piwik no script img

Das Heizkraftwerk von Alfhausen Foto: Maximilian Mann

WärmewendeSchwarz regiert, grün beheizt

In Alfhausen hat eine CDU-Bürgermeisterin die Bewohner überzeugt, ihre Gasheizung abzuschaffen, und ein Wärmenetz installiert. Wie hat das geklappt?

A n diesem Morgen ist im Rathaus von Alfhausen ein Sozialdemokrat zu Besuch, um Nachhilfe bei der CDU zu nehmen. Das Thema: die Wärmewende. Im Gemeindesaal erwartet die CDU-Bürgermeisterin Agnes Droste bereits ihren Amtskollegen Christian Scholüke aus dem Nachbardorf Rieste. „Agnes ist bei dem Thema schon deutlich weiter als wir“, sagt der SPDler. Der 45-Jährige spricht schnell, fast so, als gelte es, den Rückstand heute im Gespräch aufzuholen.

Agnes Droste, 63, die mit Perlenkette und roter Brille am Kopfende des Konferenztischs im Rathaus sitzt, ist keine gewöhnliche Bürgermeisterin. Bis 2016 war sie noch Hausfrau, kümmerte sich um ihre zwei Kinder, hatte mit Politik nicht viel zu tun. Heute gehört sie zu den wenigen Frauen in Deutschland, die Rathäuser führen. Nur in neun Prozent der Kommunen ist das der Fall.

Das niedersächsiche Alfhausen mit seinen rund 4.000 Einwohnern ist hingegen in vielen Punkten ein typisch deutsches Dorf. Umgeben von Mais- und Rübenfeldern reiht sich hier der historische Ortskern an Neubaugebiete und saubere Straßen. Seit über 50 Jahren regiert die CDU mit absoluter Mehrheit.

Lange bevor im Berliner Politikbetrieb Heizungsgesetze die Gemüter erregten, hat Droste hier einen Großteil der Be­woh­ne­r:in­nen überzeugt, ihre Gas- und Ölheizungen auszubauen. Stattdessen setzen sie jetzt auf ein dorfeigenes Wärmenetz. Wird dieses wie in Alfhausen mit Biogas betrieben, ist es eine der klimaschonendsten Arten zu heizen. Wie hat Agnes Droste das im tiefschwarzen Alfhausen geschafft?

Was genau in ihrer Gemeinde heute anders ist, zeigt Droste bei sich zuhause. Als sie die Haustür aufschließt, springt ihr eine dreifarbige Katze entgegen. „Hi Gusta!“, ruft Droste. Sie geht voran in ihr Einfamilienhaus mit großen Fenstern und einem Hochbeet im Garten, öffnet eine Tür und steigt eine schmale Steintreppe hinab in den Keller. „Ganz schön muckelig warm hier unten“, sagt sie.

In einem kleinen Seitenraum ragt aus der Betonwand ein in Aluminiumfolie gewickeltes Rohr – der Anschluss der Familie ans Alfhausener Wärmenetz. Wo bis vor zwei Jahren noch eine Gasheizung stand, ist jetzt ein kleiner Zähler und ein brusthoher Zwischenspeicher installiert, der das warme Wasser in die Fußbodenheizung des Hauses leitet.

In rund drei Vierteln aller deutschen Haushalte stehen bis heute Öl- oder Gasheizungen. Dabei existiert eine der grünsten Alternativen bereits seit Jahrzehnten: Fernwärme mit Biogas. In einem zentralen Kraftwerk wird möglichst preiswert und klimaschonend Wärme produziert, die dann über Leitungen an die Haushalte abgegeben wird. In Bioenergiedörfern wie Jühnde in Niedersachsen oder Schlöben in Thüringen, heizen die Be­woh­ne­r:in­nen seit Mitte der Nullerjahre so. Neben Wärmepumpen gelten Wärmenetze als der Schlüssel zur Energiewende im Gebäudesektor.

Bürgermeisterin Agnes Droste hat zwischenzeitlich auch schon den Gemeindesaal zur Kita umfunktioniert Foto: Maximilian Mann

Doch trotz des Erfolgsmodells Bioenergiedorf haben es Fernwärmenetze auf dem Land oft schwer. Denn der Koordinationsaufwand ist hoch, Hunderte Bür­ge­r:in­nen zu überzeugen, ihre Heizungen auszutauschen, nicht leicht. Und immer wieder sorgt die Heizwende für Aufruhr. Wie jüngst in Mannheim, wo die Stadtwerke ankündigten, 2035 das Gasnetz abzuschalten und mehr Haushalte an die Fernwärme anzuschließen.

Der Mann, der die Idee für das Fernwärmenetz von Alfhausen hatte, ist 1,93 Meter groß, trägt einen struppigen Bart und ein schwarzes T-Shirt mit Firmenlogo auf der Brust. Wie ein Erwachsener an einem Kindertisch sitzt Ralf Weßler im Gemeindesaal von Alfhausen Christian Scholüke und Agnes Droste gegenüber.

2018 war es Weßler, der Bürgermeisterin Droste bei der Mitgliederversammlung des lokalen Schützenvereins bei einem Bier ansprach. Weßler hatte mit seiner Firma bereits die Steuerung für etliche Wärmenetze in Bayern entworfen. Und warum sollte das, was im Süden ging, nicht auch in seinem Dorf funktionieren?

Droste hätte Weßlers Frage damals als Träumerei abtun können. Einmal das ganze Dorf durchbuddeln und die Alfhausener überzeugen, ihre funktionierenden Heizungen abzuschaffen: wozu? Noch waren doch alle glücklich mit dem Status quo. Stattdessen lud die Bürgermeisterin wenige Wochen später in den Planungsausschuss der Gemeinde ein.

Das ganze Dorf durchbuddeln, funktionierende Heizungen abschaffen: wozu?

Weßler tauchte mit einem Konzept auf, basierend auf den Wärmeverbräuchen von allen Großabnehmern im Dorf – Kirche, Grundschule, Hallenbad, Seniorenheim und Supermärkte. Sein Plan überzeugte den Ausschuss. Und Droste fing bald darauf an, überall für das neue Wärmenetz von Alfhausen zu werben.

Denn lange, bevor Droste Bürgermeisterin wurde, lange sogar noch, bevor sie ihre Kinder bekam und Hausfrau wurde, hatte sie Geographie und Stadtplanung studiert und anschließend in einer Planungsabteilung gearbeitet. In einer Vorlesung des Klimapioniers und Meteorologen Hermann Flohn hörte sie in den 1980er Jahren zum ersten Mal vom Treibhauseffekt. Und lernte gleichzeitig, wie sich durch nachhaltige Stadtplanung lebenswertere Städte gestalten lassen. In Alfhausen hatte sie jetzt, fast 40 Jahre später, die Chance, das Gelernte umzusetzen.

Also schrieb sie Vorlagen, organisierte Beteiligungsverfahren, beauftragte Gutachter, schuf Planungsrecht. Ratssitzung um Ratssitzung drehte sich um das Projekt. Parallel dazu fing Ralf Weßler mit seiner Firma an, bei jedem potenziellen Kunden im Dorf zu klopfen. Er stellte ein Team von lokalen Maurern, Zimmermännern und Tiefbauern zusammen und bewarb sich auf eine Ausschreibung der Bundesnetzagentur.

Nach einem Jahr Warten erhielt Weßler den Bebauungsplan von der Kommune. „So schnell haben wir das noch nie durchgekriegt“, sagt Droste.

Ganz genau sagen, warum in Alfhausen gelang, woran andere Gemeinden scheitern, lässt sich nicht. Aber dass die Alfhausener ihrer Bürgermeisterin auch beim Projekt Fernwärme vertrauten, hängt vielleicht auch mit einer anderen Aktion zusammen. Damals verzögerte sich ein Kita-Neubau und viele Eltern standen plötzlich ohne Kinderbetreuung da.

Also holte Agnes Droste kurzerhand 15 Kinder samt Be­treue­r:in­nen für drei Monate zu sich in den Gemeindesaal. Die Spuren der Aktion, Kindersicherungen, Klemmschutz und eine brusthohe Zwischentür im Gang, sieht man noch heute. „Ein Mann hätte das nicht gemacht“, sagt Droste.

Ralf Weßler hatte die Idee für das Wärmenetz von Alfhausen Foto: Maximilian Mann

Als Ralf Weßler in Alfhausen um die Häuser zog, um die Biogas-Fernwärme zu bewerben, hätten sich viele auch für die ökologischen Vorteile interessiert. „Aber bei der Entscheidung wollten dann natürlich alle wissen: Was kostet mich das?“, sagt er. Am Ende müsse man mit dem Preis überzeugen.

Der liegt in Alfhausen bei rund 7 Cent pro Kilowattstunde. Garantiert für zehn Jahre. 2020 lag er noch leicht über dem Preis von Gas. Doch nach Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 änderten sich die Vorzeichen, die Gaspreise explodierten. Im ersten Halbjahr 2024 zahlten private Haushalte in Deutschland für Gas im Schnitt 12 Cent pro Kilowattstunde. Viele Alfhausener, die damals noch unschlüssig waren, sind heute froh, dass sie sich für die Fernwärme entschieden haben.

An ihrer Dorfheizung fahren die Alfhausener mittlerweile tagtäglich vorbei. Unscheinbar sieht sie aus, versteckt in einer schwarzen Halle mit Schornstein, auf einem kleinen Gewerbegelände am Rande des Dorfes. Im Dezember 2021 flossen die ersten Tropfen Warmwasser von der Anlage durch das 24 Kilometer lange Netz. Mittlerweile sind 500 von 870 möglichen Haushalten und fast alle Großabnehmer in Alfhausen angeschlossen. Wenn Bürgermeisterin Droste heute über Weßler und sein Team spricht, dann nennt sie sie wohlwollend „Die Jungs von der Fernwärme“.

Auf dem Dorf sind die Wege kurz. Trotzdem: Ist das nicht alles ein bisschen viel Nähe zwischen einem Privatunternehmen und der Lokalpolitik? Agnes Droste sieht das pragmatisch. „Als Bürgermeisterin von so einem kleinen Ort bin ich auf lokale Firmen angewiesen, die so ein Projekt vorantreiben“, sagt sie. Und auch der SPDler Christian Scholücke aus dem benachbarten Rieste meint: „Wir haben gar nicht das Know-how, um so ein Projekt als Gemeinde umzusetzen.“

Das an ein Heizkraftwerk angeschlossene Wärmenetz schont die Umwelt und spart den Alfhausenern bares Geld – macht sie jedoch auch abhängig von Ralf Weßler. Wohin dies im schlimmsten Fall führen kann, zeigt der Fall eines lokalen Fernwärmeanbieters in einer Gemeinde in Bayern. Nach dessen Pleite blieben die Wohnungen dort wochenlang ohne Heizung und warmes Wasser.

Und auch abseits solcher Extremfälle gilt der Fernwärmemarkt als äußerst intransparent – gegen sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger ermittelt das Bundeskartellamt wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen. Seit Langem plant der Bundestag deshalb eine Reform der Fernwärmeverordnung. Durch das Ampel-Aus lässt diese aber auf sich warten.

Rund 650.000 Euro Umsatz machen Weßler, sein Partner und ihre 25 Mit­ar­bei­te­r:in­nen jedes Jahr mit der Fernwärme. Hinzu kommen rund 1,7 Millionen Euro Umsatz aus dem Verkauf des Stroms. „Am Ende betreibe ich ein wirtschaftliches Unternehmen“, sagt Weßler. Nach circa 20 Jahren sollen die Investitionskosten für das Netz abbezahlt sein.

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass das Projekt ohne staatliche Förderung wohl kaum zustande gekommen wäre. Denn den Strom, den Weßler mit seiner Biogasanlage erzeugt, kann er dank der EEG-Umlage über 20 Jahre zu garantierten Preisen einspeisen. Und auch das rund 13 Millionen Euro teure Fernwärmenetz wurde zu 40 Prozent gefördert.

Die Alfhausener Wärmewende ist ein wahr gewordener schwarz-grüner Traum. Doch Agnes Drostes Parteichef Merz stellt das Modell wieder infrage

Die Alfhausener Wärmewende ist ein wahr gewordener schwarz-grüner Traum. Mit Hilfe von staatlichen Anreizen treiben hier motivierte Unternehmer die Dekarbonisierung eines Dorfes voran. Doch Agnes Drostes Parteichef Friedrich Merz stellt genau dieses Transformationsmodell nun wieder infrage. Die EEG-Umlage will die Union „schrittweise auslaufen“ lassen. Und Windräder könne man eines Tages wieder abbauen, schließlich seien sie hässlich, sagte Friedrich Merz vor Kurzem in einer Talkshow. Die Windkraft sei nur eine Übergangstechnologie. Für vielversprechend hält er hingegen Fusionskraftwerke.

Fragt man Droste, was sie von Merz hält, schüttelt sie den Kopf. „Von dem war ich noch nie ein Fan“, sagt die CDU-Bürgermeisterin. Klar verurteilen will sie seine Windkraft-Aussagen nicht. Aber die Fusionskraft hält sie für eine Mär. Seit den 1990ern sei immer wieder versprochen worden, dass es mit den Fusionsreaktoren nun bald soweit sei. Getan habe sich aber wenig.

Anschlussrohr statt Heizkessel: Hier kommt die Fernwärme bei Agnes Droste an Foto: Maximilian Mann

Bundespolitisch regt Droste heute am meisten auf, dass die CDU, aber auch SPD und Grüne sich nur noch nach rechts orientieren. „Ein Blödmann ersticht da drei Leute und die ganze Herde schreit nach mehr Sicherheit, als wären alle Migranten Verbrecher“, sagt sie über den Anschlag in Solingen im August 2024. „Alle über einen Kamm zu scheren, finde ich nicht in Ordnung.“

In Droste steckt mehr Merkel als Merz. Hat sie je überlegt, die Partei zu verlassen? Viel will sie dazu nicht sagen, nur: „Man muss immer so handeln, dass einem das Gewissen erlaubt, morgens in den Spiegel zu schauen.“ Aber vielleicht ist die Frage nach dem Austritt auch die falsche. Vielleicht funktioniert Politik im Lokalen anders. In die CDU kam Droste ohnehin eher zufällig. Der ehemalige CDU-Landrat motivierte sie, als Bürgermeisterin zu kandidieren.

Droste und Weßler erzählen das Projekt Fernwärme in Alfhausen als Erfolgsstory. Aber stimmt das? Ein Anruf beim stellvertretenden Vorstand der katholischen Kirchengemeinde in Alfhausen, Martin Liening-Evert. Als Weßler mit der Idee für die Fernwärme auf die Kirche zukam, wollte die Gemeinde gerade ihre alte Heizung austauschen. „Die Idee kam für uns also genau zur richtigen Zeit“, sagt Lienig-Evert. Seit dem Wechsel auf Fernwärme habe die Kirche ihre Heizkosten halbiert. Macht er sich Sorgen, dass die Wärmewende zurückgedreht werden könnte, sobald wieder die Union regiert? „Bei uns ist die Kommunalpolitik wichtiger als die Meinung eines einzelnen Sauerländers“, meint Liening-Ewert.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Das Wärmenetz in Alfhausen funktioniert. 2037 droht die erste harte Bewährungsprobe. Dann laufen die günstigen Biogas-Verträge aus, die Ralf Weßler noch vor dem Ukrainekrieg abschließen konnte. Sollte er seine Preise drastisch erhöhen, könnte die Stimmung schnell kippen. Das Dorf ist jetzt abhängig von seinem unternehmerischen Geschick.

Woher soll die billige Wärme der Zukunft kommen? Ralf Weßler hat bereits eine Idee. Sie hat zu tun mit einem der größten Probleme, das Deutschlands Energiewende mit sich bringt.

Im Gemeindesaal klappt Weßler seinen schwarzen Laptop auf. Auf einer Karte hat er eine Wärmeleitung zwischen den Dörfern Alfhausen und Rieste eingezeichnet. Und dazwischen, am Alfsee, eine riesige Großwärmepumpe mit angeschlossenem Speichertank. Mit dieser Anlage will sich Weßler ein Kuriosum des Strommarkts zu Nutze machen.

Im Jahr 2024 gab es in Deutschland rund 500 Stunden, in denen der Strompreis unter null sank. 2025 rechnet Weßler damit, dass es schon 900 Stunden sein werden. Das heißt: Strom gibt es in dieser Zeit an der Leipziger Börse umsonst. Denn wenn in Deutschland die Sonne scheint und der Wind weht, entsteht ein Stromüberschuss, den die Netze nicht aufnehmen können. „Wenn die Windräder dann zwangsweise stillstehen, zahlen wir über die Netzentgelte alle drauf“, sagt Droste. Wer in solchen Momenten noch Strom aus dem Netz nimmt, bekommt ihn also kostenlos oder sogar mit einer Prämie.

In Zukunft will Ralf Weßler mit dieser überschüssigen Energie die Häuser in Alfhausen und Rieste warmhalten. Wenn der Strom günstig ist, würde die Großwärmepumpe das Wasser in dem rund 12 Millionen Liter fassenden Speichertank aufheizen. Dieser könnte die Wärme für zwei bis drei Wochen speichern und langsam an die Haushalte abgeben. Und wenn der Strom teuer ist, heizt die bereits bestehende Biogasanlage.

Oberflächlich betrachtet ist Alfhausen ein Dorf wie viele andere in Deutschland Foto: Maximilian Mann

Doch der Weg dahin ist lang. Naturschutz und Dammschutz müssen beachtet werden. Heute wollen die beiden Bür­ger­meis­te­r:in­nen und Weßler erst mal einen Förderantrag vorbereiten.

Neben Finanzierung und Fachkräften braucht es für Deutschlands Wärme­wende nämlich noch eine dritte Säule: gut ausgestattete, schlagkräftige Kommunen. Was strukturell fehlt, gleichen Christian Scholüke und Agnes Droste derzeit mit ihrem Engagement aus. Beide führen die Rathäuser ihrer Dörfer ehrenamtlich. Ein Verwaltungsangestellter in Teilzeit steht ihnen jeweils zur Verfügung, um Projektanträge zu stellen.

„Bis wir die verstanden haben, sind wir oft schon an dem Punkt, wo wir sagen, boah, wir stellen keinen Antrag“, sagt Scholüke. „In Süddeutschland haben die in fast jedem Rathaus Abteilungen, die sich nur darum kümmern, Förderanträge zu stellen“, sagt Droste. „Wir sparen uns hier doof.“ Auch an solchen Details entscheide sich, in welchen Regionen in Deutschland die Energiewende vorangeht und in welchen nicht.

Alfhausen ist eine der kleinen Kommunen, in denen die Wärmewende geklappt hat. Lässt sich der Erfolg auch andernorts wiederholen? Von Unternehmen, Gemeinden, Genossenschaften? Ohne die Drostes und Weßlers, die vor Ort anpacken, wird es wohl nicht funktionieren. „Aber technisch geht das“, meint Weßler. Wegen der gestiegenen Preise koste die Kilowattstunde dann am Ende vielleicht 8 oder 9 Cent. Aber das sei langfristig immer noch günstiger als fossiles Gas.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • Wie entsteht denn dieses „Biogas"?



