Wohnungs- und Obdachlosigkeit: Jung, weiblich, gefährdet

Die Zahlen sind dramatisch: Der Anteil junger Frauen unter Wohnungslosen steigt. Sie leben besonders gefährlich. Wohnungsmangel ist nur eine der Ursachen.

Eine Person hält ein Plakat hoch: auf rotem Grund mit weißer Schrift steht: Stop Zwangsräumungen

Eine Möglichkeit, Obdachlosigkeit zu verhindern: Zwangsräumungen stoppen Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Es gibt bestimmte Probleme, die in unserer Gesellschaft unsichtbar bleiben. Wohnungs- und Obdachlosigkeit von Frauen ist so ein Thema, denn im Straßenbild findet es kaum statt. Dabei kommt es immer wieder vor, dass Frauen, deren Rente nicht reicht oder die vor ihrem gewalttätigen Ehemann fliehen müssen, auf einmal ohne Wohnung dastehen.

Die Zahl der obdachlosen Menschen in Deutschland sinkt, aber der Anteil gerade junger Frauen steigt. Das geht aus den jährlichen Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hervor. Unter jungen Wohnungslosen ist der Anteil der Frauen deutlich höher als bei älteren: Bei den 18- bis 20-Jährigen sind es knapp 40 Prozent, bei den 40- bis 49-Jährigen 21 Prozent. Das könnte auf eine neue langfristige Entwicklung hinweisen.

Das Leben ohne Wohnung ist für alle Betroffenen eine Gefahr, doch für Frauen ist es noch einmal auf eine andere Art gefährlich. Denn wer auf der Straße schläft, wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit Opfer von sexualisierter Gewalt. Viele versuchen eine Nacht ganz ohne Dach über dem Kopf zu vermeiden, doch auch in geschlechtsgemischten Notunterkünften sehen viele keinen sicheren Ort. Deswegen kommt es immer wieder vor, dass Frauen Zweckbeziehungen eingehen – sich also von Männern mit nach Hause nehmen lassen, um gegen Sex ein Bett, eine Dusche oder etwas Essen für die Nacht zu bekommen.

Wer möchte, dass sich diese Formen der Abhängigkeiten und der sexualisierten Gewalt nicht verschärfen, muss die Wohnungslosigkeit bekämpfen. Bis heute fehlen ausreichend Schutzeinrichtungen gerade für Frauen. Genauso dringend ist präventive Hilfe: Der Staat muss Räumungsklagen abwenden, Mietschulden übernehmen, psychisch Erkrankten Hilfe anbieten und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen. Denn das ist und bleibt der effektivste Weg, damit Menschen nicht auf der Straße landen. Doch damit sich hier etwas ändert, müssten die Frauen erst einmal gesehen werden. Vielleicht können die steigenden Zahlen eine Warnung sein.

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Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.

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