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Vorstoß von Wirtschaftsminister HabeckLieferkettengesetz soll pausieren

Plan von Wirtschaftsminister Habeck bringt erneut Unruhe in die Ampel: Das deutsche Lieferkettengesetz soll für zwei Jahre ausgesetzt werden.

Wirtschaftsminister Robert Habeck beim Tag des Familienunternehmens 2024 Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin rtr | Vize-Kanzler Robert Habeck will das deutsche Lieferkettengesetz für zwei Jahre aussetzen. Mit diesem Vorschlag sorgte der Wirtschaftsminister von den Grünen am Freitag für Aufregung innerhalb der Ampel-Koalition. Während FDP-Chef Christian Lindner den Plan begrüßte, äußerte sich die SPD ablehnend. Habeck deutete an, dass eine Aussetzung des Gesetzes Teil des Ampel-Pakets zur Standortstärkung werden könnte.

Die Wirtschaft hat das Gesetz immer wieder scharf kritisiert, weil es bürokratische Dokumentationspflichten mit sich bringe und kaum umzusetzen sei. Habeck plädierte angesichts der Stagnation der deutschen Wirtschaft für eine Pause, bis die entsprechende europäische Richtlinie greife. „Das wäre das Beste. Das halte ich für absolut vertretbar“, sagte er beim Tag der Familienunternehmen im Berliner Nobelhotel Adlon. Manche Betriebe wollten die Vorgaben umsetzen. Man könne die Verpflichtung aber aussetzen. Das könnte ein Befreiungsschlag sein. Habeck deutete zudem an, dass es noch zwei bis drei Wochen dauern könnte, bis ein Ergebnis vorliege.

Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP will sich bis Anfang Juli auf einen Haushaltsentwurf für 2025 verständigen. Parallel sollen Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts präsentiert werden, der in den vergangenen Jahren an Attraktivität eingebüßt hat. Viele Experten attestieren Deutschland strukturelle Schwächen, weshalb Investitionen deutscher Firmen immer öfter im Ausland getätigt werden.

FDP zufrieden, SPD verwundert

Lindner begrüßte den Habeck-Vorschlag. „Es wäre ein Baustein der Wirtschaftswende.“ Es sei sinnvoll, das deutsche Lieferkettengesetz jetzt aufzuheben und die europäische Richtlinie in schlanker Form umzusetzen. Der Mittelstandsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Julius Cronenberg, ergänzte, es liege nun am eigentlich zuständigen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), schnell zu handeln. „Mit der Aussetzung schaffen wir eine Atempause für den Mittelstand.“ Dies wäre in wirtschaftlich angespannten Zeiten überfällig.

Das Gesetz soll Unternehmen für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht nehmen, etwa bei Verstößen gegen Umweltauflagen oder Menschenrechtsverletzungen wie Zwangs- oder Kinderarbeit. Eine Sprecherin des SPD-geführten Arbeitsministeriums sagte, Ausbeutung dürfe kein Geschäftsmodell sein. Eine bürokratiearme Umsetzung stehe stets im Fokus.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, zeigte sich wegen der Habeck-Forderung verwundert. „Will hier ernsthaft ein Spitzenpolitiker der Grünen die Menschenrechte opfern, um sich bei den Familienunternehmern anzubiedern?“ Faire Lieferketten seien keine Belastung, sondern eine moralische Verpflichtung. „Wiederholt äußert sich der Wirtschaftsminister zu Themen, für die aus gutem Grund andere zuständig sind“, so Rosemann.

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, Habeck vertrete seine Position bereits öffentlich seit dem vergangenem Herbst. Er wolle Doppelungen bei den Berichtspflichten von Unternehmen vermeiden. Weite Teile der Grünen sind allerdings für das Gesetz.

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21 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

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  • Weniger ist mehr, man muss diese ganzen Melde- und Dokumentationspflichten ja auch zeitlich neben der Arbeit gestemmt bekommen.

    Ich muss als Landwirt z.B. inzwischen etliche Meldeaccounts unterhalten: z.B. dass ich versichere, nur zertifiziertes Saatgut zu verwenden obwohl anderes gar nicht zu bekommen ist bzw. bereits mit der Nachbauerklärung dokumentiert wird.



    Ich muss regemäßig versichern, dass ich aus den von mir gekauften Stickstoffdünger keinen Strengstoff herstelle, wobei das doch eigentlich selbstverständlich sein sollte.

    usw. und darüber hinaus noch so viele sinnlose und/oder halbsinnvolle Sachen, die dann irgendwo abgeheftet oder abgespeichert werden, man glaubt es eh erst wenn man es selber machen muss.

