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Vor der BundestagswahlStarker Ostwind

Gastkommentar von Wolfgang Schroeder

Nur 15 Prozent der Wahlberechtigten kommen aus dem Osten. Ihr Einfluss auf die gesamtdeutschen Kräfteverhältnisse geht jedoch über diese Zahl hinaus.

Starker Wind aus dem Osten: Hier werden die Wahlen nicht gewonnen, können aber verloren werden Foto: Stefan Boness/Ipon

D ie Polarisierung zwischen dem Ministerpräsidenten und der AfD hat in Sachsen-Anhalt zu einem großen und einem kleinen Sieger geführt. Alle anderen Parteien wurden verzwergt. Auf die Frage, was man von Sachsen-Anhalt für die Bundestagswahl lernen könne, antwortete Ministerpräsident Reiner Haseloff: Im Osten werden zwar keine Bundestagswahlen gewonnen, aber verlieren kann man sie dort.

Der Anteil der ostdeutschen Wahlberechtigten an der gesamtdeutschen Wählerschaft beträgt etwa 15 Prozent. Doch der Einfluss der Ostdeutschen ist größer als diese Zahl. Der „Ostwind“ ist für die Dynamik des gesamtdeutschen Parteienwettbewerbs wichtig. Es sind insbesondere vier spezifisch ostdeutsche Entwicklungen, die schon in der Vergangenheit das gesamtdeutsche Wettbewerbs- und Parteiensystem wesentlich beeinflussten.

Erstens durch die Einheit selbst. Im Jahr 1989 war die CDU schon auf dem Weg in die Opposition. Doch das ostdeutsche Plebiszit für einen schnellen Anschluss machte die Union unter Helmut Kohl zur Kraft der Stunde, die den „Mantel der Geschichte“ ergriff und aus dem Kanzleramt gestaltete. Mit dem Versprechen der „blühenden Landschaften“ konnte sie den Weg in die Opposition für acht weitere Jahre abwenden.

Durch den Institutionentransfer aus dem Westen, der weder die Reformbedürftigkeit der westdeutschen Institutionen berücksichtigte noch eine Sensibilität dafür entwickelte, wie mit den soziokulturellen Bedingungen im neuen Anwendungsgebiet umzugehen sei, glich der Prozess einem spektakulären, blindflugartigen Hauruckverfahren, also einer Schocktherapie. Dies schlägt sich in einem weiterhin schwächer ausgebildeten Vertrauen in Institutionen nieder. Es liegt im Osten Deutschlands etwa 5 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.

Hegemonie der Union

Zweitens wurde die Zerrissenheit des progressiven Lagers durch die Gründung der PDS mit einem weiteren Wettbewerber ohne Koalitionsoption belastet. Die Linkspartei versuchte als „Regionalpartei Ost“ die ostdeutschen Interessen im Parteienwettbewerb stärker hörbar zu machen. Doch durch ihre Koalitionsunfähigkeit trug sie wesentlich dazu bei, die Hegemonie der Union trotz einer Mehrheit des progressiven Lagers im Bund zu zementieren.

Bild: privat
Wolfgang Schroeder

ist Politikwissenschaftler und Fellow am Berliner Wissenschaftszentrum. An der Universität Kassel ist er Professor für das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Von 2009 bis 2014 war er Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg.

Drittens ist der Weg der Grünen zur Regierungspartei in doppelter Weise mit Ostdeutschland verbunden. Einst hatten die ostdeutschen Bündnis-90-Akteure maßgeblichen Anteil daran, den pragmatischen Weg der Grünen als Joschka Fischers fleißige Helferinnen zu flankieren. Jetzt ist es zu einer zentralen Funktion der Linken geworden, die zentristische Position der Grünen zu stabilisieren. Jene, denen die Grünen zu milde geworden sind, bietet die Linkspartei eine neue Heimat. Das stärkt den Mittekurs der Grünen und fördert deren Akzeptanz im bürgerlichen Lager.

Viertens ist Ostdeutschland seit 1990 die Hoffnungsbastion des Populismus; vor allem rechter Couleur in Form der AfD. Bis auf die PDS waren alle anderen Parteien zu sehr mit dem westdeutschen Verfassungspatriotismus verflochten, um als emotional verankertes Sprachrohr des Ostens gegenüber dem politischen Zentrum in Berlin zu agieren.

