Zum Tod von Wolfgang Schäuble: „Er hätte Europa zerstören können“
Griechenlands Ex-Finanzminister Euklid Tsakalotos lässt an seinem verstorbenen früheren Amtskollegen Wolfgang Schäuble kein gutes Haar.
„Er wollte ein vereintes Europa, er wollte eine politische Union, aber nur für ein paar Länder. Er wollte uns (Griechenland, Anm.) und andere Länder aus der EU ausschließen, weil er eine EU für einige wenige wollte. Er war einer jener Politiker, die nicht verstanden haben, dass alte Ideologien nicht funktionieren. Er hätte Europa zerstören können“, fügte Tsakalotos hinzu.
Schäuble, so Tsakalotos weiter, habe geglaubt, dass die Krise in der Eurozone erst 2009 eingetreten sei und sich davor nichts geändert habe. Er glaubte, dass nur Griechenland ein Sonderfall sei. „Er hat irgendwann seine Position geändert – auf Druck von Angela Merkel und Hollande (früherer französischer Staatspräsident, Anm.)“, sagte Tsakalotos.
Schäuble sei auch hart zu seinem eigenen Volk gewesen – und dazu noch schlau, so Tsakalotos. „Das Bild, das er vermitteln wollte, war, dass er sich ehrlich an die Regeln hält, aber das war nicht der Fall“, sagte Tsakalotos.
Schäuble hat in Griechenland einen schlechten Ruf
Tsakalotos hatte den Posten des griechischen Finanzministers in der Regierung des linken Premiers Alexis Tsipras auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise als Nachfolger von Yanis Varoufakis übernommen. Tsakalotos sanierte die griechischen Staatsfinanzen. Unter seiner Ägide erwirtschaftete das damalige Euro-Sorgenkind Hellas durchweg ein Haushaltsplus – das ist einmalig in der griechischen Finanzgeschichte.
Erst kürzlich verließ Tsakalotos die Ex-Regierungspartei Syriza („Bündnis der radikalen Linken“) aus Protest gegen den neuen Parteichef. Der Abgeordnete im Athener Parlament ist nun Mitglied der neu gegründeten Parlamentsgruppe „Neue Linke“ („Nea Aristera“).
Der frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in Griechenland einen schlechten Ruf. Er gilt nach dem faktischen Staatsbankrott Griechenlands im Frühjahr 2010 als einer der Protagonisten für die Durchsetzung eines harten Spardiktats in Athen, das Millionen Griechinnen und Griechen rapide verarmen ließ. Das hat ihm das Gros der Griechen nicht verziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner