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Waffenfund in HamburgDer stille Tod eines Neonazis

In seiner Wohnung hortete der verstorbene Lutz H. Waffen, Munition und Nazi-Propaganda. Die Polizei zeigte kein Interesse an dem Material.

Hakenkreuze und SS-Bildchen: Lutz H. hatte neben scharfen Waffen auch NS-Propaganda Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Die Wohnung des verstorbenen Lutz H. glich einem Gruselkabinett. An den Wänden prangten ein Dutzend Sturmgewehre und Schnellfeuerwaffen, Regalmeter waren bis unter die Decke vollgestopft mit legaler, aber auch illegaler Nazipropaganda, wie mehrerer Bände der Originalausgabe von Hitlers „Mein Kampf.“ Publikationen, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen oder über die Auschwitzlüge schwadronieren, stapeln sich neben Hakenkreuz-Orden und SS-Abzeichen.

An den Wänden hingen Ölbilder von Nazigrößen wie Joseph Goebels und Ernst-Otto Remer, der nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli den Umsturz verhinderte. Daneben prangte ein Gemälde eines mit Orden hoch dekorierten Anders Behring Breivik, des norwegischen Rechtsterroristen, der im Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen erschoss.

Vergangenen Donnerstag betreten mehrere Beamte des Hamburger Polizeikommissariats diese mitten in Hamburg, unweit der Alsterschwimmhalle, gelegene Wohnung des bereits im April verstorbenen Mannes. Sie sind von einer Nachlassverwalterin, die kurz zuvor die Nazihölle erstmals betreten hatte, informiert worden. Die Polizisten nehmen die Waffen von der Wand. Zwei von ihnen, ein Sturmgewehr AK-47 und eine Scorpion-Maschinenpistole, fallen vermutlich unters Kriegswaffenkontrollgesetz. Die Beamten verlassen die Wohnung, ohne diese genauer in Augenschein nehmen zu wollen.

Sturmgewehre und Maschinenpistolen: Ein Teil des Arsenals des Neonazis Lutz H.. Foto: Marco Carini

Kurz darauf werden sie erneut in die heruntergekommene Wohnung des Verstorbenen gerufen. In den Schubladen befanden sich noch mehr als ein halbes Dutzend Handfeuerwaffen, daneben bergeweise Munition. Offensichtlich diesmal beeindruckt von den Funden, informierten die Revierpolizisten die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts, Unterabteilung Waffen- und Sprengstoffdelikte. Dort heißt es am Dienstag, man habe insgesamt 15 erlaubnispflichtige Sturmgewehre und Maschinenpistolen, daneben noch Handfeuerwaffen, Schrotflinten und sogar einen „Schießkugelschreiber“ sichergestellt. Die Prüfung, wie viele der Waffen einsatzfähig sind, laufe noch.

Die Polizei interessieren Lutz H.s Kontakte nicht

Lutz H. ist polizeibekannt und gilt als der NPD nahestehend. Obwohl die gefundenen Schusswaffen ausreichen, einen ganzen Sturmtrupp auszurüsten und der Wohnungsbesitzer offenbar ein Neonazi und Fan des Massenmörders Breivik war, interessiert sich die Polizei nur für die Waffen von Lutz H. Sie interessiert sich nicht für dessen mögliche Verbindungen zur rechtsextremen oder gar rechtsterroristischen Szene.

Statt die Computer, die privaten Akten und die verbotenen Nazi-Materialien zu konfiszieren und auszuwerten, fordert die Polizei die Nachlassverwalterin per „Vernichtungsverfügung“ auf, die Dateien und die umfangreichen Papierberge umgehend zu entsorgen. Obwohl die Nazi-Devotionalien, die Lutz H. hortete, in der Szene einen hohen Sammlerwert besitzen, interessiert es die Polizei auch nicht, deren ordnungsgemäße Beseitigung sicherzustellen. „Der leitende Beamte vom Dauerdienst konnte keine Straftatbestände feststellen, deshalb haben wir die Vernichtungsverfügung erteilt“, erklärt Polizeisprecher Holger Vehren.

Man habe 15 erlaubnispflichtige Sturmgewehre und Maschinenpistolen sichergestellt, erklärte die Polizei der taz auf Nachfrage. Daneben noch Handfeuerwaffen, Schrotflinten und sogar einen Schießkugelschreiber.

Zudem verschweigt die Polizei am vergangenen Donnerstag den spektakulären Waffen- und Materialfund der Öffentlichkeit. Stattdessen veröffentlicht ihre Pressestelle im fraglichen Zeitraum lieber eine Erklärung über den „Diebstahl von Bundmetall in Hamburg-Steilshoop“. „Wir haben öfters Waffenfunde bei Verstorbenen, da informieren wir in der Regel nicht die Öffentlichkeit“, so Vehren.

Auch der Verfassungsschutz, wird am Donnerstag von der Nachlassverwalterin über das möglicherweise hochbrisante Material informiert. Die Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz aber sieht keine Möglichkeit einzugreifen, da die Mitarbeiter ihres Amtes nicht einfach die Wohnung seines Verstorbenen betreten, Akten und Dateien konfiszieren können. Möglicherweise habe es in dem Gespräch „Missverständnisse gegeben“, glaubt der Sprecher des Verfassungsschutzes, Marco Haase. „Wenn wir die Möglichkeit haben, solches Material zu sichten, dann schauen wir da natürlich drauf“, so Haase.

Das ist nun nicht mehr möglich. Inzwischen wurde die Vernichtungsverfügung der Polizei umgesetzt, die Wohnung entrümpelt, die Aktenflut entsorgt.

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41 Kommentare

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  • Anscheinend haben die Polzisten selbst genug davon zu Hause rumliegen.

     

    Klobürsten und getrocknete Petersilie erregen dagegen sofort ihre Aufmerksamkeit. Sowas kennen die halt nicht von zu Hause.

  • 3G
    38057 (Profil gelöscht)

    "Nazihölle"... jetzt ist die taz definitiv auf Bildzeitungsniveau gefallen.

    • @38057 (Profil gelöscht):

      Jau - „Nazihimmel“ hätte es eigentlich treffender heißen müssen.

  • Schade um das schöne altdeutsche Kulturgut. Damit hätte man doch gut die eine oder andere 'Kameradschaft' ausstatten können ;-)

    • @Nikolai Nikitin:

      Warum hätte? Das ganze landet jetzt erstmal in einer Asservatenkammer, und danach...

  • Ich verstehe solche Spinner nicht. Bei so viel Fanatismus müsste man eigentlich davon ausgehen, dass die Waffen irgendwann auch zum Einsatz kommen.

    Wir können froh sein, dass die Waffen scheinbar nicht benutzt wurden. Hoffentlich kann man die Quelle ermitteln und austrocknen.

  • Am Ende wäre wohlmöglich sogar aktenkundig geworden, woher die Waffen und das übrige „Argumentationsmaterial“ stammen. Die Polizei hat doch eh schon genug mit gefährlichen Klobürsten, Draht, Böllern und Werkzeug von G20-Demonstranten zu tun. Da kann man sich um solche Kleinigkeiten nun wirklich nicht auch noch kümmern - oder? (;-))

    • @Rainer B.:

      Steine! Sie haben Steine geworfen. Dafür gehört die ganze Szene ausgerottet, mit Stiel und Stumpf!

       

      Wen interessieren da schon ein paar Waffen..

      • @TV:

        Höre ich da etwa „Gaskammer“?

  • Und wie alt war Lutz H.? Ist ja auch nicht uninteressant, was die möglichen Kontakte in die Szene oder zum VS angeht.

     

    War er 95 und in seine Jugend "vernarrt" oder war er +/- 50 Jahre oder sogar wesentlich jünger?

    • @Hanne:

      Die Überschrift „Der stille Tod eines N e o nazis“ spricht klar gegen einen 95-Jährigen.

    • @Hanne:

      Er war 70.

      • @Mephisto:

        Woher wissen Sie das?

  • Wie kann die Polizei dazu gebracht werden, politischen Militarismus ernst zu nehmen?

    ES gibt ja die Staatsschutzabteilung.

    Waffensammlungen finden sich sicher viele.

    die Blood & Honour sind auch noch alle aktiv. Trotz Verbot.

  • "...aber auch illegaler Nazipropaganda, wie mehrerer Bände der Originalausgabe von Hitlers „Mein Kampf.“

     

    Nö, das ist nicht mehr verboten, sondern darf wieder publiziert werden, seit das Copyright abgelaufen ist.

  • Jaja, und bei Hausdurchsuchungen in linksradikalen Projekten sind Bauschutt und Feuerlöscher plötzlich skandalös gefährliche Waffen...

  • Für die Kontakte wäre vielleicht eher die Auswertung der Telekommunikation sinnvoll gewesen, aber die Vorratsdatenspeicherung ist ja nicht erwünscht.

     

    Da gegen Tote nicht ermittelt wird, gibt es auch keinen konkreten Straftatbestand, der noch geklärt werden könnte.

    • @Dr. McSchreck:

      Ja, die VDS ist nicht erwünscht. Das ist auch gut so. Gerade in diesem Fall ist VDS ja völlig unnötig: Was will man denn mit Metadaten, wenn die Festplatten offen vor einem liegen und die Akten bergeweise Klartext bieten?

      • @dasOimel:

        kurz - erSchreckens nicht - ;)

        Er - nur wieder!;))

  • Alles in bester Ordnung - die Polizei hätte sich doch selbst als dämmlich geoutet, dass sie so einem Typen nicht auf die Spur gekommen sind - also besser schnell vertuschen.

     

    Dass sie allerdings die Daten und Infos nicht verwerten, obwohl es sich hier um ein aktiven Neonazi gehandelt hat, ist das schon sehr erklärungsbedürftig?

     

    Man sollte als erstes untersuchen, ob dieser Mann mal V-Mann oder wie auch immer Informant des Staates selber war. Ob er seinen Wehrdienst ableistet, der MAD ihn sichtete etc. Den Verfassungsschutz sollte man hier vielleicht auch richtig verstehen, vielleicht kannten die diesen Lutz H. nur zu gut oder sie hatten jmd. in seiner Nähe, deswegen glaubten, sie schon alles zu wissen. Ansonsten ist deren Reaktion auch erstaunlich.

  • Der "Schießkugelschreiber" ist zumindest verboten.

  • Der nette Mann von nebenan, mit nem Nazitick. Für HH Polizisten nichts worüber man sich Sorgen machen sollte... Ein Schelm wer böses dabei denkt.

  • "Lutz H. ist polizeibekannt und gilt als der NPD nahestehend. Obwohl die gefundenen Schusswaffen ausreichen, einen ganzen Sturmtrupp auszurüsten und der Wohnungsbesitzer offenbar ein Neonazi und Fan des Massenmörders Breivik war, interessiert sich die Polizei nur für die Waffen von Lutz H. Sie interessiert sich nicht für dessen mögliche Verbindungen zur rechtsextremen oder gar rechtsterroristischen Szene."

     

    "Die Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz aber sieht keine Möglichkeit einzugreifen"

     

    Da sind die Behörden in HH bei der Roten Flora doch sehr viel aktiver.

  • Der Senat scheint rechtsgerichteten und Rechtsbrechern in der Polizei, wie z.B. Dudde, zu unterstehen.

    Die damals durch Schill eingesetzten Figuren können mit Manipulationen und der Kriminalisierung politischer Gegner ungestört in HH wüten.

  • Ja wie? Angesichts der vollgerumpelten Wohnung - Wenigstens einer -

    Der bis in die Rumpelsprache -

    Erschüttert ist.

    Nu. Hol's der Teufel.

    Wenn's denn der Wahrheitsfindung -

    Dient - wa!

    Newahr.

  • Ob die Polizei ähnlich reagiert hätte, wenn statt des Breivik-Porträts eine Daesh-Fahne an der Wand gehangen hätte?

    • @Earendil:

      Oder gar eine RAF-Fahne. Bestimmt ist die Geschichte im Getöse um das G20 Treffen einfach nur untergegangen... Aber genug der Vermutungen und des whataboutism.

      Sehr schade nur, wie offensichtlich die Behörden nichts aus dem Fall NSU gelernt haben. Da kann man nur hoffen, dass die Recherche zu diesem Fall hier noch weitergeführt wird.

  • Lieber Herr Carini,

    darf der geneigte Leser von einem Germanisten künftig etwas mehr sprachliche Sorgfalt erhoffen ?

