Wissenschaftler schlagen Alarm: Europa verliert Wald
In der EU werden Forschern zufolge immer mehr Waldflächen gefällt. Das könnte auch Auswirkungen auf das Klima haben.
Das Forscherteam um Guido Ceccherini wertete Sattelitenaufnahmen aus, nach denen die abgeholzten Flächen seit 2016 um 49 Prozent zugenommen haben. Rund 69 Prozent der Biomasse sei dadurch verloren gegangen. Verantwortlich dafür machen die Wissenschaftler die steigende Nachfrage nach Holz in Europa und auf dem internationalen Markt.
Die Satellitenbilder zeigen ferner, dass die durchschnittliche Größe der Erntefläche in ganz Europa um 34 Prozent zugenommen habe, schreiben die Forscher. Dies habe Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die Bodenerosion und die Wasserregulierung. Wenn eine derart hohe Holzerntequote anhält, könnte die Vision der EU für den Klimaschutz nach 2020 behindert werden, und die zusätzlichen Kohlenstoffverluste aus den Wäldern würden zusätzliche Emissionsreduktionen in anderen Sektoren erfordern, um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen, heißt es in dem Bericht.
„Die Studie zeigt erstmals die sehr dramatischen Verluste an Waldfläche und Biomasse, die sich durch den Wunsch, stärker auf Bioenergie zu setzen, ergeben“, sagt Christine Fürst, Professorin für Nachhaltige Landschaftsentwicklung an der Universität Halle-Wittenberg, „sie zeigt deutlich die schweren Kollateralschäden für die Klimapolitik auf.“ Die Holzverwertung sei inzwischen globalisiert und der Ressourcenbedarf nicht nur in Europa, sondern insbesondere in China stark angestiegen. „Die Autoren zeigen, dass der aussetzende Stoffstrom aus Russland vor allem in den nordischen Ländern zu einem deutlichen Anstieg in der Holzernte geführt hat“, sagt Fürst, „hinzu kommen sicherlich auch ökonomische Zwänge, vor allem in den süd- und osteuropäischen Ländern.“
Immer mehr Waldbrände
„In den letzten Jahrzehnten haben auch natürliche Störungen in Wäldern zugenommen, wie Feuer, Insektenschäden und Windbruch“, kommentiert Julia Pongratz die Studie. Sie ist Professorin am Lehrstuhl für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der Universität München. „Die Autoren nehmen solche Störungen aus der Analyse aus, solange sie großflächig sind“, so Pongratz. Ihr Algorithmus erkenne sie aber nicht, wenn sie nur kleine Flächen beträfen. „Wir müssen sicherlich ein Augenmerk auch auf diese Veränderungen lenken“, so die Wissenschaftlerin.
Trügen sie zu dem Anstieg im Verlust der Waldfläche in Europa bei, dann sei das ein sehr viel größeres Problem als das in der Studie beschriebene, denn anders als die Bewirtschaftung der Wälder können wir Feuer, Wind und Insekten kaum steuern. „Wir kennen das aus Nordamerika, in Kanada etwa haben sich die bewirtschafteten Wälder durch die Zunahme natürlicher Störungen in den letzten Jahren von einer CO2-Senke Richtung CO2-Quelle entwickelt“, warnt Pongratz.
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