn es Frau Harris gut geht, dann wird sie sich hoffentlich davor zurückhalten, gegen unser Land so viele Sanktionen einzuführen wie Präsident Trump.“ Ein klassisches Trolling, unangemessen und provozierend,
Der Kreml will sich öffentlich nicht festlegen, obwohl Trump der russischen Führung durchaus imponiert, vor allem darin, wie er die Allianzen im Westen aufmischt. Dass er den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden will, sehen die Russen als das an, was es ist: Prahlen. Die völlig vermurkste Beziehung zu Washington nutzt Moskau für seine antiwestliche Rhetorik und seine Politik, wonach nur das zählt, was der Kremlherrscher sich in den Kopf gesetzt hat: die Weltordnung nach seinem Gutdünken umzuformen. Inna Hartwich, Moskau
Chinas Kalkül und Taiwans Ängste
In Chinas offizieller Politik glauben die meisten, dass es sich bei der Wahl zwischen Donald Trump und Kamala Harris lediglich um eine Wahl zwischen Pest und Cholera handelt. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner wollten China in seinem legitimen Aufstieg behindern, ist die Auffassung im Regierungsviertel Zhongnanhai.
Spätestens seit März 2023 ist dies offizielle Staatsdoktrin. Da erhob Xi Jinping den Vorwurf: „Die westlichen Länder, angeführt von den Vereinigten Staaten, haben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung unseres Landes betrieben, was unsere Entwicklung in nie dagewesener Weise behindert hat“.
In seiner ersten Präsidentschaft riss Trump einen Handelskrieg gegen die Chinesen vom Zaun. Joe Biden führte den Kurs konsequent fort, setzte jedoch auf Tech-Sanktionen. Zudem hat er massiven Druck auf seine Verbündeten ausgeübt, insbesondere Taiwan und Südkorea, keine sensible Technologie mehr an Peking zu exportieren.
Diese Politik würde Kamala Harris grundsätzlich fortführen. Was die Demokratin aus chinesischer Sicht als Pluspunkt verbuchen kann: Sie wäre vorhersehbarer, da sie die diplomatischen Konventionen einhält und für Kontinuität steht.
Trump hingegen ist unberechenbar. Und doch bietet er für Peking gleichzeitig eine historische Chance. Schließlich hat er in diesem Wahlkampf bereits für Irritationen im Indo-Pazifik gesorgt. So behauptete er etwa Mitte Oktober, dass er Südkorea dazu zwingen würde, künftig jährlich zehn Milliarden Dollar für die US-Militärpräsenz im Land zu zahlen. Im nächsten Satz bezeichnete er Südkorea als „Geldmaschine“.
Solche Aussagen sind für Peking diplomatisches Gold. Trump erweist damit nicht nur den westlichen Werten einen Bärendienst, sondern desillusioniert auch die chinesische Bevölkerung selbst stärker, als es die Staatsmedien mit ihrer plumpen Propaganda könnten.
Trump hat auch Taiwan damit gedroht, die militärische Unterstützung seitens der USA herunterzufahren. Er verlangt, dass die Taiwaner 10 Prozent ihres BIP in ihre Verteidigung stecken und hat mehrfach die Ostasiaten beschuldigt, die einst führende US-Halbleiter-Industrie „gestohlen“ zu haben.
Es wäre also anzunehmen, dass die US-Alliierten in Ostasien mehrheitlich auf der Seite Kamala Harris stünden. Doch in Südkorea wünschen sich ausgerechnet Teile der linken Opposition lieber Trump im Weißen Haus. Er war schließlich der erste US-Präsident, der einem nordkoreanischen Machthaber zum Gipfeltreffen die Hand ausgestreckt hat. Selbst wenn die Trump-Kim-Annäherung schon bald spektakulär scheiterte, so brachen doch zumindest kurzzeitig die verhärteten Fronten in dem jahrzehntealten Konflikt auf.
Gleichzeitig erfreut sich Trump wegen seines authentischen, selbstbewussten und auch exzentrischen Auftretens durchaus großer Beliebtheit bei eher apolitischen Chinesen. Diese feiern den Republikaner wie eine Comic-Figur. Davon zeugen Internet-Memes und Trump-Souvenirs.