    Ist jetzt nicht ganz das Thema, aber wie ich meine z.T. übertragbar.

    Wenn Habeck , in diesem Fällen beim Lieferkettengesetz, bis auf Weiteres, die Reißleine zieht, ist dies für mich ein positives Zeichen, das er immerhin nicht ganz abgehoben von der Realität hier Problembewusstsein bezüglich Praktikabilität und überhaupt Sinnhaftigkeit entwickelt hat.

    • @Waage69:

      Ganz schön viel Text, der verschleiern soll, dass man ja eigentlich "für Menschenrechte ist, aber..." und dann doch für Ausbeutung in anderen Ländern, damit der eigene Wohlstand oben bleibt.

      Dazu die Ablenkung auf (zugegeben) komplizierte Bürokratie.

      Kleiner Pro-Tipp: Manche dieser bürokratischen Monster stammen NICHT von der Ampel. Sondern von der GroKo oder sogar Schwarz-Gelb.



      Gegen die CDU sollten Landwirte mal protestieren. Dann klappt es bestimmt auch mit menschlicher Würde im Ausland ohne Ausbeutung. Sogar im Inland, und euch Landwirten wird es besser gehen. Dann braucht es auch weder ein Lieferkettengesetz, noch sonstige Bürokratie.

      Na, was meinst du? Die CDU aus ihrer Existenz vertreiben?

  • Ohne Überprüfung dieser Gesetzte und was sie bringen stehe ich dem ganzen sehr kritisch gegenüber. Eine tiefgreifende Analyse was Effektivität und Kosten angeht wäre geboten. Es kann durchaus sein das so ein Gesetz nichts bringt und viel kostet oder wenig kostet und viel bringt aber daüf rbraucjt man quantitativ Datenerhebung und Analyse.

  • "Menschenrechte opfern"

    Aha, für Herrn Rosemann waren also alle Unternehmen bis vor 2 Jahren Menschenrechtsverletzer. Den Familienunternehmen unterstellt er dabei durch seine Gegenüberstellung, dass sie das genau wollten. Nur weil es ein Gesetz gibt, ist plötzlich alles total in Ordnung, wahr und gut - das grenzt an magisches Denken!

    Tatsächlich hat meines Wissens niemand überprüft, was das deutsche Gesetz, das ja schon länger in Kraft ist bewirkt hat:



    Verbesserte Arbeitsbedingungen wo und wie? Verlagerung von Lieferketten? Verlust von Marktanteilen? Produktivitätseinbußen? Kaufkraftverlust in D? Höherer Direktimport aus Nicht-EU-Ländern? Unternehmensaufgaben? Ausmaß der Belastung durch Bürokratie? In welchen Bereichen: Großkonzerne/Mittelstand/kleine, internationale/europäische/deutsche Unternehmen?

    Die Argumente für das Gesetz und die Richtlinie waren immer nur der gute Wille.



    Ob der durch die Regelung Wirklichkeit wird oder sich ins Gegenteil verkehrt, ist weiterhin unklar.

  • Ich hatte irgendwann mal gedacht, dass die Grünen sich von der FDP über den Tisch ziehen ließen. Mittlerweile scheint es mir eher so, als würde zumindest Herr Habeck von alleine über den Tisch springen, weil er es gar nicht erwarten kann, auf Lindners Schoß zu sitzen. Es ist einfach nur noch bizarr und für Umwelt- und Klimaschützer:innen zum Fremdschämen!

    • @Zangler:

      Nur für die Umwelt- und Klimaschützer, die noch Illusionen hatten über Realpolitik, sprich: galoppierenden Kapitalismus.

  • Wer als Grüner Minister Beifall von Lindner bekommt hat schon was grundlegend falsch gemacht.



    Andererseits würde man unter der grünen Jacke vieler grüner Mandatsträger wohl einen gelben Pulli finden oder auch einen schwarzen. Durch und durch grüne Mandatsträger sind nur noch eine Minderheit in der Partei.



    Ich wünsche den Grünen ordentliche Verluste bei den anstehenden Wahlen, vielleicht besinnen sich dann auf die grünen Inhalte ansonsten sollten sie den Namen wechseln.

    • @Ressourci:

      Grünenwähler sind oft Gutverdiener in akademischen Berufen. Die Schnittmenge mit der FDP unübersehbar. Wobei ich zugebe: So ein echtes Problem sehe ich da nicht. Die beiden sollten sich nur mehr gegenseitig erlauben, anstatt künstliche Kompromisse zu erklären.

