piwik no script img

Versorgung in DeutschlandDas Gas reicht bis zum Winter

Trotz russischer Sanktionen gegen deutsche Gazprom-Töchter hält Robert Habeck die Lage für „beherrschbar“.

Erwartet höhere Preise, aber derzeit keinen Versorgungsengpass: Robert Habeck Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Es waren mal wieder keine guten Nachrichten, die Wirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag kommentieren musste: Russland hat Sanktionen gegen 31 europäische Tochterunternehmen seines Staatskonzerns Gazprom verhängt. Darunter sind auch mehrere Töchter des deutschen Unternehmens Gazprom Germania. Doch allzu besorgt wirkte der Grünen-Politiker deswegen nicht. „Die Lage ist beherrschbar“, sagte er.

Denn betroffen von den Sanktionen sind nicht alle Gazprom-Töchter, sondern nur jene, die für Handel und Speicher zuständig sind, nicht aber die Netzbetreiber. Deshalb sind Gaslieferungen aus Russland generell weiter möglich – aber wohl nicht zu den bisherigen Konditionen. Denn die bestehenden Lieferverträge von Gazprom Germania, die langfristig und damit vergleichsweise günstig sind, müssen neu geschlossen werden. Dadurch höhere Preise zu erzielen, dürfte „der Sinn der ganzen Aktion sein“, sagte Habeck. Damit die Unternehmen die Mehrkosten aufbringen können, kündigte Habeck „finanzielle Garantien“ des Staates an. Details dazu bleiben zunächst unklar.

Betroffen von dem Handelsverbot sind aktuell 10 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag, berichtete der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller. Das entspricht 3 Prozent des deutschen Gasverbrauchs. Diese Menge könne durch Lieferungen aus anderen Ländern ausgeglichen werden. Obwohl auch die Gazprom-Tochter, die den größten deutschen Gasspeicher in Rheden betreibt, unter die neuen Sanktionen fällt, fürchtet Müller keine Probleme beim Füllen der Speicher. Möglicherweise könnten die staatlichen Vorgaben zum Füllstand der Speicher dadurch sogar leichter umgesetzt werden.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass insgesamt weiterhin genug Gas nach Deutschland gelangt. Und das ist – neben den Sanktionen – auch direkt durch den Krieg in der Ukraine gefährdet: Weil nach ukrainischen Angaben eine Verdichterstation in den russisch kontrollierten Gebieten in der Ostukraine nicht mehr sicher betrieben werden kann, gingen die Lieferungen von russischem Gas durch die Ukraine nach Deutschland in den letzten Tagen um ein Drittel zurück.

Sollte Russland seinerseits die Lieferung von Gas entgegen der Ankündigungen einstellen, wäre die Situation laut Habeck „für den Sommer beherrschbar“. Das sagte der Wirtschaftsminister am Nachmittag nach einem Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in Berlin. Die Voraussetzungen, um ohne russisches Gas auch „über den Winter“ zu kommen, seien dagegen noch nicht erfüllt. Auch ein Gas­embargo der EU ist demnach weiterhin nicht machbar.

Nicht nur Habeck empfängt Kuleba. Der ukrainische Außenminister wird am Freitag am G7-Außenministertreffen in Schleswig-Holstein teilnehmen und führte zuvor in Berlin Gespräche. Zunächst tourte er durch die Bundestagsfraktionen.

Ukraine fordert Unterstützung bei EU-Beitritt

Den Anfang machte er am Morgen bei der SPD-Fraktion. Auf die Sozialdemokraten waren ukrainische Po­li­ti­ke­r:in­nen wegen ihrer russlandfreundlichen Politik in der Vergangenheit besonders sauer. Eine Politik, die ja nun Vergangenheit sei, versicherte Kuleba, als er zusammen mit Fraktionschef Rolf Mützenich und Parteichef Lars Klingbeil vor die Presse trat. Dass Kanzler Olaf Scholz eine Kehrtwende eingeleitet habe, lobte er als Zeichen der Stärke.

