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Versteckte Kosten der ErnährungWas im Supermarkt nicht ausgezeichnet ist

Übermäßiger Fleisch- und Zuckerkonsum kostet die Allgemeinheit zig Milliarden, zeigt eine aktuelle Studie. Ex­per­t*in­nen fordern politische Lösungen.

Auch ohne eingerechnete Folgekosten ganz schön teuer Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Fleischkonsum ist keine Privatangelegenheit: Er kostet die Allgemeinheit viel Geld und riskiert unumkehrbare ökologische Schäden. Das unterstreicht eine aktuelle Studie des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS).

Laut dem Report verursacht der übermäßige Verzehr von Schweine- und Rindfleisch allein in Deutschland jährliche volkswirtschaftliche Gesundheitskosten von etwa 16 Milliarden Euro. Hinzu kommen Umweltkosten für die Fleischerzeugung in Höhe von 21 Milliarden Euro pro Jahr. Letztere ergeben sich aus Treibhausgasemissionen, die die Erderhitzung anfeuern, aus Stickstoffemissionen, die Wasser, Böden und Ökosysteme belasten, oder aus dem unwiderruflichen Verlust an Artenvielfalt durch den exzessiven Einsatz giftiger Pflanzenschutzmittel.

„Die Folgekosten unserer Ernährung sind enorm“, sagt Beate Richter vom FÖS. Sie hat die Studie im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace erstellt. Rechne man die durch übermäßigen Zuckerkonsum entstehenden Gesundheitskosten von etwa 12 Milliarden Euro jährlich hinzu, seien die versteckten Kosten der Ernährung in Deutschland mit knapp 50 Milliarden Euro fast so hoch wie der aktuelle deutsche Verteidigungsetat, heißt es darin.

Der Verzehr von zu viel Zucker kann zu Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, oder Karies führen. Eine fleischlastige Ernährung kann ebenso Diabetes verursachen und erhöht zudem das Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen. Grund dafür sind im Fleisch enthaltene Stoffe, die Entzündungsprozesse und die Entwicklung von Krankheiten fördern können. In Rinder- und Schweinefleisch sind das gesättigte Fettsäuren und das sogenannte Häm-Eisen, in verarbeitetem Fleisch sind es Zusatzstoffe wie Nitrate und Nitrite.

Reduzierte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte: „ziemlich verrückt“

Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge, auf die sich die FÖS-Studie bezieht, ist der jährliche Pro-Kopf-Konsum von Fleisch in Deutschland in den letzten Jahren leicht rückläufig. Im Jahr 2023 lag er bei 51,6 Kilogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt jedoch lediglich 15,6 Kilogramm. Zudem vernaschen die Menschen in Deutschland mit 33,2 Kilogramm pro Person pro Jahr fast doppelt so viel Zucker wie von der DGE empfohlen.

Die Folgen dieser Fehlernährung belasten nicht nur das deutsche Gesundheitssystem. Neben den direkten Kosten, die für die Behandlung der ernährungsbedingten Krankheiten entstehen, bedeuten Ausfallzeiten oder vorzeitige Todesfälle von Kol­le­g*in­nen ökonomische Kosten für Betriebe und die gesamte Wirtschaft. Sie führen aber auch zu psychischen Belastungen, ob im Team oder im privaten Umfeld der Betroffenen, und können so weitere Krankheiten verursachen.

„Würden diese bislang versteckten Folgekosten in den Supermarktregalen für Verbraucherinnen und Verbraucher erkennbar, könnten Konsum und Produktion nachhaltiger und wirtschaftlicher werden“, sagt Richter. Eine Möglichkeit, diese Transparenz zu schaffen: den Kosten entsprechende Steuern auf ungesunde Lebensmittel.

Umgekehrt könnten jedoch auch steuerliche Entlastungen auf gesunde, wenig verarbeitete Lebensmittel dazu beitragen, nachhaltige und gesunde Ernährungsgewohnheiten zu fördern.

Matthias Lambrecht, Landwirtschafts­experte von Greenpeace, sieht dafür ebenso ­einen erheblichen Hebel in der deutschen Steuerpolitik. Es sei „ziemlich verrückt“ sagt er, dass die Bundesregierung jährlich etwa 5 Milliarden Euro aufwende, um Fleisch- und Milchprodukte durch eine reduzierte Mehrwertsteuer zu entlasten, und so die Probleme des bestehenden Ernährungssystems gar fördere. Das müsse sich ändern.

Zudem brauche es mehr Regeln für Werbende. Werbespots und Anzeigen dürften keine schöne Welt mehr vorgaukeln, sondern müssten über die Auswirkungen ihrer Produkte für Gesundheit und Umwelt aufklären, so Lambrecht.

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25 Kommentare

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  • Über die Gesundheits-Risiken von zu großem Fleischkonsum müsste viel in der Öffentlichkeit aufgeklärt werden. Dafür müsste die Regierung Geld ausgeben, daß im Fernsehen anstelle der Werbung "Social-Spots" gezeigt werden, die an die Öffentlichkeit appellieren. Man muß die Menschen nicht zu Vegetariern umerziehen, aber eben zum Maß halten bei tierischem Fleisch. Die pflanzlichen Patties bei z.B. "Burger King" schmecken fast genauso wie die klassischen.

    • @Uwe Bosse:

      Gerade auf der rechten Seite des Spektrums wird dabei gerade dermaßen fleischpopulisiert, dass ich am klaren Verstand oder der Rechtschaffenheit derjenigen zweifle.

  • Versuche mal im Lebensmittelsupermarkt Produkte ohne Zucker zu finden. Ich hab einem Freund 10 Euro in die Hand gedrückt und ihn gebeten, ein Lebensmittel, egal welches, ohne Zucker dafür zu kaufen. Er kam mit einem Pfund Salz zurück.

    • @gerdos:

      "Ohne Zucker-Hinzufügung" wäre einfacher gewesen, wenngleich auch nicht trivial.



      Zucker wie Salz sind (zu) billig, um fehlenden Geschmack zu maskieren.

  • Und am Ende steht eine "schöne neue Welt".

    • @Hans Hermann Kindervater:

      Wo Industriefleisch und Industriezucker teuer, teuer verbilligt wird, meinen Sie, um vom Wichtigen abzulenken?



      Und was alles getragen werden muss von jemandem.



      (PS: Sie meinten jedoch wohl eher Soylent Green als Brave New World).

  • "Ex­per­t*in­nen fordern politische Lösungen."



    Ja, der Staat soll die Menschen zu ihrem Glück zwingen. Leider bewahren sich Menschen gerne einen Freiraum für eigene Entscheidungen. Nennt sich auch "Privatsphäre".

    • @sollndas:

      Wenn der Staat mit viel und teurem Aufwand Fleisch und Zucker zu billig hält, dann greift er massiv ein und zwingt die Leute zum Schnitzel.



      Der Gedanke hätte Ihnen gerne selbst kommen können. Gern geschehen.

      • @Janix:

        ??? Ich fühle mich nicht zum Schnitzel gezwungen, siehe unten.

        • @sollndas:

          Oh, ich habe einen Satz von Ihnen oben wohl nicht vollständig verstanden. Danke für den Hinweis.







          Ich möchte jedenfalls nicht zu umweltschädlichem , ungesundem Verhalten verleitet werden, weil es aufgrund teurer staatlicher Fehlsteuerung künstlich das Billigste ist. Vielleicht lässt sich das schon verallgemeinern.

    • @sollndas:

      Ja, es gibt viele Menschen, die die Zusammenhänge nicht verstehen wollen, wie sie klar im Artikel geschildert sind. Die flüchten sich dann in die kognitive Dissonanz und plappern irgendwelche Worthülsen wie "Freiheit" oder "Privatsphäre" aus, wo es eigentlich "Egoismus" heißen müsste. Bei so einer Haltung scheint Ihnen die nachfolgende Generation ja egal zu sein ...