    Die Anlagen, die ich hier im Ländlichen kenne, sind alle Nebeneffekt von Massenterihaltung und Mais-Monoikulturen. Maismonokulturen, die mit anorganischem Dünger und Pestiziden die Böden ruinieren und die Menschen krank machen. (Ich kenne Alfhausen und die Landwirtschaft umzu.)



    „Albtraum für die Umwelt" - „Viele Tiere erhitzen die Erde":



    taz.de/Bundestagswahl-2025/!6057858/



    (Jost Maurin, taz.de)

  • Ein Wärmenetz schont die Umwelt und hilft sparen. Es ist also bares Geld wert. Fragt sich nur, für wen.



    Wenn sich Kommunen abhängig machen von privaten Einzelpersonen, kann das gut gehen - oder auch nicht. Genau deswegen hatten alle größeren Städte früher eigene Versorgungsträger. Die hießen meistens „Stadtwerke“ - und konnten gar nicht pleite gehen.



    Allerdings mussten sie sich ständig vorwerfen lassen, sie wären ineffizient. Auf dem Höhepunkt des neoliberalen „Effizienz“-Wahns hatten fast alle Gemeinden nicht nur ihre technische Ver- und Entsorgung privatisiert, sondern auch Wohnungen, Kliniken und Kitas. Clevere Menschen haben mit Hilfe solcher Infrastrukturanlagen hohe private Gewinne erwirtschaftet. Nur die sogenannte „Kernverwaltung“ wollte niemand ausgründen. Die wollte sich einfach nicht „rechnen“. Zumindest nicht monetär.



    Inzwischen ist die Gewinnerwirtschaftung das einzig verbliebene Ziel der Privaten. Die Daseins-Vorsorge hingegen ist irgendwie aus dem Blick gerutscht. Wenn nicht eine Bürgermeisterin im Ernstfall Vernunft walten und die Kinder in den Gemeindesaal lässt, stehen sie frierend im Regen. Und alle fragen sich ratlos, warum keiner hilft. 🤦

    • @zitterbacke:

      Vielleicht liegt es auch daran, dass Führungsetagen von den tollen Stadtwerken auch regelmässig als Versorgungsposten der verdienten Lokalpolitikvertreter betrachtet wurden und nicht als effiziente Dienstleister. Der schlechte Ruf war hart erkämpft. Ich bin froh, dass ich heute die Auswahl habe.

    • @zitterbacke:

      Stadtwerke "konnten gar nicht pleite gehen", weil der Steuerzahler immer neues Geld nachschießen mußte. Genau darum wollten die Kommunen diese los werden. Die Käufer der Stadtwerke waren dann in der Lage, mit der einst defizitären Klitsche Geld zu verdienen. Nennt sich Marktwirtschaft. Was dann zu viel Neid bei (vorwiegend sozialdemokratischen) Ratsherren führte.

  • Ein ermutigender Bericht.



    Letztendlich hat der Markt hier eine Lösung und gefunden, mit tatkräftiger Unterstützung der lokalen CDU. Soviel zu den geliebten Vorurteilen.

  • Mehr davon. Es gibt zu wenig positive Berichterstattung.

  • Genau: Warum zeigt sich die CDU nicht überall einfach als die bessere Klimaschützerin, was ja ohnehin für die Schöpfung sinnvoll ist und den Mitsportlern das Thema-Monopol fortnähme?



    Dafür aber Merz-Linnemann-90er-Retro, auauauau.

  • Soweit ich weiß, ist, ist Fernwärme, bezogen auf die monatlichen Kosten, die teuerste Alternative zu Öl und Gas. Wäre schön, wenn mein Kenntnissrand durch den Beitrag entkräftet worden wäre. Oder hab' ich was übersehen?

    • @Piratenjäger:

      "Fernwärme" fällt ja nicht vom Himmel. Wo man keine Abwärme nutzt, sondern lediglich zentral Öl oder Gas verbrennt, muß die Versorgung denklogisch teurer sein als derselbe Energieträger in einer Etagenheizung.