Das ist durchaus beachtlich, denn in den Fernsehnachrichten des Staatsfernsehens wird über die Vereinigten Staaten grundsätzlich in geradezu apokalyptischem Tonfall berichtet: chaotisch, gefährlich, im Niedergang begriffen. Aber als etwa am 25. Oktober die nationalistische Parteizeitung „Global Times“ wie praktisch jeden Tag einen anti-amerikanischen Leitartikel veröffentlichte, reagierten die User vor allem mit Häme.
„Ist das nicht ein merkwürdiges Phänomen? Die Reichen fliehen alle in die USA, während die Armen sagen, dass Amerika böse ist“, lautete ein Kommentar. Denn führende Propagandisten der Staatsmedien haben Häuser in den USA erworben und lassen dort ihre Kinder studieren.
Lynn Song, Chef-Ökonom für die niederländische ING-Bank, kommt nach etlichen Gesprächen mit Klienten in China zum Ergebnis, dass „sich die Mehrheit der Befragten für Trump ausgesprochen“ habe. Von Trump wird eine harte Wirtschaftspolitik erwartet, jedoch dürften die politischen Restriktionen gegenüber China sanfter ausfallen, als unter Harris, die sich stärker für Menschenrechtsthemen interessiert. Ihr Vizekandidat Tim Walz hat sich in seiner politischen Laufbahn immer wieder stark für die chinesische Demokratiebewegung eingesetzt. Fabian Kretschmer, Seoul
Balkan: Kommt mit Trump Großserbien?
Schaut man von der US-Botschaft in Sarajevo auf den gegenüberliegenden Berghang, erinnert es ein bisschen an Berlin vor dem Mauerfall. Hie der amerikanische Sektor, da der russische. Hüben die Institutionen von Bosnien und Herzegowina, drüben die der Teilrepublik Republika Srpska.
Die Grenze zwischen dem westlichen und dem östlichen Lager zieht sich durch den gesamten Balkan und könnte mit dem Ausgang der Wahlen in den USA gefährlich verschoben werden.
In Pro-Putin-Autokratien wie Serbien setzen starke Strömungen auf Donald Trump. Denn dann würden Fesseln wegfallen, die den Durchbruch zu offen nationalistisch-autokratischen Positionen heute noch begrenzen. Versucht die jetzige US-Regierung immerhin noch, sich gegen die offene Verherrlichung von Kriegsverbrechen zu positionieren, wären bei einem Sieg Trumps Oppositionelle und sexuelle Minderheit physisch bedroht.
Schwelende Kriegsdrohungen könnten offen ausgesprochen werden. Serbien hat in den letzten Jahren stark aufgerüstet. Und pünktlich zum US-Wahltag hat die Republika Srpska gerade beschlossen, in ihrer Teilrepublik von Bosnien und Herzegowina die Flagge und Hymne des Staates Serbien einzuführen. Das ist ein Schritt in Richtung Großserbien.
Schon in seiner ersten Präsidentschaft trat Trump für einen Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo ein, was die Veränderung von Grenzen auf dem Balkan mit all den damit verbundenen Gefahren bedeuten würde. Heute wäre das ungleich gefährlicher.
Würde Ungarns Orbán dann seine Finger vom rumänischen Transsilvanien lassen? Würde die albanische Minderheit in Nordmazedonien den Anschluss an Albanien verlangen? Würde Serbien Montenegro übernehmen?
Alle demokratischen Parteien und Strömungen hoffen somit auf Kamala Harris, auch wenn ihre Position in vielen Fragen vage ist. Würde sie Kosovo nachhaltig unterstützen? Wird sie an der Staatlichkeit von Bosnien und Herzegowina festhalten oder neigt sie einer nationalistischen Aufteilung des Landes zu?
Über allem schwebt der Ausgang des Krieges in der Ukraine. Ob die USA die Ukraine weiter so unterstützen, dass sich das Land halten kann, wird sich direkt auf die politische Geografie auf dem Balkan und damit auf ganz Europa auswirken.
