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Werbung für spezielle KinderprodukteDie Schutzlosen schützen

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Unausgewogene Nahrungsmittel führen oft zu Übergewicht. Weil die Jüngsten besonders beeinflussbar sind, sollte an Kinder gerichtete Werbung verboten werden.

Süße Verführung: Der Staat sollte an Kinder gerichtete Werbung verbieten Foto: tirc83/getty

D er Staat muss endlich an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel verbieten. Ein zentrales Argument dafür hat die Verbraucherorganisation Foodwatch am Mittwoch geliefert: Demnach enthalten 86 Prozent der rund 280 an Kinder beworbenen Nahrungsmittel der führenden Hersteller in Deutschland mehr Zucker, Fett und/oder Salz, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt.

Studien zeigen, dass Kinder, die Werbung für Lebensmittel sehen, tatsächlich mehr Kalorien zu sich nehmen. Eigentlich ist das logisch: Wenn Kindermarketing nicht funktionieren würde, gäben die Konzerne auch kein Geld dafür aus. Kinder sind eine leichte Beute für sie. Sie sind leichter als Erwachsene beeinflussbar. Bis zum Alter von 4 Jahren können sie noch gar nicht zwischen Werbung und dem normalen Fernsehprogramm unterscheiden. Dass sie trotzdem durch Werbung manipuliert werden dürfen, ist ein Skandal.

Skandalös deshalb, weil der Verzehr von Junkfood dazu beiträgt, dass Kinder dick werden. Etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gelten als übergewichtig, leiden später an höherem Risiko für Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herzprobleme. Neben dem unmittelbaren Leid entstehen hohe finanzielle Kosten für die Gesellschaft.

Doch vor allem die konzernhörige Ernährungsministerin Julia Klöckner und ihre CDU verhindern seit Jahren, dass der Bund Werbung für Kinder­lebensmittel verbietet. Stattdessen verlassen sie sich auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Konzerne, kein Junkfood unter Kindern bis zu 12 Jahren zu bewerben oder die Rezepturen ausgewogener zu gestalten. Doch die Werbe­selbstverpflichtung ist bereits 14 Jahre alt und hat das Problem nicht gelöst.

Die Rezepturen sind teilweise verbessert worden, aber die meisten sind immer noch schlecht. Die WählerInnen haben am 26. September die Möglichkeit, das Problem zu lösen: Sie sollten bei den bevorstehenden Bundestagswahlen Parteien wählen, die das Marketing von ungesunden Kinderlebensmitteln untersagen wollen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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9 Kommentare

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  • Eine große Empfehlung zum Thema: Die ARTE-Doku "Dick, dicker, fettes Geld". www.arte.tv/de/vid...icker-fettes-geld/

  • Wir reden hier von Genussmitteln, nicht von Lebensmitteln.



    Aber was will man erwarten, wenn schon Eltern lieber zu Faulheitsfraß ("convenient food") greifen, statt auf gesunde Ernährung zu achten?

  • Wenn der Staat weiß,welche an Kinder gerichtete Werbung, Werbung für ungesunde Lebensmittel ist, dann kann er für diese Lebensmittel auch gleich eine Kennzeichnungspflicht einführen. Das fände ichz.B. viel wichtiger.

  • Eins der größten Probleme ist doch dass die meisten Informationen Marketinginteressen enthalten. TAZ und teilweise ÖR ausgenommen, aber das sind Nischen. Wer bildet uns, auch die Alten, nicht nur die Kinder?

  • Immer schön die Verantwortung an den Staat schieben. Man kann Kindern auch erklären was gesund ist und was nicht. Aber es ist halt einfacher, wenn man einfach alles verbietet, was einen nervt.

    • @Hennes:

      Und - nur mal so gefragt - Sie sind auch für die Abschaffung des Verbotes von harten Drogen oder innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen? Schliesslich kann man jedem auch erklären, dass harte Drogen schädlich sind und 150 km/h in einer Spielstraße keine gute Idee sind.

    • @Hennes:

      Das würde aber heißen, dass die Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind oder keine Interesse haben, zuhause Ernährungskunde zu geben, weiterhin schutzlos der Junk-Food-Werbung ausgeliefert sind. Da ist es gut, wenn der "auch" Verantwortung übernimmt.

  • Und wieder ein Argument, der schwarzen Schande bei der Wahl mal ganz gepflegt ins Gemächt zu treten.

    Es ist in dieser unserer Republik ja sogar ungestraft möglich, in der Werbung für Kinderprodukte Werbung für nicht jugendfreie Etablissements zu platzieren. Im beobachteten Fall (bei einem großen deutschen Privatsender zur besten Nachmittagsstunde) Werbung für Spielhallen in Gestalt einer wohlbekannten lachenden Sonne.

    Das war sicher ein "Zielgruppem-Mismatch" aber wie gesagt: Völlig legal.

    • @Bolzkopf:

      Das war mit Sicherheit kein "Zielgruppem-Mismatch". Die Werbezeit wird von den Agenturen in Absprache mit den werbenden Unternehmen ganz klar definiert.

      Spielhallenwerbung um 15:xx während des Trikfils xx.

      Kinder sind die Kunden von morgen. Von Onlinespielen mal ganz abgesehen. Spielen kann süchtig machen, für so etwas (auch Lotto, Alkohol, Zigaretten) sollte gar nicht geworben werden dürfen.