  • Pragmatismus und intelligente Lösungen sind gefragt. Und das ist eben nicht Kernkraft, Kohle oder Gas. Jedes Windrad, Solarfeld, jeder Energiespeicher macht uns wieder ein Stück unabhängiger von Putin und Scheichs. TIPP: Robert Habeck wählen 👍

    • @Jelli:

      Wenn Merz (und Wissing) wenigstens mit Kohle oder Gas als "zukunftsweisend" werben würden, wäre das zwar offensichtlich Stand der vergangenen fünfziger oder sechziger Jahre, also etwas, von dem nicht nur die aus ihrer Kindheit wüßten, daß und wie es geht (ich könnte mich beherrschen, eimerweise Briketts ins vierte OG zu schleppen; das Fundament vom früheren Kachelofen wäre aber noch da).

      Weil die zwei das aber dumm oder blamabel finden, faseln sie von Fusion und synthetischem Sprit, wovon leider nur Interessierte wissen, daß es wirtschaftlich hanebüchener Unsinn wäre, könnte bzw. wollte man das Zeug tatsächlich herstellen und nutzen - und sei es auch nur für einen einzigen Bauernhof.



      Dabei gibt es genug allgemeinverständliche Quellen, wo man sich das in zwanzig Minuten erklären lassen könnte. Dazu müßte man das aber wissen wollen: "Laßt die Großkopferten ruhig machen, wir zahlens schon."

    • @Jelli:

      Wieso Harbeck🤔CDU wählen 😊

      • @Syltfreund:

        Klar, wenn mir der hiesige CDUler dann die Kohleneimer in die Wohnung und die Asche runter trägt? Wird er bloß nicht machen. Also kriegt das Kreuz doch ein anderer.

  • Funktioniert vielleicht hier in diesem speziellen Fall.



    Es gibt aber auch Dörfer mit der gleichen Einwohnerzahl, aber 10 und mehr Ortsteilen. Rechnen sich dann die vielen Leitungen noch?



    Und was ist mit deutlich größeren Orten, Kleinstädte oder gar Großstädte ?



    Läßt sich da die benötigte Wärmemenge überhaupt noch nachhaltig und umweltfreundlich herstellen ?



    Abgesehen davon, wer einmal an ein Wärmenetzt angeschlossen ist, ist dauerhaft auf Gedeih und Verderb dem jeweiligen Anbieter ausgeliefert. Monopolisten sind niemals dauerhaft günstig.

    • @Don Geraldo:

      Erstens: Es gibt noch mehr dieser "speziellen Fälle". Es wäre nur nicht besonders logisch, wenn man dort - Ihrer Argumentation folgend - nur deshalb die Finger davon läßt, weil es irgendwo anders nicht so gut geht.

      Zweitens: Entpuppen sich auch dezentrale Heizungen basierend auf fossilen Trägern als faktische Monopolisten, weil das Preisniveau von Öl und Gas mehr oder weniger überall gleich ist, ganz egal, was auf dem Tankwagen Ihres Heizölhändlers oder dem Rechnungslogo des Gasweiterleiters steht.

      • @dtx:

        Ich kann den Gas- und Stromlieferanten wechseln, obwohl der neue Lieferant keine neuen Rohre oder Leitungen legen muß. Vielleicht kommt das irgendwann auch mal bei Wärmenetzen, da wäre dann die Politik gefordert die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Allerdings würde das bestimmt Investoren abschrecken, wenn die teuren neuen Netze auch Wettbewerbern geöffnet werde müssen.



        Und bei Heizöl liegen Sie komplett falsch.



        Hier kann ich durch persönliche Vorratshaltung einen großen Einfluß auf die Jahreskosten ausüben.

    • @Don Geraldo:

      Es gibt sicher mehr Orte mit Möglichkeiten, als wenige ohne. Ein Wärmenetz kann sich selbst dort lohnen, wo die Gasversorger bisher aus Kostengründen keinen Anschluss geboten haben. Und der Mär vom bösen Monopolisten entkräftet man am besten mit genossenschaftlichen Verbünden.