    "... vollgestopft mit legaler, aber auch illegaler Nazipropaganda, wie mehrerer Bände der Originalausgabe von Hitlers “ Mein Kampf ".

    Ist der Besitz von " Mein Kampf " nun legal oder illegal ?

    Als Journalist sollte man zwischen Fisch und Fleisch zu unterscheiden wissen.

    • @Wahrheitundklarheit:

      Der Besitz einer Originalausgabe aus der Zeit ist nicht illegal.

       

      Vom Rückbezug von "wie mehrerer Bände" auf das vorherige "aber auch illegaler Nazipropaganda," schließe ich darauf, dass der Autor von Illegalität ausgeht... bin aber nur Facharbeiter, kein Germanist...

      • @Grmpf:

        Auch der Besitz eines modernen Nachdrucks oder etwa der Download von " Mein Kampf " aus dem Internet

        sind natürlich nicht strafbar.

        Ich kritisierte das pikante Komma hinter " Nazipropaganda ", das nach Belieben eine Zuordnung als legal oder illegal erlaubt.

        Auf den peinlichen Umstand, dass Herr Carini sich mit der gebotenen Unterscheidung zwischen Gegenwarts- und Vergangenheitsform schwertut, hatte ANAMOLIE bereits hingewiesen.

        All diese Fehler sind einem Anfänger vielleicht nachzusehen, einem auf dem Gebiete des Journalismus tätigen Germanisten mit Gewissheit nicht.

        • @Wahrheitundklarheit:

          Klar, eine Originalausgabe kann bzgl. dem Besitz nicht gleichzeitig legal und illegal sein. Vom Lesen her, auch nochmals, wirkt es als sei es als illegal deklariert.

        • @Wahrheitundklarheit:

          Der Neudruck ist in Deutschland urheberrechtlich verboten, insofern müsste der Besitz eines Nachdrucks ebenso verboten sein. Aber so firm bin ich bei der Thematik nicht...

          • @Grmpf:

            In aller gebotenen Zurückhaltung:

            In der Tat sind Sie nicht firm, denn Hitlers langweiliges Machwerk ist längst urheberrechtsfrei.

            Abgesehen davon würde es sich

            - wenn es denn anders wäre, was es aber nicht ist - um eine rein zivilrechtliche und nicht strafrechtliche Frage handeln.

          • @Grmpf:

            Soweit ich weiß, ist der bloße Besitz illegaler Kopien wovon auch immer kein Verstoß gegen das Urheberrecht, nicht einmal der Erwerb (es sei denn, die Kopien wurden eigens für den Käufer angefertigt, dann käme Anstiftung in Frage), sondern nur die aktive Weiterverbreitung, sprich der eigentliche Akt des Kopierens.

        • @Wahrheitundklarheit:

          Jau. Facharbeiter bleibt ein solcher.!;))

          • @Lowandorder:

            Nun seien's froh, dass ich keine Facharbeiterin bin, sonst würde ihr Spruch als sexistisch ausgelegt...

            • @Grmpf:

              Klar - Legst du nicht aus -

              Leg doch was unter -

              Wußte schonn - Ol' Jöhten!;)

              • @Lowandorder:

                Fühlen Sie sich ruhig als etwas Besseres... diese Erfahrung, mit all den Revoluzzern, deren Papis und Mamis Wohnung und Auto bezahlten, machte ich auch während meines kurzen Studienintermezzos.

                • @Grmpf:

                  Uppsalallala.

                   

                  Wie kommen Sie denn auf dieses schmale Brett?

                  Ming Broder zwei Lehrberufe - &

                  Icke - HochTiefStraße - mit 17

                  Heißsand im Akkord eingebaut &

                  Taxisdriver - night&day.

                  Na & Ab 12 Mopedschrauber!;))

                  &

                  Wer drauf hat - wo's Komm…a &

                  Was sagt - Chapeau.

                  (Meine Refis hattens hinterher auch drauf!;)

                  kurz - Lesen unvernagelt - hilft.;))

    • @Wahrheitundklarheit:

      Auch in so einem Fall sind manchem die Fußnoten wichtiger, als der Inhalt.

      Allerdings versteht so mancher aber auch nichts vom Inhalt.

  • "Lutz H. ist polizeibekannt und gilt als der NPD nahestehend." ...war bzw galt