      • @Christian Lange:

        "..."Egoismus"..."



        Ich weiß nicht, ob ich mir sowas sagen lassen muss. Ich ernähre mich weitgehend lakto-vegetabil.



        Vorsicht vor den 150 %-igen.

  • "Fleischkonsum ist keine Privatangelegenheit: Er kostet die Allgemeinheit viel Geld..."

    Das gilt allerdings auch fürs Rauchen, für Süßes, für ein Zuviel an allem, für riskanten Freizeitsport etc etc.



    Alles kostet die Allgemeinheit und sei es über das Steuergeld der Krankenkassen!

    Wird der "gesunde Volkskörper" wieder propagiert, haben wir ein ganz anderes Problem als zu viel Fleischkonsum.

    • @Angelika70:

      Zucker wurde hier genauso genannt wie Fleisch. Und Rauchen wird mit einer erhöhten Steuer belegt, um die Folgekosten des Rauchens eben nicht allein der Allgemeinheit aufzubürden. Dank der Tabaksteuer gleichen sich diese Kosten nämlich zumindest teilweise wieder aus, während Fleisch sogar noch von einer reduzierten Steuer profitiert und die Kosten für die Allgemeinheit damit noch erhöht werden. Sehen Sie den Unterschied?

  • Ungesunde Ernährung, unmenschliche Arbeitsbedingungen und die Zerstörung der Natur durch schädliche Produktionsmethoden sind ein Symptom des Kapitalismus. Wettbewerb bedeutet, Unternehmen müssen Gewinne machen und steigern, um am Markt zu bleiben. Kosten müssen sinken, Absatz steigen. Mächtige Konzerne verdienen daran, dass ihre Produkte so lecker sind, dass wir immer mehr davon wollen. Zucker, Salz und Fett bewirken das. Gleichzeitig sind die Zutaten billig, die unser Gehirn erfreuen und uns krank machen. Kosten sind niedrig, Absatz steigt, Kunden werden krank.



    Solange Essen kapitalistisch produziert wird und die Verantwortung den Konsumierenden zugeschoben wird, ändert sich daran nichts. Wird Ungesundes teurer, können sich Arme weniger Essen leisten, denn das Gesunde bleibt unerschwinglich. Wird die Steuer fürs Gesunde gesenkt, steigt der Gewinn des Einzelhandels. Wer Zeit, Kochtalent und Geld hat, ist fein raus, der macht sich was Leckeres aus frischen Zutaten vom Biomarkt. Aber es ist kein Naturgesetz, das Fertigessen krank machen muss. Das dient dem Profit. Und der Staat freut sich, wenn's der Wirtschaft gut geht.

  • Danke, diese Tatsachen kann man nicht oft genug betonen. Wie wenig wir das im Bewusstsein haben wollen, zeigt sich auch an den schweigenden Kommentatoren.

  • Jeder und jedem die Freiheit, sich das reinzupfeifen.



    Dabei kostengerecht, was Gesundheits- und Umweltkosten angeht - und dazu gibt es genügend Daten und Fakten.

    Also deutlich realistischere Preise bitte, was auch dazu führen wird, dass kein tägliches Industrieschnitzel über den Teller lappt oder in alles halbautomatisch noch ein paar Prozent Industriezucker reingeschüttet wird, damit es zu schmecken scheint.

    Klingt nach Win-win. Die FÖS-Punkte hätten aus einem Ministerium kommen sollen. Lieber Tofu und leckeres Gemüse als schnöde Metzger-Sprüche.

  • Dieser Artikel ist wohlfeil.



    "Fleischkonsum ist keine Privatangelegenheit: Er kostet die Allgemeinheit viel Geld und riskiert unumkehrbare ökologische Schäden"



    Kann man nicht abstreiten. Alles richtig.



