Wahlkampfauftakt der Union: Ein Pfeifen im Walde
Beim Wahlkampfauftakt der Union ist sogar die Kanzlerin da. Während ihr Möchtegern-Nachfolger Laschet nervös wirkt, stiehlt ihm ein anderer die Show.
Laschet versucht, sich kämpferisch zu geben. „Ich werde kämpfen, mit allem, was ich kann, dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird“, ruft der Kanzlerkandidat der Union in den Saal. CDU und CSU wollten nicht regieren, weil sie Lust daran hätten, „sondern weil wir regieren müssen, damit Deutschland einen guten Weg nimmt“. Laschet ist sichtbar bemüht, das Image des Luschen-Laschi, das er sich mit allerlei Tölpeleien in den zurückliegenden Wochen hart erarbeitet hat, wieder abzustreifen. Die Zeit bis zum Wahltag ist knapp, der Abwärtstrend der Union bislang nicht gestoppt.
Ein paar Dutzend Aktivist:innen der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion stehen und sitzen zwischen Anhalter Bahnhof und Tempodrom vor der ersten Polizeisperre. Weiter kommen sie nicht. Das hatten sie sich wohl etwas anders vorgestellt. Von der Veranstaltung bekommen sie nur den großen Tourbus Armin Laschets zu sehen, der vor der Tür steht. „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“ steht darauf. Die Vorstellungen, wie ein solches modernes Deutschland aussehen sollte, dürften dies- und jenseits der Absperrungen auseinandergehen. Als Laschet als Letzter seinen Auftritt auf dem Unionsevent hat, sind die Klimarebell:innen schon längst wieder abgezogen.
Laschet formuliert markig, bleibt jedoch inhaltlich blumig. „Eins ist klar: Es kann kein Weiter-so in der Außen- und Sicherheitspolitik geben“, verkündet er. Doch was heißt das? Sieht er jetzt Auslandseinsätze der Bundeswehr generell kritischer? Will er etwa die deutschen Soldat:innen aus Mali abziehen? Nein, das Einzige, was ihm einfällt, ist, demnächst in der Lage sein zu wollen, einen Flughafen wie den in Kabul auch alleine ohne die USA zu sichern. Ist das wirklich die Lehre aus dem fast 20-jährigen Afghanistan-Desaster der Bundeswehr?
Nicht mit der Linkspartei – wer hätte das gedacht?
Reichlich krude wird es, wenn er den Grünen vorwirft, im März mehrheitlich nicht für die absurde letzte Verlängerung des deutschen Afghanistan-Mandats bis zum 1. Januar 2022 gestimmt zu haben. „Wenn wir den Grünen gefolgt wären, wäre der Einsatz schon im März wahrscheinlich in diesem Chaos gelandet“, behauptet Laschet. Das ist schlicht grober Unfug. Denn wäre das Mandat tatsächlich im März nicht verlängert worden, hätte das zusätzliche Zeit gebracht für die Evakuierung deutscher Staatsbürger:innen und afghanischer Schutzbedürftiger. Ob die Große Koalition diese Zeit dann auch genutzt hätte, ist eine andere Frage.
Immer wieder attackiert Laschet in seiner Rede die Grünen und auch die SPD, die derzeitige Koalitionspartnerin der Union. Gleichzeitig wirbt er jedoch auch um sie: „Wir wollen mit den Parteien der demokratischen Mitte koalieren.“ Nicht regieren will er hingegen, was für eine Überraschung, mit der Linkspartei: „Wir sagen, wir werden mit der Linken nicht koalieren“ – und zwar „aus inhaltlichen Gründen“. Wer hätte das gedacht?
Dem Unionskanzlerkandidaten ist anzumerken, dass er nervös ist. Immer wieder fingert er an seiner Brille herum. Auch diesmal schafft er es nicht, ganz stolperfrei durch seine Rede zu kommen. 1977 habe die Polizeispezialeinheit GSG9 „Deutsche aus der entführten Lufthansa-Maschine in Landshut befreit“, verkündet er – und verwechselt damit den Namen des Flugzeugs mit dem Ort des Geschehens, fand doch die Befreiungsaktion in der somalischen Hauptstadt Mogadischu statt. Nein, Laschet hat einfach keinen guten Lauf.
Zu seiner Unterstützung sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ins Tempodrom gekommen. „Ich habe Armin Laschet in all den Jahren als einen Menschen und Politiker erlebt, für den das ‚C‘ im Namen unserer Partei nicht irgendein Buchstabe ist, sondern in allem, was er getan hat, der Kompass“, preist Merkel ihren Möchtegern-Nachfolger an. In 72 Jahren Bundesrepublik hätte die Union über 50 Jahre lang den Kanzler beziehungsweise die Kanzlerin gestellt. „Das ist Anlass und Ansporn, dafür zu werben, dass diesen über 50 Jahren über diese Legislaturperiode hinaus weitere solche Jahre folgen.“
Söder spricht doppelt so lang wie geplant
Auch Markus Söder stellt sich, wie könnte es anders sein, hinter Laschet. Gleichwohl dürfte der Auftritt des CSU-Chefs bei seinem CDU-Kollegen gemischte Gefühle hinterlassen haben. Denn Söder überzieht seine eigentlich vorgesehene Redezeit kräftig. Statt 15 Minuten spricht er eine halbe Stunde. Nicht nur damit raubt er Laschet die Show.
„Lasst uns auch einen Moment ehrlich sein“, fordert Söder. „Es ist knapp, es wird sehr knapp werden in den nächsten Wochen.“ Jeder in der Union müsse „kapieren mit dem heutigen Tag, dass es echt um alles geht“. Es sei „die Zeit, endlich zu kämpfen“. Und er ruft in den Saal: „Wir können es noch, wir sind nicht am Ende, wir sind nicht ausgelaugt.“ Es klingt wie ein Pfeifen im Walde. „Ich will, dass Armin Laschet Kanzler wird und nicht Olaf Scholz oder Annalena Baerbock“, sagt Söder. Aber kein Zweifel: Am liebsten hätte er sich selbst als nächsten Bundeskanzler gesehen.
Aber wenigstens dürfte Laschet der Auftritt von Friedrich Merz gefallen haben. Der wird aus dem Sauerland zugeschaltet. „Man kann Armin Laschet das Land anvertrauen“, sagt er. Der so Angepriesene revanchiert sich und lobt Merz als einen „Finanz- und Wirtschaftspolitiker, nach dem sich andere Parteien sehnen würden“. Laschet übt den großen Schulterschluss: „Wir wollen die Wahl gewinnen mit allen, die dazu gehören: den Christlich-Sozialen, den Liberalen und den Konservativen in unserer Partei.“ Auf eine Schalte nach Südthüringen zu Hans-Georg Maaßen verzichtete die CDU allerdings.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren