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Vorwurf der VolksverhetzungFür rechten Richter könnte es eng werden

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Bengt-Christian Fuchs erhoben. Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gera hält sich aber für unschuldig.

Gegen Bengt-Christian Fuchs, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gera, wurde Anklage erhoben Foto: Martin Schutt/picture alliance

Hamburg taz | Die Räumlichkeiten des Justizzentrums in Gera dürfte Bengt-Christian Fuchs bestens kennen. Im Gebäude war der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts der thüringischen Stadt lange tätig. Dem ehemaligen Präsidenten droht nun ein Verfahren vor dem Landgericht. „Eine Anklage wegen Volksverhetzung liegt dem Gericht vor“, bestätigt Gerichtspressesprecher Max Berzau der taz. Die Entscheidung über die Zulassung vor der dritten Strafkammer sei aber noch nicht absehbar.

Bereits im April dieses Jahres hat die Staatsanwaltschaft Gera die Anklage erhoben. In der Regel werden solche Vorhaltungen vor dem Amtsgericht verhandelt. Die Stellung des Richters im öffentlichen Leben führte jedoch zu der Anklage vor dem Landgericht. Eine mögliche Einstellung des Verfahrens gegen ein Geständnis und eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro lehnte Fuchs zuvor ab.

Seinem Rechtsbeistand war diese Option im Gespräch in „Aussicht gestellt“ worden, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Riebel der taz. Die Staatsanwaltschaft hält Fuchs vor, im August 2019 unter Nutzung seines Facebook-Kontos den Post eines anderen Nutzers derartig kommentiert zu haben, dass das nach dem Anklagevorwurf als Volksverhetzung klassifiziert wurde, so Riebel. Bei Facebook soll Fuchs vorgeschlagen zu haben, „Sinti“ und „Roma“ als „Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche“ zu bezeichnen.

Weitere inkriminierbare Äußerungen erfolgten auf einer burschenschaftlichen Internetplattform. Aus diesem Milieu kommt Fuchs. Er ist Alter Herr der Turnerschaft Salia Jenensis Göttingen, wie er 2024 gegenüber der taz bestätigte. Im Juni des Jahres konfrontierte die taz – wie auch Legal Tribune Online und der MDR – den Richter mit verschiedenen Postings unter dem Klarnamen „Bengt Fuchs“ und dem Benutzernamen „BeFuchs287“.

Rassismus, Sexismus und Homophobie

Ein „BeFuchs287“ schrieb im Januar 2009: „Beim Anblick der Photos habe ich mich einen Augenblick gefragt, was wäre, wenn die in Deutschland Asyl beantragen würden und nach erfolglosen Verfahren zur Abschiebung anstünden. Würden die von evangelischen Kirchgemeinden Kirchenasyl gewährt bekommen, würde Claudia Roth heulen, würden häßliche Frauen mit Hängetitten, Doppelnamen und Schlabberhemden gegen die Abschiebung demonstrieren?? Oder umgekehrt: Der Asylrichter, der diese Sportsfreunde als Asylbewerber anerkennen würde, wäre das ein Naziburschenschaftlermachofaschist“?

Der User führte im Mai des Jahres aus: „Jetzt breche ich mal eine Lanze für die Mitteldeutsche Provinz: Wer den Quatsch mit den Migranten nicht haben will, zieht zu uns. Keine 2 % Ausländer“. Vom ausländerfreien Osten schwärmt „BeFuchs287“ nochmal im Dezember des gleichen Jahres: „Ich muss gestehen, dass es auch für mich Wessi schon ein deutlicher Kulturschock ist, wenn ich aus dem beschaulichen Thüringen in die ‚alte Heimat‘ komme und kein Taxifahrer mehr der deutschen Sprache mächtig ist und das überwiegende Stadtbild meiner westdeutschen Heimat-Groß-Stadt völlig verschleiert daherkommt. Das will ich nicht und damit basta.“

Im Juni 2011 schrieb „BeFuchs287“: „Wenn ein Lehrer sich anschicken sollte, meinen Kindern vermitteln zu wollen, dass homo- oder transsexuelle Veranlagungen einem heterosexuellen Dasein gegenüber als gleichberechtigt und normal zu beurteilen sind, hat er mich ebenso am Hals wie jene Lehrer, die meinen Kindern zu vermitteln versuchen, dass es in der ‚DDR‘ nicht so schlimm gewesen sei.“

Diese und ähnliche Posts waren der Autonome Antifa Freiburg (AAF) aufgefallen. Eine Statistik der Bundesregierung hatte zuvor offenbart, dass Fuchs überdurchschnittlich häufig die Ablehnung von Asylanträgen bestätigte. Danach betreute Fuchs keine Asylverfahren mehr.

Gegenüber der taz hat er bestritten, jener „BeFuchs287“ zu sein, der insgesamt 2.554 Nachrichten verfasst hat. „Die vulgäre Wortwahl ist definitiv nicht meine“, sagte Fuchs der taz im Juni 2024. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe wechselte Fuchs vom Richteramt ins Justizministerium. Der Beschuldigte fühlt sich zu Unrecht angeklagt. Das ganze Verfahren würde seinen Mandanten seelisch stark belasten, erklärte sein Anwalt unlängst der Ostthüringer Zeitung.

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6 Kommentare

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  • Solche Menschen lösen die unabhängige Justiz auf, indem sie dort selbst arbeiten, aber rechtsextrem aktiv sind. Es wird schwer, ihn zu verurteilen.

  • „Die vulgäre Wortwahl ist definitiv nicht meine“, gibt der Richter gegenüber der taz an.



    Ich muss lachen … ist der Mann doch geradezu ein Inbegriff jener „rohen Bürgerlichkeit“, von der Wilhelm Heitmeyer hier spricht:



    wissenschaft-und-f...e-buergerlichkeit/

  • Unabhängig von der möglichen Strafbarkeit der Äußerungen zeigt sich wieder mal sehr schön, dass die Xenophobie, die ängstlich-überhebliche Abscheu vor den Ausländern, die Wurzel des ganzen rechten Übels ist, genau wie jetzt in Amerika.

  • Nun ja, unser BK, ehemaliger Richter auf Probe am Amtsgericht Saarbrücken, spielte ja auch schon mit dem Gedanken einen Haftbefehl des IStGH gegen Netanjahu nicht vollstrecken zu wollen.



    Es scheint offensichtlich zumindest bei einigen Richtern nicht ganz unüblich zu sein abwegige Gedankengänge, auch schon mal außerhalb geltenden Rechts, zu haben und diese auch zu äußern.

    Ich bin gespannt wie das mit Herrn Bengt Fuchs ausgeht. Wäre schön, wenn ihr das zu gegebener Zeit auch kundtut.

  • Dann hoffen wir, dass es der Staatsanwaltschaft gelingt, zweifelsfrei nachzuweisen, dass die Postings unter dem Namen BeFuchs287 von Herrn Fuchs stammen. Damit steht und fällt die Anklage, würde ich sagen. Er wird das weiterhin leugnen, aber wir sollten erst einmal Vertrauen in unsere IT-Fachleute haben.



    Wenn die Postings tatsächlich von ihm stammen, sind 1.000 Euro ein bisschen wenig für diese Art von Volksverhetzung, besonders angesichts seiner besonderen Stellung.

  • "Der Beschuldigte fühlt sich zu Unrecht angeklagt. Das ganze Verfahren würde seinen Mandanten seelisch stark belasten, erklärte sein Anwalt unlängst der Ostthüringer Zeitung"



    .... Die Ärzte: Schrei nach Liebe — wieso fällt mir das dazu wohl ein?



    Gruss, Jens