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Vorwurf LinksextremismusRazzia gegen Autonome

In Berlin lässt die Bundesanwaltschaft Linke und eine anarchistische Bibliothek durchsuchen. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Razzia in der Bibliothek Kalabalik in Kreuzberg, ermittelt wird gegen mutmaßliche Linksextremisten Foto: Christian Mang

Berlin taz | In Berlin lässt die Bundesanwaltschaft seit dem frühen Mittwochmorgen die Wohnungen von mehreren mutmaßlichen Autonomen durchsuchen, dazu auch die anarchistische Bibliothek Kalabalik in Kreuzberg. Ein Sprecher der Behörde sagte der taz, es gehe um den Vorwurf der Bildung einer linksextremen kriminellen Vereinigung.

Beschuldigt werden demnach fünf Personen, die als Mitglieder der Gruppe gezählt werden. Parallel seien von einigen von ihnen Wohnräume in Athen durchsucht worden, sagte der Sprecher. Die Polizei sei ebenfalls bei drei nicht tatverdächtigen Berlinern vorstellig geworden. Festnahmen habe es keine gegeben.

Welche Straftaten die Gruppe begangen haben soll, dazu äußerte sich die Bundesanwaltschaft vorerst nicht. Laut Medienberichten soll es einen Zusammenhang zum G20-Gipfel 2017 in Hamburg geben.

Nach taz-Informationen fanden die Razzien in Kreuzberg, Neukölln, Mitte, Tempelhof und Treptow statt. In sozialen Medien kursierten Bilder von Polizeibeamten vor der Anarcho-Bibliothek Kalabalik in Kreuzberg. Die Bibliothek versteht sich nach Eigendarstellung „als Werkzeug, um anarchistische Ideen zu verbreiten und die herrschende soziale Ordnung, die uns umgibt, anzugreifen“. Neben der Ausleihe von Büchern und Zeitschriften fanden dort in der Vergangenheit Buchvorstellungen oder Diskussionen etwa zu „Klandestinität“ oder „Offensive Handlungsmöglichkeiten bei Repression“ statt.

Vor zwei Jahren schon mal Durchsuchung

Bereits im Mai 2018 war die Bibliothek schon einmal durchsucht worden. Damals ging es um den Vorwurf, „Fahndungsplakate“ von Hamburgs damaligen Bürgermeister Olaf Scholz, dem früheren Polizeichef Hartmut Dudde oder Innensenator Andy Grote nach dem G20-Gipfel verbreitet zu haben. Auf den Postern hieß es, die Personen könnten im Rahmen dessen „schwerste Straftaten“ begangen haben, kritisiert wurde Polizeigewalt. Beschlagnahmt wurden damals zahlreiche Datenträger.

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23 Kommentare

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  • Na klar...ist ja wieder typisch: Bei Linken ist es gleich eine terroristische Vereinigung sobald sich mehr als zwei Menschlein zum gedanklichen Austausch treffen. Komisch, dass es bei rechtsextremistischen Taten immer nur Einzeltäter sind...

    • @deichkatze:

      Wohl eher so. Manch "Linker" fühlt sich schon als eine revolutionäre terroristische Einheit, wenn er sich mit anderem "Linken" zu einem konspirativen Bierchen in einer Kneipe trifft. Da kein Polizist eingreift kommen beide zu dem Schluß, dass es sich bei den umgebenden Gästen um Spitzel handeln muss. Zu später Stunde bei Torschluss degeneriert dann auch der rausschmeißende Wirt zum Kontrollfreaknazi.



      Die Internationale laut gröllend latschen dann beide die nächtlichen Gassen runter in dem Bewusstsein etwas großes vollbracht zu haben.

      Und richtig. Einzeltäter gibt es insofern nicht, dass man als politische Richtung sich nicht von den Taten einzelner oder einer Gruppe lossagen kann und keine politische Verantwortung dafür hat.



      Die Einzeltäterthese ist aber nicht nur bei Rechten verbreitet, wie Sie behaupten. Sie ist auch Links gang und gäbe. Da kommt es ab und an zum Fremdschämen. Aber richtige Distanzierungen finden sich auch dort nicht.

  • Wenn die Polizei doch endlich genauso motiviert wäre, wenn es um rechtsextreme Straftaten - oder auch nur den puren Verdacht einer solchen geht!

    • @Mainzerin:

      Rechtsextreme handeln / morden heimlich. Die Verfolgung solcher Straftaten ist wesentlich schwieriger als der kalkulierte offene Rechtsbruch im Rahmen eines gewaltfreien Widerstands. So einfach ist das.

      Warum wollen Sie die Aktionen mit Rechtsbruch von Naturschützern überhaupt mit Rechtsextremen verglichen haben? Ist nicht Fahrraddiebstahl wesentlich passender? Auch dort passiert ja übrigens nix.

    • 9G
      90564 (Profil gelöscht)
      @Mainzerin:

      wenn es gegen links geht, werden die vorgeworfenen straftaten ja nicht einmal mehr konkret erwähnt, irgendwas mit "kriminelle vereinigung" und g20, wesentlich nebulöser geht kaum

      • @90564 (Profil gelöscht):

        bisschen nebulös ihr Beitrag. hamse mal Beispiele aus den überregionalen Medien?

        • 9G
          90564 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          guckense mal in den artikel, sie strengen doch ansonsten auch so gerne ihre lebhafte fantasie an

          • @90564 (Profil gelöscht):

            Fantasie. Das ist wohl das richtige Stichwort bei solchen gefackten Jammerzuordnungen, dass Linke immer nur einen drauf kriegen.

        • @Rudolf Fissner:

          Ach Herr Fissner. Das ist so einfach.



          Halten Sie doch einmal die Beweisaufnahmen der Prozesse rund um den G20 in Hamburg, ins Gegenlicht der Behauptungen von schwersten Straftaten und Terrortum durch reflexende veröffentlichte Meinung und behördlich-politische Institution.

          Vielleicht wäre inzwischen auch mal angesagt mindestens 50 Jahre Urteile der BRD-Justiz in politischen Prozessen gegen Linke neu zu erzählen und aus dem Schweigen der Geschichte zu holen. Gibt ja noch Hunderte, wenn nicht Tausende Betroffene. Mit ihren kleinen und ganz grossen Prozessen, die keiner rechtsstaatlichen Überprüfung standhalten. Die Leute Leben ja noch.

          • @Martinxyz:

            Ich glaube kaum das ein heimlich begangender Mord der NSU in irgendeiner Art und Weise mit hundert öffentlich durchgeführten Gleisbesetzungen in Relation gesetzt werden können.

            Ihre 1 zu 1 Gleichsetzung von rechten und linken Straftaten ist daher bereits bei der Art der Delikte zum scheitern verurteilt. Ehrlich gesagt kann man nur den Kopf schütteln angesichts der Blindheit gegenüber der Art von Delikten auf Linker und rechter Seite.

            Linke morden nicht oder schlagen nachts im versteckten Menschen zusammen. Erst wenn dem so wäre (Gott sei dank ist die RAF-Zeit vorbei) macht ihre Aussage Sinn.

            Ich bin froh, dass da viel linkes Kleinvieh rumläuft und nicht wie bei den Rechten wenige aber blutige und mordende Fleischer. Das viel Kleinvieh zu vielen Verurteilungen führt ist da nur das Ende vom Lied.

        • @Rudolf Fissner:

          Bisschen nebulös ihre Frage. Googlen Sie doch selber was dazu in den "überregionalen Medien" steht.

          • @tomas:

            Tja da gab es nichts. Kein einziges ernst zu nehmendes Medium betreibt die Schiene "wenn es gegen links geht ..." oder behauptet, ernst zu nehmende Institutionen diesen Weg verfolgen.

            Was hat ihr Googeln ergeben?

  • Extremismus lehne ich ab, egal ob von links oder von rechts. Allerdings machen mir die Straftaten aus der rechtsextremistischen Szene erheblich größere Sorgen, denn sie sind zu oft tödlich und die Täter wähnen sich sicher in der mutmaßlichen Rückendeckung vermeintlicher Gesinnungsgenossen aus Politik, Behörden und Justiz.

    Wer einen Menschen getötet hat, mag sich vielleicht in die Anonymität seiner aktuellen kriminellen Gesinnungsgenossen zurückziehen können, aber niemals vor seinem Gewissen. Verdrängung hilft da nur zeitweise. Das muss sich jeder - auch der Polizist - vor Augen führen, der glaubt, die Ausrede einer politischen Notwehrsituation würde ihn von einer individuellen Schuld zumindest teilweise befreien. Aus meiner Sicht gilt das auch für den Staat und dessen Vertreter, selbst wenn diese auf einem Auge blind sind.

  • Kaum auszuhalten; der Faschisierungsradar blinkt unaufhörlich: Die Frequenz polizeikritischer Artikel und Beiträge wird höher, die Kritik wird struktureller; gleichzeitig wird eine bewaffnete rechtsradikale Struktur nach der nächsten in den Polizei und Bundeswehr ausgehoben. Gleichzeitig machen Polizei und Bundeswehr seit ner ganzen Weile schon wieder gemeinsame Unternehmungen in Afghanistan, teilen Infrastruktur und lernen voneinander in Ausbildungen. Gleichzeitig die Terror-Stilisierung linksradikaler Orte und Events, antifaschistischen Protests. Gleichzeitig ist die Justiz vielerorts zu verschwägert mit Polizist*innen oder selbst ideologisch zu durchsetzt/vorgeprägt. Gleichzeitig ist immer noch Staatsräson der BRD, dass es keine rechten Strukturen sondern nur Einzeltäter gibt. Gleichzeitig weite Teile der Gesellschaft, die das höchste vertretene Maß an Glaubwürdigkeit in Sicherheitsinstitutionen und Rechtsstaat interpretieren.

  • Ich sach's mal so: Anarchische Verhältnisse werden immer nur dann als Bedrohung empfunden, wenn sie offen und gezielt von kleinen Gruppen explizit intendiert werden. Ansonsten hat man damit doch praktisch überhaupt kein Problem.

  • Ich gewinne den Eindruck, dass Polizei/Staatsanwaltschaft nach den beunruhigenden Enthüllungen rechter Netzwerke in der Polizei geradezu verzweifelt nach "bösen Linken" suchen.

    Der Symmetrie zuliebe?

  • Verstehe ich das jetzt richtig, dass der Polizei- und Schnüffelstaat bei Aktionen gegen Linke bestens funktioniert?

    • @Rolf B.:

      Auf dem linken Auge ist der Staat ja auch nicht erblindet.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Genau👍 und in den eigenen Reihen regelmässig versagt.

    • @Rolf B.:

      Ja.



      Ist aber nicht so wahnsinnig überraschend. Dafür haben Neonazis vom VS gewährte Handlungsräume.

      • @aujau:

        Diese Handlungsspielräume werden natürlich nur aus ermittlungstaktischen Gründen eingeräumt...

        • @Feiner Pinkel:

          Und das schon seit 1969.

          • @aujau:

            Benno Ohnesorg wurde 1967 von einem Polizeibeamten in unmittelbarer Nähe von weiteren Polizeibeamten, die Zeugen des kaltblütigen Mordes waren, ermordet.



            Staatsanwaltschaft und Gerichtsmediziner halfen dann, den Mord viele Jahre zu vertuschen.