Von Europa erhoffen sich die liberal-demokratischen und zivilgesellschaftlichen Kräfte kaum noch Impulse. Vor allem die bosniakisch-muslimische Bevölkerung in Bosnien setzt sich im Gegensatz zu kroatischen und serbischen Extremisten zwar immer noch für die Durchsetzung europäischer Werte wie Rechtsstaatlichkeit ein, ist aber angesichts des Gazakrieges innerlich zerrissen.
Auch bisher stabile prowestliche Staaten kippen scharf nach rechts. Ungarn unter Viktor Orbán ist für manche Kräfte in Kroatien, Bulgarien und anderswo in Osteuropa offenbar ein Vorbild. Unter Zoran Milanovic weigert sich Kroatien, Soldaten für die Nato bereitzustellen. Nachdem es Orban mehrfach gelungen ist, die EU erfolgreich zu erpressen, scheint die EU für diese Leute nur noch ein Vehikel zu sein, um eigene Interessen durchzusetzen. Erich Rathfelder, Sarajevo
Afrika: Investieren ja, einmischen nein
Kein afrikanischer Führer stellt sich öffentlich hinter Donald Trump oder Kamala Harris, und Afrika kommt im US-Wahlkampf nicht vor. Aber wer die US-Wahlen gewinnt, wird zweifellos einen Einfluss auf Afrika haben, da die politischen und ökonomischen Verbindungen nach wie vor eng sind.
Das würde man nicht denken, wenn man das Weiße Haus und seine Geringschätzung Afrikas beobachtet. Der letzte US-Präsident, der Afrika besuchte, war Barack Obama 2015. Joe Biden wollte im Oktober nach Angola kommen, der Besuch sollte die Bedeutung der afrikanischen Partner für die USA und den Willen zu gemeinsamem Engagement unterstreichen, hieß es damals. Dann sagte Biden die Reise wegen eines Wirbelsturms ab. Der Besuch ist auf Dezember verschoben.
„Sollte Kamala Harris bis dahin die Wahl verloren haben, könnte dieser Besuch unbedeutend werden“, sagt der angolanische Kommentator Maico Borba. Sollte Harris aber Präsidentin werden, dürften US-Investitionen in Angola zunehmen. Das Land steht im Zentrum der Rivalität zwischen USA und China.
Das milliardenschwere Investitionsprojekt „Lobito Corridor“ zum Bau von Eisenbahnlinien von Angolas Atlantiküste zu den Bergbaugebieten der Demokratischen Republik Kongo und Sambias ist das größte US-Investitionsvorhaben in Afrika. Unter Trump gilt seine Fortführung als unsicher.
„Für Kontinuität ist es wichtig, dass die aktuelle US-Regierung an der Macht bleibt“, sagt Analyst Brian Jere in Sambia. Kamala Harris besuchte im März und April 2023 Sambia, Tansania sowie Ghana, um US-Investitionen zu fördern. Sie sagte Hilfe bei der Terrorbekämpfung in Westafrika zu sowie Investitionen in Landwirtschaft und Kampf gegen den Klimawandel.
2022 hatte das US-Afrikakommando Africom bereits die Eröffnung einer Zweigstelle an der US-Botschaft in Sambia angekündigt. Das hat Misstrauen in einigen anderen Ländern des südlichen Afrika hervorgerufen, die Sambia nun als Sicherheitsrisiko wahrnehmen.
Wichtig für viele Länder ist die Zukunft des African Growth and Opportunity Act (Agoa), das den meisten afrikanischen Ländern zollfreien Zugang ihrer Exporte zu den US-Märkten gewährleistet. 2025 läuft Agoa aus. Biden hat sich für eine Verlängerung ausgesprochen, Harris dürfte das umsetzen. Bei Trump wäre das nicht garantiert.
Südafrika als größte Volkswirtschaft ist für eine Verlängerung von Agoa. Es nahm am 21. Agoa-Forum in Washington im Juli teil und erklärte das als wichtig für die „Verstärkung der starken Wirtschaftsbeziehungen zwischen Südafrika und den USA und unserem afrikanischen Kontinent“, wie Handelsminister Parks Tau sagte.
