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Veto gegen Steuernachlässe für FirmenPaus ergreift ihre Chance

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Die grüne Familienministerin Lisa Paus blockiert Lindners Pläne für Steuersenkungen für Firmen. Ökonomisch wie sozialpolitisch tut sie das Richtige.

Familienministerin Paus fährt nach der Kabinettssitzung am 16. August mit dem Fahrrad weg Foto: Britta Pedersen/dpa

W er hätte das gedacht: Dass Familienministerin Lisa Paus die von Finanzminister Christian Lindner geplanten milliardenschweren Steuererleichterungen für Unternehmen im Kabinett blockiert, ist mal kein Beispiel dafür, dass die Ampel nur Chancen verpasst. Die Grünen-Politikerin will damit offenbar mehr Geld für ihre Kindergrundsicherung herausschlagen. Vor Paus’ Paukenschlag sah es so aus, dass die Ampel nichts richtig angehe, nur alles zerrede.

Jährlich 6 Milliarden Euro wollte der sonst so knausrige FDP-Chef mit dem Wachstumschancengesetz ursprünglich lockermachen. Nach jüngst kolportierten Zahlen wäre es vielleicht sogar noch etwas mehr gewesen. Doch selbst das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, bedenkt man, was für Mittel bewegt werden müssten, um die Wirtschaft fit zu machen für die digitale und ökologische Transformation. Der Ökonom Jens Südekum fordert etwa das Drei- bis Vierfache.

Gleichzeitig sind 6 Milliarden Euro zu viel Geld, um sie für Steuergeschenke mit fragwürdigem Effekt zu verpulvern. Zumal die Wirtschaft nicht nur aus Unternehmen besteht. Die Wirtschaft – das sind auch die Menschen im Land. Sie tragen zum Wirtschaftswachstum bei, indem sie mit ihrer Arbeit Werte schaffen oder mit ihrem Konsum die Nachfrage ankurbeln. Der neoliberale Teil der Ampelkoalition übersieht das gerne.

Paus tut das Richtige

Doch nicht umsonst gibt es auch Ökonomen, die sich dafür aussprechen, dass die Regierung lieber in Bildung, die öffentliche Infrastruktur und die Stärkung der Sozialsysteme investieren sollte, statt Steuern zu senken. Denn dieses Geld würde Deutschland als Wirtschaftsstandort nachhaltig stärken.

Lisa Paus macht also nicht nur aus sozialpolitischen, sondern auch aus ökonomischen Erwägungen das Richtige, indem sie ihre Chance ergreift und Lindners Vorhaben blockiert. Der Rest der Ampel sollte ihr dafür dankbar sein. Denn dadurch bietet sich die Gelegenheit, zu diskutieren, was wirklich gebraucht wird. Die Frage ist, ob sie genutzt oder verpasst wird.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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11 Kommentare

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  • Hier sieht man deutlich ,daß die Grünen nicht an einem Strang ziehen, Habeck hat dem Wachstumförderungsgesetz zugestimmt. Die Paus ist auf Krawall gebürstet,außerdem hat sie bis heute noch nicht dargelegt, wie die Kindergrundsicherung en Detail



    Aussehen soll.

  • Der Rest der Koalition ist sich darüber einig, dass das neue Gesetz gebraucht wird. Herr Habeck hält die Steuererleichterungen für zu gering. Im Übrigen hat Frau Paus überhaupt keine inhaltlichen Änderungen moniert, daher ist eine inhaltliche Debatte über das Gesetz auch nicht zu erwarten.

    "die Regierung lieber in Bildung, die öffentliche Infrastruktur und die Stärkung der Sozialsysteme investieren sollte" Das sind alles sicherlich gute Themen nur genau um diese geht es ja Frau Paus gerade nicht. Schlimmer noch, durch die Forderung nach 7 bin 12 Mrd. Euro fehlen diese genau bei den anderen Punkten.

  • Bildung gegen kurzfristige Profite auszuspielen ist nicht Sinn stiftend. Das Veto ist völlig richtig. Deutschland muss intensiv in Bildung investieren. Daran müssen sich auch die Unternehmen beteiligen. Wie wollen sie sonst den Fachkräftemangel bezwingen?

  • Finde ich absolut richtig von Frau Pau. Grundsätzlich heißen Unternehmen 'Unternehmen', weil sie selbst und alleine in einem staatlichen Rahmen eigenverantwortlich handeln/produzieren ... Auf sich verändernde Größen nicht adäquat reagieren zu können, zeichnet unfähiges wirtschaften aus. Gerade unter dem Aspekt der Klimakatastrophe müssen viele solcher Unternehmen, die nicht nachhaltig arbeiten, eben aufgeben und das ist auch gut so. Das Argument mit den Arbeitsplätzen zieht da schon lange nicht mehr, wenn diese den Planeten zerstören helfen.



    Diese Lindnersche Art, bestehende Unfähigkeiten noch zu vergolden mit Steuergeld, kann es nicht sein.



    Die andere, die soziale Seite ist kaputtgespart - wahrscheinlich müssen sich Kinder demnächst selbst unterrichten, unter freiem Himmel, weil die Schulgebäude kollabieren, Lehrer zuhauf fehlen.



    Dahin sollte der eine oder andere Wumms hingelenkt werden. Im übrigen haben die Grünen da noch etwas gut zu machen ... also alles richtig blockiert, die Frau Pau !

    • @Zebulon:

      "Diese Lindnersche Art, bestehende Unfähigkeiten noch zu vergolden mit Steuergeld, kann es nicht sein. "

      Na ja da gerade will er ja nicht. Ans Steuesäckel wollen immer jene die meinen der Staat kann Schulden machen ohne Ende und Steuererhöhungen seien Sozialpolitik per se.

      Die Frage, wo gespart werden muss, damit Frau Pau ihr Geld zusammenbekommt, ist keien die ein "Lindner" zu entscheiden hat.



      Da sind die Ministerien gefragt insgesammt gefragt.

      Insofern wäre Paus Auftritt sofern er nur gegen Lindner zielt, nur Politik zu einem anderen Zweck und nicht hilfreich für das eigentliche Anliege: Kinder

  • Nachdem wir uns vom Erreichen der CO2-Ziele verabschiedet haben, der Mittelstand mit der Wirtschaft schrumpft und die AFD wächst, versucht eine Ministerin abseits der Koalitinsvereinbarungen und Abstimmungen mit Erpressung ihre Partikularinteressen durchzusetzen. Da wird Herr Scholz wohl von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen müssen. Auch Herr Habeck kann sich das eigentlich nicht bieten lassen. Mal sehen wie lange die Dame noch Ministerin ist.

  • Schade, dass Frau Paus nicht bereits bei der 10 Mrd. Wirtschaftshilfe ihres



    Minister- u. Parteikollegen Harbeck für einen amerikanischen schwer reichen Konzern



    interveniert hat. Sie kommt doch aus einer mittelständischen Unternehmerfamilie und



    müßte deshalb wissen, dass es viel sinnvoller ist, eine Vielzahl von Familienunternehmen zu stärken als einen riesigen börsennotierten Konzern.

  • "Doch nicht umsonst gibt es auch Ökonomen, die sich dafür aussprechen, dass die Regierung lieber in Bildung, die öffentliche Infrastruktur und die Stärkung der Sozialsysteme investieren sollte, statt Steuern zu senken."

    Bei sämtlichen Vorschlägen von Regierungs- und Oppositionsparteien habe ich den Eindruck, dass die eigene Klientel zu bedienen im Vordergrund steht. Der Konjunktur helfen die meisten Vorschläge nur bedingt.



    Wollte man wirklich langfristig etwas für den Standort tun, dann wäre eine gut durchgeführte Bildungsreform ein recht zuverlässiges Mittel. Allerdings wirkt eine Bildungsreform eben erst Jahre später und das Politikerkalkül kann mit so etwas für gewöhnlich nicht allzu viel anfangen, denn es besteht die Gefahr, dass die politische Rendite von anderen eingestrichen wird, weil die eigene Partei gar nicht mehr regiert. Wenn man bedenkt, dass die FDP das Bildungsministerium innehat, stellt sich ohnehin die Frage ob man sich gegenwärtig eine Bildungsreform wünschen soll.

  • Gut gemacht Frau Paus

  • Das ist ein vollkommen richtiger Kommentar. Es wird allerhöchste Zeit, dass endlich auch mal an die Schwächeren gedacht wird. Die FDP Klientel ist bislang reichlichst beschenkt worden und es reicht jetzt....

  • Halten Sie dzrch, Frau Paus! Für die Kinder!