Was Wirecard uns lehren sollte: Her mit den Steuerfahndern
Der Skandal um Wirecard ist groß, das Versagen der Aufsicht nicht zu übersehen. Weit größere Folgen aber haben Steuerflucht und -hinterziehung.
D er Bilanzbetrug bei Wirecard beherrscht die Schlagzeilen, als würde es sich um einen nationalen Notfall handeln. Die Aufregung ist so groß, dass zwei Fakten untergehen. Erstens: Bilanzbetrug ist selten in Deutschland. Wirecard ist eine Ausnahme, nicht die Regel. Zweitens: Die eigentlichen Schäden entstehen woanders – etwa bei der Steuerflucht, die den deutschen Staat jährlich viele Milliarden Euro kostet. Doch seltsam: Niemand fordert vehement, die Zahl der Steuerfahnder deutlich zu erhöhen – stattdessen wird nach einer personalstarken „Bilanzpolizei“ verlangt.
Diese Schräglage ist nicht zufällig, sondern spiegelt die Interessen der Wohlhabenden wider. Sie wollen ungestört ihre Steuerlast „gestalten“ – gleichzeitig aber maximale Sicherheit genießen, wenn sie auf den Kapitalmärkten investieren.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Firmen müssen kontrolliert werden, damit keine Fantasiezahlen in den Bilanzen landen. Aber diese Kontrolle gibt es schon – nicht nur durch die Wirtschaftsprüfer und die Finanzaufsicht Bafin, sondern auch durch das Strafrecht. Die Wirecard-Manager werden noch merken, dass es keine Freude ist, jahrelang ins Gefängnis zu wandern.
Wie gut das deutsche System funktioniert, zeigt sich daran, dass Bilanzen nur selten gefälscht werden. Prominente Fälle in den vergangenen 25 Jahren waren FlowTex, P & R sowie die Beluga-Reederei in Bremen. Der Gesamtschaden lag bei etwa 5 Milliarden Euro. In 25 Jahren. Dafür braucht man keine riesige „Bilanzpolizei“.
Stattdessen sollte man aus dem Wirecard-Desaster lernen, wie sich das jetzige System optimieren lässt, ohne viel zu kosten. Vorschläge gibt es reichlich: Unter anderem könnte man Whistleblower honorieren und die Kompetenzen der Bafin erweitern – sodass sie forensische Sonderprüfungen durchführen kann.
Personal ist knapp und teuer. Daher sollte man die Fahnder dort einsetzen, wo sie am meisten bringen – also in den Finanzämtern. Nicht Bilanzfälschung ist das große Problem, sondern Steuerbetrug.
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