In den letzten Jahren konnte insbesondere der Rechtspopulismus in Form der AfD von einem hohen Wählerpotenzial in den neuen Bundesländern zehren. Die AfD-Protestkultur inszeniert sich als Sprecher des ländlichen Raumes und der Politikfernen. Hinzu kommt, dass im Osten eine starke Brandmauer zwischen der Union und der AfD gegenwärtig nur um den Preis zu haben ist, dass die anderen Parteien verzwergt werden.

Eigener Blick auf den Osten

Nun ist eine eindimensionale Gegenüberstellung von Ost- und Westdeutschland längst überholt. Zugleich ist ein eigener Blick auf den Osten existenziell, um die Dynamik des Parteienwettbewerbs in Gesamtdeutschland zu verstehen. Für manche Bereiche haben wir es sogar mit einem peripheriegetriebenen Wandel zu tun. Denn die Lage im Osten war, ist und wird aufs Ganze betrachtet anders als im Westen bleiben. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig.

Ein eigener Blick auf den Osten ist existenziell, um die Dynamik des Parteienwettbewerbs in ganz Deutschland zu verstehen

Gängig sind die Erklärungen der zweifachen Diktaturerfahrung, der Transformation und einer spezifisch ostdeutschen Mentalität. Etwas aus der Mode gekommen sind die sozioökonomischen Disparitäten: Während das durchschnittliche Vermögen in Westdeutschland rund 200.000 Euro beträgt, liegt es im Osten bei unter 70.000 Euro. Die Arbeitslosenquote betrug 2018 im Osten des Landes 6,9 gegenüber 4,8 Prozent im Westen. Der Niedriglohnsektor liegt bei fast 40 Prozent aller Beschäftigten, im Westen sind es dagegen nur 20 Prozent.

Es fehlt an Betrieben mit Forschung und Entwicklung, an komplexen Jobs. Ein solcher Blick auf die Entwicklungen in Ost- wie in Westdeutschland ist essenziell, um politische Hausaufgaben zu identifizieren. Eine einseitige und verkürzte Perspektive, die in der öffentlichen Sphäre zu Zuschreibungen wie „brauner Osten“, „zivilgesellschaftliches Diasporaland“ führt oder allgemein den „Nachzügler“-Stempel vergibt, verkennt die besonderen Entwicklungen des gesamtdeutschen politischen Systems und der Parteienlandschaft, die auch in Ostdeutschland ihren Ausgangspunkt haben.

Fünfzehn Wochen vor der Bundestagswahl kann sich über die Hälfte der ostdeutschen Bevölkerung weder mit Annalena Baerbock, Olaf Scholz oder Armin Laschet als zukünftigem Regierungsoberhaupt identifizieren. Es mag bei einem Wähleranteil von rund 15 Prozent nicht unmittelbar wahlentscheidend sein, das eigene Fähnchen entsprechend dem „ostdeutschen“ Wind auszurichten.

Gleichwohl zeigt sich mit Blick auf die vier beschriebenen Entwicklungen, dass eine Sensibilität für die ostdeutschen Dynamiken existenziell ist, weil sie richtungsweisend sein können. Denn im Osten werden die Wahlen nicht gewonnen, sie können dort aber verloren werden.

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19 Kommentare

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  • Sehr geehrte*r Wolfgang Schroeder,

    Ihr Gastkommentar beschreibt aus Ihrer Sicht, Ihren Recherchen und wie ich vermute auch persönlichen Gesprächen und/ oder Erfahrungen einen spannenden Blickwinkel.



    Und seit ich den Gastkommentar heute gegen Mittag gelesen habe inspiriert er mich zu Gedankengängen, die ich sehr lange rechts liegen gelassen habe.



    Die Worte, die die sozioökonomischen Disparitäten einleitend begleiten, machen mich ehrlich gesagt sehr traurig. Möglicherweise verschleiert der Begriff Vermögen ja die ungerechte Verteilung der Zahlen. Zumal der von Ihnen gewählte Begriff ja sogar irgendwie auch die Armut verschleiert.

    Und vielleicht sind es ja "auch" diese ganzen Wortwahlen. Die Wortwahlen in Überschriften und Schlagzeilen, meine Wortwahl, die Wortwahl der Politiker*innen, die Wortwahl von uns allen. Wie wir alle so oft "rechtsruck" rufen, zitieren , schreien so als sei es ein gemeinschaftliches "hauruck".

    Die Diskussionen in Gesellschaften könnten sich viel regelmäßiger mit Toleranzen, Akzeptanzen und Respekt beschäftigen. Wenn wir null Toleranz haben und fordern dann klingt das für mich persönlich so ganz abstrakt. So als ob wir irgendwann mal einen Planeten finden auf den wir die ganzen "Unerträglichen" verbannen.

    Aber vorher tolerieren "wir" die "Unerträglichen" gar nicht und können damit trotzdem nicht verhindern, dass die Community "erstarkt".



    Und "wir" messen mit unerträglichem Maß:



    Es sind natürlich immer die Fehler der "Anderen".

    Nein Wolfgang Schroeder, so will ich das nicht.



    Ich will, dass alle Menschen vor nichts mehr Angst haben müssen und sich aus Angst, Wut und Hass entwickeln.



    Wer Fehler macht soll reuen dürfen. Wer Taten begeht soll zur Rechenschaft gezogen werden.

    Und wir Menschen die gerne "richten" und "berichten" sollten die Macht unserer aller Worte, sehr genau abwägen.



    Toleranzen können enden, Akzeptanzen können wachsen. Respekt gibt es gratis wegen der Würde! Wut kommt nach Angst, und Hass ist nicht das Ende.

    GLG💐



    DS

  • SPD befindet sich seit 1989, mental, geschwächt durch Willy Brandts SPD Vorsitzenden Rücktritt 1987, im Blindflug dessen, was zu tun ist, neben Wiedervereinigung von SED/PDS/Linkspartei mit SPD durch Herz, Hirn, Humor in die Waagschale zu werfen, Chancen links der Mitte Mehrheit Option rotrotgrün 2013-2017 zu nutzen, anders gelagerte Mentalitätsgeschichte Ostdeutscher mit mentale anders tickenden Machbarländern als jener Westdeutscher, für die Außenpolitik auf die Agenda zu setzen. Denn Ostdeutsche tönen nahezu verlässlich nach innen u. a. als Pegida Fundi Systemverweigerer seit 2014 nach AfD Gründung 2013, wie Bundesregierungen seit 1999 Kosovokrieg Richtung Osteuropa, Russland tönen, als verstünden sich Ostdeutsche als deren Alter Ego Stellvertreter bei aktivierter Pausentaste, weil Bundesregierungen deutsch-deutsches Bekenntnis hüben, drüben nach 1945 trotz und weg Kalten Krieges, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg, noch Waffenhandel in Kriegsgebiete ausgehen darf, nach Berliner Mauerfall 1989, Implosion der Blöcke Ost und West, bis heute nicht auf die außenpolitische Agenda zu setzen verstand, außer Bundestagsbeschluss 2010, dass Atomwaffensysteme von deutschem Boden in US Airbase Büchel/Eifel abzuziehen sind, atomar deutsche Nato Teilhabe suspendiert gehört, gemäß deutschen Atomsperrvertrag Beitritt 1972. Was inzwischen durch Bundesregierung Verweigerung entgegen Bevölkerungsmehrheit ICAN Uno Atomwaffenverbot 2017 beizutreten, das 22.1.2021 Völkerrecht wurde, Makulatur scheint. Hinzu kommt Helmut Kohls marktwirtschaftlicher Systembruch ab 1990, 8000 ehemalige DDR Betriebe, die 1949-90 Erträge an DDR Plankommission abgeführt, für betrieblich Belange ins Kreditrisiko gehen mussten, nach Einheit Erträge nicht, mit Kredit Restschulden verrechnet, zurückerhielten, am Kapitalmarkt schuldenfrei kreditwürdig zu gelten, sondern auf Schulden sitzengeblieben, in von DDR Volkskammer 1990 gestifteten Treuhand weiter wie zuvor planwirtschaftlich am Tropf hingen

  • "die Zerrissenheit des progressiven Lagers durch die Gründung der PDS"

    Dass die PDS mal "progressiv" war, halte ich für ein Gerücht.



    Dass die SPD es in den letzten Jahrzehnten gewesen sein soll, ebenfalls (und ich bin noch nichtmal fundamental gegen die Agenda 2010).

    Und dass "progressiv" definiert ist als "links von der CDU", gibt mein Wörterbuch nicht her.

  • @Tom FarmerDas das Thema Migration und Zuwanderung im Osten und ganz besonders in einigen Regionen, einen stärkeren Einfluß hat bei der Wahlentscheidung glaube ich nicht. Es ist ein Teilaspekt der meinen Mitmenschen insbesondere in den ärmeren Stadtteilen regelmäßig vor Augen geführt wird. Spannenderweise ist der Anteil derjenigen die entsprechend "gegenwählen" und Ressentiments äußern in den Bereichen mit geringsten bis garnicht vorhandenen ausländischen Zuwanderern viel größer.



    Ich denke das die Entscheidung eine Wahl zu treffen in den meisten Fällen noch immer der eigene Geldbeutel mit kurzsichtigen Aussichten am nächsten ist. Frei nach dem Motto : "Ich möchte wissen ob ich mir nächste Woche jeden Tag ein Schnitzel leisten kann."

    • @Waldo:

      Ja, so ist das ja auch. Die ersten Zuwanderer werden am intensivsten beobachtet und ggf. Ablehnung und Ängste aufgebaut. Zeit und noch mehr Zuwanderung lässt diese Angst wieder verschwinden.



      Ich kann Ihnen leider den Titel nicht nennen, aber in ARTE war da mal ein super Film zum Thema zu sehen. Vielleicht stolpern Sie mal drüber oder finden den auch gezielt. Daher ist ja auch das Argument vieler Politiker so falsch wenn sie sagen: Hey, nur 0,5 % Ausländer im Landkreis xy o.ä. und 25% wählen AfD? Doch, genau das ist nämlich der Grund, die nur geringen Zahlen. In Gesellschaften wo 20% Ausländer integriert sind könnte die AfD mit Angstmacherei gar nicht punkten!

  • "In diese Angstentwicklung hinein ist die AfD voll rein, und hat die noch (dank Dauerpräsenz als "Krawall-Spezialisten" in Talkshows, was mich heute noch aufregt) verstärkt."

    Wo haben Sie denn bitte eine Dauer-Präsenz von AfD-Politikern in Talkshows wahrgenommen?



    Die sind doch - im Vergleich zu ihren Wahlergebnissen - in deutschen Talkshows eher unterrepräsentiert.



    Nicht dass ich das bedaure, aber es ist nun mal Fakt.

  • 15% der Wähler kommen aus dem Osten? Für Herrn Schröder liegt Berlin offenbar weit westwärts...

    • @Samvim:

      Politische Geographie funktioniert halt anders.



      München liegt östlicher als Schwerin -- trotzdem ist es nicht in Ostdeutschland.



      Wohingegen Schwerin wiederum i.A. Osten ist und nicht Norden -- diese Einordnung wird nach wie vor gerne SH, HH, HB und sogar NDS vorbehalten (selbst beim NDR -- aber der brauchte sowieso über 20 Jahre, um zu merken, dass die Welt östlich der Elbe weitergeht).

  • Einer der wichtigsten Punkte fehlt in der Aufzählung: Es ist das Thema Zuwanderung und Ausländeranteil. Es ist genau dieses Thema welches die AfD dank Präsenz in allen Talkshows der TV-Medien groß gemacht hat. UNd genau dageben wurde argumentativ viel zu wenig dagegengestellt.



    Zahlen:



    Ausländeranteil in den neuen Ländern im Jahr 2007: 2-2,2 %, in 2018: 4,5-4,9%



    Ausländeranteil in den alten Ländern inkl. Berlin: ca. 10% in 2007, 15% in 2018.



    Von ARTE bis Spektrum der Wissenschaft wurden diverse Analysen vorgestellt, dass es genau der Beginn von Zuwanderung ist der bei den etablierten Gruppen Ängste auslöst. Eine Gruppe die bereits (gute) Erfahrungen mit Zuwanderung gemacht hat ist davon (also den Ängsten) weitgehend immun.



    In diese Angstentwicklung hinein ist die AfD voll rein, und hat die noch (dank Dauerpräsenz als "Krawall-Spezialisten" in Talkshows, was mich heute noch aufregt) verstärkt. Ich denke, ohne dieses Thema anzupacken und zu lösen ist der AfD in Osten (aber auch in den neuen Ländern) nicht beizukommen. Kurzum: Ein Integrationsministerium mit entsprechenden Zuständigkeiten und Kompetenzen wäre mal nett!

    • @Tom Farmer:

      Es ist nicht nur die Zuwanderung, Der Osten ist ländlicher geprägt als der Westen.



      Im nicht urbanen Bereich sind Menschen aber generell konservative das ist überall auf der Welt so nicht nur in Deutschland, nicht nur im Osten.



      Die AfD füllt hier eine Lücke welche die CDU hinterlassen hat, seitdem man dort erkannt hat, dass man urbane Menschen ansprechen muss um Wahlen gegen rot-grün zu gewinnen

    • @Tom Farmer:

      Wir erinnern uns bitte: Der Niedriglohnsektor liegt im Osten bei fast 40 Prozent aller Beschäftigten, im Westen sind es dagegen nur 20 Prozent. Und nun die 15-Prozent-Frage: Wo werden sich wohl mehr Leute vor der Konkurrenz zugewanderter Billiglöhner mit immerhin extremer Mobilität und großem Erfolgsdruck fürchten?

    • @Tom Farmer:

      Aber wie erklärt man mit Ausländerthematik die Abwanderung der Linkswähler zur AfD??

      • @Valery Pokrowski:

        Nun, wenn Sie den Gastkommentar von Wolfgang Schroeder aufmerksam gelesen haben, werden Sie eine ganze Reihe von Gründen finden, um sich dieses Phänomen erklären zu können … Xenophobie ist da nur eine Facette unter vielen (ist oft jedoch fester Bestandteil antidemokratischer Einstellungen)



        Das Konzept der autoritären Persönlichkeit findet sich ja nicht nur im ideologisch rechten Kontext oder in Diktaturen, sondern stellt auch ein echtes Problem für demokratische Gesellschaften dar … die Frontlinie verläuft dementsprechend nicht zwischen links und rechts, sondern zwischen liberal und autoritär, auch innerhalb der bestehenden politischen Lager (was man am Beispiel der Linkspartei nicht nur aktuell, sondern immer schon sehr gut beobachten konnte).



        www.spektrum.de/le...rsoenlichkeit/1819

      • @Valery Pokrowski:

        Die AfD ist eben mittlerweile die "bessere" Protestpartei. Warum? Weil sich, siehe CDU Sachsen-Anhalt, damit seitens der Wähler besser protestieren lässt.... über 5 % mehr oder weniger bei den Linken macht sich doch heute kein CDU/SPD-Ministerpräsident oder Parteizentrale der FDP/Grüne mehr einen Kopf.

    • @Tom Farmer:

      Der reine Ausländeranteil ist irreführend da hier keine MiGraHü mit erfasst sind. Im Westen ist die Gesellschaft deutlich diverser als hier. Wenn ich überlege das ich mit 20 überhaupt das erste Mal im Leben einer PoC begegnet bin. Die Reaktion der ostdeutschen Gesellschaft sollte auch fairerweise mit den anderen Osteuropäern oder der BRD bei Eintreffen der ersten Gastarbeiter in den 60ern verglichen werden.



      In meiner Stadt haben wir jetzt einen Ausländeranteil von 11% was beinahe Westniveau entspricht. Trotzdem bekommt die AFD hier 40%. Ich frage mich nur wie hier je eine Integration gelingen soll ohne Arbeitsplätze. Wer das Pech hat als Geflüchteter in unsere Region zu kommen, sitzt seine Residenzpflicht ab und geht dann nach Berlin oder in den Westen. Ohne die strukturellen Probleme der abgehängten Regionen zu lösen kann Integration hier nicht gelingen.

      • @Šarru-kīnu:

        Jau, das sag ich ja auch. Ohne Intergration wird die AfD da weiter die Angst-Karte ziehen. Intergration heißt natürlich auch "in Arbeit kriegen" ohne dass jemand Angst haben muss er hätte dafür seinen nicht mehr.

  • Wenn es um materielle Disparität geht, Vermögen etc, dann sollten Menschen vermehrt Linke wählen, oder? Stattdessen hat Linke wieder Wähler an die AfD verloren; laut dimap, etwa 3.000 Mann. Warum?

    • @Valery Pokrowski:

      Weil ideologische Standortbestimmungen und daraus folgende politische Überzeugungen zumeist nicht viel mit der materiellen Lage von Menschen und noch weniger damit zu tun haben, bei welcher Partei man in Wahlen sein Kreuzchen macht … hier irrte Karl Marx, denn das Sein bestimmt keineswegs das Bewusstsein.

    • @Valery Pokrowski:

      Die AfD wird nicht primär von Menschen aus der untersten sozialen Schicht gewählt, sondern von Menschen mit Einkommen aus der Mittelschicht.