  • Warum wundern sich manche Experten, dass sich immer mehr Menschen durch Parteien und Politik nicht vertreten fühlen?

    Stellen wir uns vor, unser Gang in den Supermarkt beginnt an der Kasse. Hier zahlen wir als erstes den Betrag, zu dem wir einkaufen wollen. Eine Rückerstattung, auch von Teilbeträgen, ist unmöglich. Erst danach, können wir aus dem etwas spärlichem Angebot auswählen. Wir nehmen, was wir kriegen können, auch was wir gar nicht brauchen, um nur kein Geld zu verschwenden. Beim Verlassen bedankt sich der Supermarkt für unser Vertrauen und verspricht uns, uns schon bald für einen weiteren Einkauf zu begrüßen.

    So funktioniert die Wahldemokratie. Die Vertrauenskrise ist kein Problem von Parteien und Politik, sie ist systemimmanent: 'Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen!' Akut wird die Krise, wenn der 'Supermarkt’ nicht mehr liefern kann: Krieg statt Frieden, Migranten statt Heimat, Inflation statt Wohlstand, Angst statt Sicherheit usw.

  • endlich mal eine vernünftige Initiative aus dem Wirtschaftsministerium

    • @Andere Meinung:

      Menschenrechte zählen für sie nicht?

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Schon wieder ein Aussetzer...

  • Das ewige Rumgeiere schafft sicher zusätzliches Wählervertauen.



    Wie schön .

  • SPD und CSU sind gesichert die beiden Parteien der Bürokratie. Bei den Grünen weiß man nicht. In jüngster Zeit sind sie es auch, etwa beim Heizungskostengesetz, aber eben nicht, wenn es um Windkraft geht. Bevor da ein langwährender Schuh à la Veggie Day daraus wird, will Habeck umsteuern. Der Minister hört das Gras wachsen, er ist ein schlauer. Er weiß: Die Energiewende ist nur mit der Wirtschaft zu schaffen, nichts ist schädlicher als die der Enegergiewende aufgeschlossenen Wirtschaft Prügel zwischen die Beine zu werfen. Frei nach Henry Kissinger: Unsere Interessen zuerst, sie sind Grundlage für richtiges Handeln out of area.



    Das Lieferkettengesetz ist ein Knebelgesetz, das staatliche Aufgaben outsourct. Es ist eine Fehlkonstruktion.

  • Da bin ioch baff!

  • Ich hätte nicht gedacht, dass ich Herrn Habeck mal vollumfänglich zustimme. Aber hier hat er recht, dieses Gesetz hilft niemandem vor Ort und geht mit hohen Kosten für die Unternehmen einher. Ein moralisch ehrenwertes Gesetz, aber ohne jeden Nutzen.

    • @Bommel:

      Sie meinen sicherlich ohne Nutzen für sie persönlich. Es geht um Kinderarbeit, Löhne die zum Leben reichen, Arbeitssicherheit, Zwangsarbeit usw. Das anderen zu verwehren um eigenen Vorteil daraus zu ziehen ist nichts weiter als Ausbeutung und Rassismus.

  • Könnte Habeck bitte in eine andere Partei wechseln - oder die Grünen ihre Parteifarbe, genau wie ihre Werte auch schon, ablegen? Mir bleibt nichts als Konsumverweigerung, weil es meine zeitlichen Kapazitäten übersteigt, eine Verantwortung zu übernehmen, die Unternehmen zu tragen haben. Das Gesetz hat mich echt gefreut - na dann bleibt wohl stopfen, leihen, tauschen. Ich mach‘ da einfach nicht mehr mit.

    • @MaTaBe:

      Aber was bringt dieses Gesetz denn mehr als einen guten Willen? Wer kann den schon wirklich nachprüfend, ob die nicht-zertifizierten Kakaobohnen nicht einfach in einen zertifizierten Sack gefüllt wurden oder ob die minderjährigen Kakaopflücker nicht einfach auf dem Papier älter gemacht werden? Die Dokumentation aller anderen Glieder der Lieferkette ist dann für die Katz

    • @MaTaBe:

      Nur kaufen, was unbedingt nötig ist, nur ersetzen, was gar nicht mehr repariert werden kann, Freude am Immateriellen finden, den Kapitalismus aushungern, das ist das Beste, was wir tun können. Vielleicht das Einzige.