    Gilt aber genau so für Alkohol, Tabak, Übergewicht, Avocados, Kaffee,...



    Wie verträgt sich das mit der ebenfalls von Progressiven vorangetrieben Bewegung von 'body positivity'?



    Lautet die Message etwa: 'Übergewicht ist völlig okay so lange du es dir aus Tofu und nicht Schnitzeln angefuttert hast'?



    Ich verwehre mich dieser willkürlichen



    selektiven Kategorisierung grundsätzlich.



    Raucher werden in kleine gelbe Kästchen auf dem Bahnsteig abgedrängt aber mit der Pulle Bier in der Hand ist kein Problem...



    Fleischkonsum ist aus Mehrkosten für Umwelt und Tierwohl zu unterlassen, aber Übergewichtige sind nicht zu kritisieren weil das eine übergriffige Reaktion auf ihre individuelle Lebensentscheidung ist...



    Das Auto gegenüber dem ÖPNV zu bevorzugen ist schändlich aber ein hipper Coffee to go statt Leitungswasser ist völlig okay so lange er nur fair trade ist...



    Entweder wir machen Umwelt und Gesellschaftskosten allumfassend geltend oder gar nicht - einzelne Bereiche rauspicken ist wohlfeil.

    • @Farang:

      Es geht doch hier vor allem darum, Angewohnheiten, die der Allgemeinheit schaden, nicht noch finanziell zu subventionieren.



      Und body positivity bedeutet nicht, dass niemand mehr über gesunde Ernährung reden darf. Es geht einzig darum, Menschen nicht zu beleidigen.



      Abgesehen davon, dass Ihr Kommentar von vorne bis hinten voller Ausreden ist, nichts zu ändern: einzelne Bereiche rauspicken ist genau der richtige Weg, mit Veränderung anzufangen.



      Wenn Sie warten, bis Ihnen jemand den Königsweg zeigt, von jetzt auf gleich ein 100% nachhaltiges Leben zu führen, ohne dass Sie dafür liebgewonnene Gewohnheiten aufgeben müssen, werden Sie in Ihrem Leben keinen einzigen Schritt weiterkommen.

    • @Farang:

      Zu den gelben Kästen: es geht hier ums Passivrauchen und vom Passivtrinken habe ich bisher noch nichts gehört.

    • @Farang:

      "Gilt aber genau so für Alkohol, Tabak, Übergewicht, Avocados, Kaffee,..."



      ...und Cannabis.

  • Irgendwie alles richtig, aber irgendwie auch das Pferd verklausuliert von hinten aufgezäumt, und, derzeit offensichtlich im Trend.... der Mensch, der Konsument, der Wähler muss empathisch und indirekt auf den richtigen Weg geführt werden.



    Einfach mal sagen, Deutschbürger, du bist zu dick, du stopfst Nahrungsschrott in dich rein, bewegst dich zu wenig und scheinst in puncto Mindset wohl leicht von der Werbeindustrie beeinflussbar und bist zu doof für dich und deine Liebsten mal Verantwortung zu tragen und....... denk mal über deine idiotischen Einstellungen nach. Das geht in 2025 nicht mehr. Scheint mir.

    • @Tom Farmer:

      ja, eine wohlfuehlgesellschaft hoert sowas gar nicht gerne.



      leider sollte man zucker eigentlich in der kategorie drogen fuehren, da es abhaengig macht. da weiss schon jeder, dass das nicht gut ist, aber wie man sieht - die wenigsten kommen davon los.

      • @the real günni:

        "leider sollte man zucker eigentlich in der kategorie drogen fuehren..."



        Dazu passt die Cannabis-Freigabe wie die Faust aufs Auge. Haben Sie schon mal Cannabis geraucht und danach was Süßes gegessen?

        • @sollndas:

          der Unterschied ist, dass man Cannabis nicht fast allen Lebensmitteln ungefragt beimischt