Aber Südafrika ist auch ein Gegner der US-Außenpolitik, unterstützt Palästina gegen Israel und neigt eher zu Russland als zur Ukraine.
Der Biden-Regierung wird zugutegehalten, einige Schäden zu reparieren, die Trumps erste Präsidentschaft 2017-21 in Afrika hinterließ. 2018 wurde Trump mit der Bezeichnung Afrikas als „shithole countries“ zitiert und er warf Afrika vor, die Migrationskrise der USA zu verschärfen.
Sowohl Trump als auch Harris „befördern eine imperialistische Agenda“, sagt der südafrikanische Kommentator Sifiso Mkhize. Er ist dafür, dass ganz Afrika sich dem Brics-Bündnis anschließt. „Aber Ghana, die Elfenbeinküste und Kenia sind auf US-Kurs.“
Und in Simbabwe kritisiert der regierungstreue Kommentator Danai Manyeruke, die USA würden afrikanische Länder sanktionieren, weil sie LGBTIQA+-Rechte nicht anerkennen. „China macht einfach Geschäfte, ohne uns zu drohen. Als Afrikaner wissen wir, dass diese Wahl Afrika nichts bringen wird.“ Tintswalo Baloyi, Johannesburg
Lateinamerika: Rechtspopulismus und Klimapolitik
Kurz vor den US-Wahlen übt keiner in Lateinamerika so demonstrativ den Schulterschluss mit Donald Trump wie Argentiniens Präsident Javier Milei. „Sie waren ein großer Präsident, und ich hoffe, Sie werden es wieder sein“, sagte er, als die beiden sich am Rande der Conservative Political Action Conference (CPAC) in Washington im vergangenen Februar 90 Sekunden lang die Hände schüttelten.
Milei erwartet vor allem einen neuen Milliardenkredit vom Internationalen Währungsfonds (IWF), ohne den er die bestehenden Devisenbeschränkungen nicht aufheben kann. Dazu muss die US-Regierung zustimmen. Schließlich war es Trump, der dem damaligen argentinischen Präsidenten Mauricio Macri einen 55-Milliarden-Dollar-Kredit des IWF ermöglichte.
In Stellung brachte sich Milei vergangene Woche, als er seine Außenministerin feuerte. Diana Mondino hatte bei der UN-Generalversammlung für die Aufhebung der US-Sanktionen gegen Kuba gestimmt, wie es Argentinien immer tut, wenn dieses Thema dort zur Abstimmung steht. Aber das war Milei offensichtlich nicht recht, denn damit stimmte Argentinien gegen die USA.
In Brasilien würde ein Sieg Trumps den Bolsonaristas Auftrieb geben. Ex-Präsident Jair Bolsonaro scheint nur darauf zu warten, dass Trump wieder ins Weiße Haus einzieht, damit er sich für die Präsidentschaftswahl 2026 in Stellung bringen kann.
Präsident Lula da Silva hingegen setzt auf Kamala Harris, wenn auch nicht offen. Der scheidende US-Präsident Joe Biden hatte ihm bei dem Putschversuch gegen seinen Amtsantritt im Januar 2023 öffentlich Unterstützung zugesichert und damit maßgeblich dazu beigetragen, dass sich das brasilianische Militär ruhig verhielt. Eine Präsidentin Harris würde sicher nicht anders handeln. Und sie wäre offen für Lulas Amazonasschutz- und Klimapolitik, die mit Trump keine Basis hätte.
In Sachen Migration ist Mexiko als direkter Nachbar am meisten betroffen. Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit die Migrations- und Asylpolitik verschärft und im Wahlkampf weitere restriktive Maßnahmen angekündigt.
In Lateinamerika setzen daher viele ihre Hoffnungen auf eine mögliche Präsidentin Harris und ein offeneres Verhältnis der nächsten US-Regierung zur neuen mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum. Jürgen Vogt, Buenos Aires
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