  • Toll . Mehr davon !



    Die guten Erfahrungen müssen mehr in die Öffentlichkeit.

  • Sehr schön geschriebener Bericht!



    Trotzdem als Anmerkung: Biogas per se als umweltfreundlich zu bezeichnen, ist leichtfertig. Hängt ja entscheidend davon ab, wie es erzeugt wird. Hier wird das gut beschrieben: taz.de/Das-Potenzi...sanlagen/!6002615/



    Würde mich interessieren, was die Experten unter den Kommentatoren dazu sagen. Auch die vielen Kilometer Leitungen, die da verbuddelt werden, für gerade mal 4.000 Leutchen, ist das nachhaltig? Großwärmepumpe im See klingt dagegen sehr interessant, neben der Energiegewinnung wäre die Abkühlung wohl auch gut für das Gewässer?

    • @Birdman:

      Es sind ja nicht bloß die 4.000 Leutchen, sondern auch ein paar größere Verbraucher dabei. Letztlich bleibt nichts anderes, als daß man vielleicht ein paar typisierte Modelle entwickeln könnte, aber jede Kommune selber über ihre Verhältnisse nachdenken muß (und nun langsam mal damit anfangen sollte).

    • @Birdman:

      Ich nehme an, dass zu den Häusern in Alfhausen auch vorher schon viele Kilometer Leitungen für Wasser, Abwasser, Strom, Kabelfernsehen und Telefon verlegt wurden.



      Jetzt gibt's halt noch eine Leitung für Wärme.



      Und in Kürze noch eine für Glasfaser.

      Welche davon nachhaltig oder wirtschaftlich sind weiß ich nicht. Kommt wahrscheinlich auch darauf an, wie man rechnet.



      Vielleicht wären Ziehbrunnen oder Dixieklos billiger. Dann könnte man sich auch Kläranlage und Trinkwasserbrunnen sparen.

      Alfhausen leistet sich außerdem den Luxus, asphaltierte Straßen zwischen allen Häusern zu haben, obwohl die sicher nicht kostendeckend bewirtschaftet werden und so für den Steuerzahler ein Draufzahlgeschäft sind.

    • @Birdman:

      Warum sollte die Fernwärmeinfrastruktur nicht nachhaltig sein? Für ein Erdgasnetz müsste man auch Leitungen zu allen Häusern legen. Biogas ist auf jeden Fall nicht unproblematisch, aber wenn man es hat, ist es deutlich besser, es in Kraft-Wärme-Kopplung zu verwerten, als nur zu verstromen. Außerdem ist die Fernwärmeinfrastruktur nicht auf Biogas festgelegt, wie in dem Artikel beschrieben wird.

      • @steste:

        Erdgasleitungen sind nicht temperiert, haben also keinen Wärmeverlust auf dem Transportweg. Es ist zwar schön, wenn man an den drei verbleibenden Schneetagen im Jahr weder streuen noch schippen muss, aber dafür wird eben an allen kalten Tagen Biogas verbrannt, das CO2 erzeugt und bezahlt werden muss....

  • Regieren zum Wohle des Volkes - das wär ja mal was.



    Das könnten verschiedene Parteien zusammen ohne weiteres, würden sie die Pöstchenjagd, die reinen Pateiinteressen und den Wunschzettel ihrer "Förderer" mal in die zweite Reihe der Prioritäten stellen.

  • Ja genau so funktioniert das wenn man ein durchdachtes langfristiges Konzept hat und die Energieversorgung nicht den rein gewinnorientierten Unternehmen überlässt. So lassen sich auch verbraucher freunliche Wärmepreise erzielen die dann auch noch umwltfreundlich sind. Nur leider hat dieses die Bundesregierung bis heute nicht und somit zahlen wir alle unnötig drauf, sorgen für gute Gewinne der Versorger und bleiben bei der Umweltfreundlichkeit weit hinter dem möglichen.