Wahl von Kai Wegner in Berlin: Demütigung statt Triumph
Kai Wegner fällt in Berlin in zwei Wahlgängen durch. Jetzt wird es für den neuen Regierenden Bürgermeister noch schwieriger, die vielen Probleme der Stadt anzugehen.
D as hatte sich Kai Wegner ganz anders vorgestellt. Erst im dritten Wahlgang erhielt der CDU-Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters eine Mehrheit aus CDU und SPD. Dabei hätte dieser 27. April ein Tag des Triumphs für ihn und seine Partei werden sollen. So aber wird dieser Tag immer auch als Tag der Demütigung von Wegner im Gedächtnis bleiben – zumal im Raum steht, dass Wegner auch mit und vielleicht sogar nur wegen Stimmen der AfD gewählt wurde.
Im ersten Wahlgang fehlte dem CDU-Kandidaten mit 15 Stimmen viel mehr Unterstützung, als irgendjemand erwartet hatte. Schon das zeigt, auf welch wackligen Beinen diese Koalition steht. Prompt begannen die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen CDU und SPD.
Wie immer bei einer geheimen Wahl gilt allerdings: Wir werden die genauen Gründe und Abweichler*innen nie kennen – was die Situation noch verfahrener macht. Insgesamt kann man aber, ohne dass man den Sozialdemokraten die alleinige Schuld daran geben kann, sagen: Letztlich spiegelt sich in Wegners Wahlergebnis das knappe Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids wider, bei dem nur 54 Prozent für Schwarz-Rot votiert hatten.
Dieser verpatzte Auftakt wird es dem neuen CDU-Regierungschef noch schwerer machen, die vielen Probleme Berlins anzugehen, zumal die nächste Wahl bereits in gut drei Jahren stattfindet. Zwar herrscht über die großen Herausforderungen parteiübergreifender Konsens: Die Stadt braucht eine Verwaltungsreform, konsequente Klimaschutzpolitik und viel mehr bezahlbaren Wohnraum. Aber wenn sich eine Koalition so früh derart instabil zeigt, darf sie auf keine Zugeständnisse von anderen Parteien – etwa bei Verhandlungen zwischen der Senats- und der Bezirksebene – hoffen und muss zugleich stets um die eigene Mehrheit bangen.
Wer also gehofft hatte, mit Kai Wegners Wahl käme das mit der Pannenwahl 2021 ausgelöste Chaos zu einem Ende, liegt falsch. Doch die Opposition aus Grünen und Linken, immer noch sauer über den überraschenden Spurwechsel der SPD hin zu CDU, kann sich darüber nicht freuen. Sollte Schwarz-Rot bald platzen, wäre es keineswegs klar, dass es erneut zu Rot-Grün-Rot kommt.
Und bei der Wähler*innenschaft schwächt ein erneutes Durcheinander das Vertrauen in die Berliner Landespolitik weiter. Damit ist keiner Partei gedient. Ein bisschen politische Normalität hätten die Berliner*innen schon erwarten dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl