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Waffenlieferungen in KriegsgebieteGrüner Fight wegen Eurofighter

Außenministerin Baerbock zeigt sich offen für eine Lieferung von Kampfflugzeugen nach Saudi Arabien. In ihrer Partei gefällt das nicht allen.

Ein Eurofighter startet im Grünen Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz | Mit einer Äußerung zur Lieferung von Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter an Saudi-Arabien hat Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihre Partei in Aufruhr versetzt. Politikerinnen aus der Grünen-Spitze erteilten dem Vorstoß der Ministerin am Montag eine Abfuhr. „Ich halte die Freigabe von Eurofightern an Saudi-Arabien für falsch“, erklärte Agniesz­ka Brugger, stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende. Baerbock hatte am Sonntagabend gesagt, die Bundesregierung sei für die Lieferung der Kampfflugzeuge an die Saudis offen, weil Riad von den jemenitischen Huthi-Rebellen auf Israel abgeschossene Raketen abfange.

Die Bundesregierung wendet sich mit den Äußerungen Baerbocks von ihrem Koalitionsvertrag ab. Dort hatten SPD, Grüne und FDP festgehalten, keine Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter an Staaten zu erteilen, „solange diese nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind“. Die nun geänderte Richtungsentscheidung sorgte bei den Grünen für Kritik. „In einer Weltlage, die immer unsicher und unfriedlicher wird und in der Demokratien und Autokratien in Konkurrenz zueinander stehen, kann sich ein solcher Kurswechsel auch schnell wieder rächen“, erklärte Brugger, die für die Grünen auch im Verteidigungsausschuss sitzt.

Saudi-Arabien ist aktive Kriegspartei in Jemen und neben dem Iran einer der wichtigsten Akteure in dem Land. 2015 hatte Riad im Rahmen einer Militärkoalition in den Krieg mit den Huthi-Rebellen eingegriffen, doch seit einigen Jahren schon suchen die Saudis einen Ausweg aus dem kostspieligen Konflikt. Zuletzt hatte es Verhandlungen zwischen Riad und Führern der Huthi gegeben, die auf ein Ende der jahrelangen Gewalt hoffen ließen. Deutschland ist auch bislang ein zentraler Kriegswaffen-Exporteur für Saudi-Arabien – durch den Gebrauch von Ausnahmeregelungen wurden 2022 Rüstungsgüter im Wert von 44,2 Millionen Euro in das Land geliefert.

Es sei eine Frage, Munition zur Abwehr des Raketenbeschusses zu liefern oder den Weg für eine große Bestellung neuer Kampfflugzeuge freizumachen“, so Brugger. Auch die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang sprach sich gegen einen Kampfjet-Deal mit Saudi-Arabien aus. „Mit Blick auf die Menschenrechtssituation, auch auf die innere Verfasstheit Saudi-Arabiens, finde ich eine Lieferung von Eurofightern nach wie vor falsch“, sagte Lang am Montag dem RBB-Inforadio.

Habeck auf Baerbock-Kurs

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte dagegen den Kurswechsel und begründete ihn damit, dass „sich Saudi-Arabien wohlgesonnen gegenüber Israel aufstellt“ und so zur Stabilität in der Region beitrage. Regierungssprecher Steffen Hebestreit argumentierte, Saudi-Arabien nehme im Nahostkonflikt eine „sehr konstruktive Haltung“ gegenüber Israel ein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teile die Auffassung, die Lieferung der Kampfjets an Saudi-Arabien nicht weiter zu blockieren. Die Unionsfraktion im Bundestag begrüßte die Kehrtwende der Bundesregierung.

Gefertigt werden die Eurofighter-Kampfjets in Großbritannien von einem europäischen Konsortium, an dem auch deutsche Firmen beteiligt sind. London will die Flugzeuge schon länger an Saudi-Arabien liefern, der Export scheiterte bislang jedoch am Veto aus Deutschland.

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23 Kommentare

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  • Wenn das nciht doch noch abgebogen wird (unwahrscheinlich; Scholz ist so sehr dafür, dass nicht klar ist, ob er nicht die treibende Kraft hier ist), kann man das ganz einfach regeln:

    Solche Großlieferungen erfolgen nicht auf einen Schlag. Und sobald Eurofighter zu Angriffen auf zivile Ziele eingesetzt werden, wird der Rest der Lieferung storniert.

    • @Ajuga:

      " Und sobald Eurofighter zu Angriffen auf zivile Ziele eingesetzt werden, wird der Rest der Lieferung storniert."

      So schlau ist Salman schon, erst mal auf nett zu machen.

      Außerdem ist eine Stornierung unwahrscheinlich. Wenn die Genehmigung erst Mal da ist, wird GB auch liefern...

  • Ich verstehe die Aufregung hier nicht, sondern finde Frau Baerbocks Position nur konsequent. Wer primär auf eine militärische Lösung in der Ukraine setzt, sollte das auch bzgl Jemen tun.



    Immerhin unterstützt Saudi Arabien die rechtmäßige Regierung die gestützt wurde.



    In was für einer Welt würden wir morgen leben, wenn so etwas Standart würde!



    Auch geht es um die Freiheit! Der Hauptteil der Menschen dort möchte nicht unter einer Herrschaft der Rebellen leben. Und verhandeln kann man mit den Rebellen auch nicht!



    Ich persönlich bin skeptisch gegenüber militärischen Lösungsansätzen, finde es aber komisch, dass die Leute, die in der Ukraine eine militärische Lösung wollen jetzt hier an Lieferungen an Saudi Arabien kritisieren.

    • @Alexander Schulz:

      "Immerhin unterstützt Saudi Arabien die rechtmäßige Regierung die gestützt wurde."

      Rechtmäßig ist dort niemand. Der Aufstand begann, als die Regierung vereinbarte Wahlen "vergessen" hatte. "Gute" gibt es im Jemen nicht. Nur eine Bevölkerung, die seit Jahren extremes Leid ertragen muss.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Aha...die offiziell international anerkannte Regierung ist also nicht rechtmäßig!?

        Sie wissen schon, dass es in kaum einem Krieg oder Konflikt auf dieser Welt einen "Guten" gibt oder?

        "Schwarz-Weiß" Konflikte gibt es fast nie; meisten eher "böse" gegen "weniger böse".

        • @Alexander Schulz:

          "Sie wissen schon, dass es in kaum einem Krieg oder Konflikt auf dieser Welt einen "Guten" gibt oder?"

          Genau das habe ich geschrieben.

          Und natürlich kann man auf dem Standpunkt stehen, dass die Bevölkerung gegen Regierungen aufstehen kann, die Wahlen vergessen, fälschen oder sonst wie undemokratisch gestalten. Unsere Regierung spricht solchen Regierungen schon die Legitimität ab, wenn es ins Konzept passt.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Entschuldigen Sie, dann habe ich Sie falsch verstanden.



            "Legitimität" ist leider eine Frage, ob es gerade"passt" oder nicht.

  • Saudi Arabien ist immer wieder unter den Top-3 [1] [2] wenn's um den Vollzug der Todesstrafe geht.

    Frau Baerbock -- ich war mal ein Fan von Ihnen. Davon ist immer weniger übrig.

    [1] en.wikipedia.org/wiki/Death_penalty



    [2] www.amnesty.org/en...ess-killing-spree/

  • Was sind denn das bitte für Argumentationen von Baerbock und Habeck? Und welche Partei soll man künftig bitte noch wählen? Da kann man einfach nur noch den Kopf schütteln..

  • Ich war entsetzt als ich das gelesen habe. Den radikal islamischen wahabiten die den Jemen bombardieren Flugzeuge zu liefern ist zutiefst unmoralisch. Was ist denn mit unserer Aussenministerin los ? Politisch sehr unklug und riecht nach Geld und Öl. Sehr traurig.

  • Meine Güte, welche Prinzipien sollen wir bei Grüns denn noch alle über den Haufen werfen?

  • Wow, Saudiarabien ist eine Erb-Diktatur. Frauen werden dort immer noch systematisch unterdrückt. Außerdem gibt es da noch diese Krieg - ach Entschuldigung, diese "Militärintervetion" im Jemen.



    Aber die kriegen jetzt trotzdem Eurofighter?

    Frau Baerbock, diese Art der feministischen Außenpolitik hätte ein FDP-Minister auch hinbekommen.

  • Wie wäre es damit diese Eurofighter erstmal an die Ukraine zu liefern, wenn sie sie sich dort überhaupt bewähren können?

    • @Thomas Koll:

      Wir brauchen Saudi Arabien als Widerstand gegen den Iran. Wir erinnern uns: Der Iran hat die Hamas zum 7. Oktober ver/geführt um einen Keil zwischen die saudisch-israelische Annäherung zu treiben. Saudi Arabien schießt Drohnen der Huthi ab die Israel bedrohen! Kronprinz Mohammed Bin Salman hat durchaus gewisse Veränderungen herbeigeführt. Wem es lieber ist, dass Saudi Arabien sich Russland oder China zuwendet und dort kauft, der Möge dies begründen. Die Todesstrafe in Saudi Arabien ist reichlich unappetitlich, aber das ist sie in China und den USA auch. Moralingeladener Fundamentalismus ist zu einfach und führt entsprechend zu gar nichts.

    • @Thomas Koll:

      Zu teuer, zu kompliziert, zu geringe Stückzshlen, nicht in der Ausmusterung. Der EF ist nicht geeignet für die Ukraine.

  • Bis jetzt war mir nicht ganz klar, was unter feministischer Außenpolitik zu verstehen ist. Offensichtlich bedeutet es, dass Regime, die Frauen besonders heftig unterdrücken, bewaffnet werden.

    Und für alle Optimisten. Mit den Flugzeugen kann man auch durchaus Israel angreifen. Und das wird Salman tun, wenn er erst der Chef in der Gegend ist.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wird er sicherlich nicht tun. Saudi Arabien arbeitet schon seit einigen Jahren mit Isreal inoffiziell zusammen, da einige Gemeinsamkeiten gibt. Die größte ist der Feind Iran.

      • @Alexander Schulz:

        "Die größte ist der Feind Iran."

        Und wenn der Iran ausgeschaltet ist?

        Es ist besser, mal einen Schritt weiter zu denken. Salman ist ein machtgieriger Despot. Und er ist noch jung.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Der Iran wird nicht ausgeschaltet werden. Es geht darum ein gemeinsames Gegengewicht zu bilden.

          • @Alexander Schulz:

            Natürlich werden sich die Akteure auch an unsere Wünsche halten und ein Gleichgewicht herstellen. Ist ja ihr größtes Bestreben.

            Kann natürlich auch sein, dass die Saudis und die Mullas ihre begonnene Annäherung fortsetzen und sich am Ende gemeinsam auf Israel stürzen.

            Wir sollten endlich dazu kommen, zu bereifen, dass wir Staaten nicht für uns einspannen können. Die haben ihre eigenen Interessen und verfolgen sie auch knallhart.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              So läuft nun einmal Geopolitik. Die meisten größeren Länder (abgesehen von Deutschland die keine Geopolitik betreiben, sondern sich nur einspannen lassen) verfolgen ihre eigene Interessen und spannen dafür andere Länder ein.

              • @Alexander Schulz:

                Eben. Und genau deshalb sollten wir keine Waffen an die Saudis liefern. Das fällt uns langfristig nur auf die Füße.