Wirtschaftsberatung der Bundesregierung: 40 Jahre neoliberale Schlagseite
Eine neue Studie analysiert die wirtschaftspolitische Ausrichtung von Berater*innengremien der Politik. Das Ergebnis ist eindeutig.
![Mehrere Männer präsentieren einen Bericht auf einer Pressekonferenz. Mehrere Männer präsentieren einen Bericht auf einer Pressekonferenz.](https://taz.de/picture/6880300/14/34868433-1.jpeg)
Ein knappes Jahrzehnt später herrscht im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie das einst von Schmidt geleitete Gremium offiziell heißt, in Bezug auf die hiesige Schuldendebatte ein anderer Geist. Das Beratergremium der Bundesregierung empfahl jüngst eine Reform der Schuldenbremse.
Langfristig gesehen haben Ökonom*innen vom Schlage Schmidts unter den Berater*innen der Bundesregierung jedoch eine Mehrheit. Zu diesem Ergebnis kommt ein neue Studie der IG-Metall-nahen Otto-Brenner-Stiftung. Die Zusammensetzung der Beratungsgremien der Bundesregierungen seit 1982 analysierte das Team um den Sozialwissenschaftler Dieter Plehwe, der am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin forscht. Neben den Wirtschaftsweisen gehören zu den Berater*innen auch Beiräte von Wirtschafts- und Finanzministerium.
„Im Zeitverlauf hat stets eine absolute Mehrheit der Gremienmitglieder austeritätspolitische Maßnahmen befürwortet, nur rund jedes zehnte Mitglied war und ist solchen Maßnahmen gegenüber kritisch eingestellt“, fasst Plehwe die Ergebnisse der Studie zusammen. Diese „intellektuelle Engführung“ sei durch die bisherigen Modi der Besetzung begründet.
Einfluss von akademischen Beziehungen
So zeigen „die Ergebnisse, dass akademische Beziehungen in Form von Promotionbetreuungen Einfluss auf die Berufung von Gremienmitgliedern haben“, führt Mitautor Moritz Neujeffski aus. Knapp jedes vierte Mitglied des Beirats des Wirtschaftsministeriums war zeitgleich mit dem oder der eigenen akademischen Lehrer*in im Gremium aktiv.
Dass die Diskussion um die Schuldenbremse offener geführt wird als frühere Debatten, liegt laut Plehwe daran, dass „die Dillemmata der rigiden Sparpolitik zunehmend akut“ würden. Mit der Schuldenbremse habe sich der deutsche Staat „ohne Not fiskalpolitisch so stark beschränkt, dass er die notwendigen Ausgaben für den Erhalt und Umbau der Infrastruktur und für die Finanzierung elementarer Aufgaben“ der Transformation nicht leisten könne, so der Wissenschaftler.
Eine Abkehr vom Neoliberalismus ist die aktuelle Debatte um die Schuldenbremse für ihn allerdings noch nicht. Denn die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert und laut Plehwe sind „in absehbarer Zeit auch keine Mehrheiten für eine andere Steuerpolitik zu erwarten“.
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