Insgesamt sehe er eine positive Dynamik in den deutsch-ukrainischen Beziehungen, sagte Kuleba. Unterstützung der Bundesrepublik forderte er beim angestrebten EU-Beitritt ein. Ende Juni entscheidet die EU, ob die Ukraine Beitrittskandidatin wird. „Die EU braucht die Ukraine so sehr wie die Ukraine die EU“, bekräftigte Kuleba. Vor laufenden Kameras sagte Klingbeil die geforderte Unterstützung zu. „Wir wollen, dass die Ukraine Mitglied wird und den Kandidatenstatus bekommt.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • "Trotz russischer Sanktionen gegen deutsche Gazprom-Töchter hält Robert Habeck die Lage für „beherrschbar“



    Und er bastelt in aller Ruhe weiter an seiner Karriere, kann für sich und seiner Familie gewiss die teuere Energiekosten leisten bzw. hat keine Angst, wenn "Deutschland wird ärmer", wie er neulich gesagt hat. Über die sozialen Verwerfungen, mit den unser Land bald konfrontiert wird, verliert er keinen einzigen Satz. Wir können nur gespannt bleiben, wie es mit diesem Ampel weiter geht?.

    • @Anna Deiport:

      Welche Karriereaussichten hat Habeck denn noch?

      Um Kanzler zu werden, dürfte er die falsche Partei haben.

  • Tempolimit. Autofreier Sonntag.

    • @tomás zerolo:

      Und das löst das Gas-Problem jetzt genau wie?

  • Warum ertappe ich mich beim Anblick dieses neuen Robert Habeck immer dabei, fragen zu müssen: Für wen macht das seinen Job eigentlich, damit WIR (!) nicht frieren müssen oder hat er Angst davor, die Globalisten enttäuschen zu müssen (die mit den immer weniger werdenden Arbeitsplätzchen!) , wenn er ihnen erklären muss, dass er für die Menschen und nicht für ein kapitalistisches System zuständig sein muss.

  • Die spinnen...

  • Deutschland kauft zwar weniger Öl aus Russland – zahlt aber mehr

    Die gesamten Ausgaben Deutschlands für Einfuhren aus Russland wuchsen im März trotz westlicher Sanktionen um 77,7 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro.



    ...



    Die deutschen Ausfuhren nach Russland wiederum fielen im März um 58,7 Prozent auf rund 1,0 Milliarden Euro. Noch im Februar waren sie um 16,7 Prozent gewachsen. Besonders starke Rückgänge gab es beim Handel mit Maschinen: Das Geschäfte brach im März um fast drei Viertel auf 165,8 Millionen Euro ein. Bei chemischen Erzeugnissen gab es ein Minus von 40,9 Prozent auf 158,7 Millionen Euro. Das Handelsdefizit mit Russland – Exporte minus Importe – schwoll dadurch auf den Rekordwert von 3,4 Milliarden Euro an.

    deutsche-wirtschaf...19a867c9f35c426668

  • „reicht bis zum Winter“ bis dahin haben dann die Unternehmen, die die „Mehrkosten“ hinten rein geschoben bekommen, das Gas also verbraten und der gemeine Bürger darf es das dann ausbaden. Primat der Ökonomie vor dem Menschen 3.0 oder wie nennt man das Herr VizeK ?

  • Die EU braucht das korrupteste Land in Europa ? Mit Steuergeldern Oligarchen füttern? Darüber hört man nichts.

    • @Andreas J:

      Ist bekannt, muss sich ändern, ist jetzt aber bedeutungslos.

      • @Benedikt Bräutigam:

        Warum Bedeutungslos? Selenskyjs Plan vor dem Krieg die Korruption zu bekämpfen war gescheitert. Beim Wiederaufbau werden Milliarden an europäischen Steuergeldern ins Land fließen. In den Pandora Papers wurde aufgedeckt, dass Selenskyj zu den 38 ukrainischen Politikern gehört, die Geld auf Offshore-Konten versteckt haben.

    • @Andreas J:

      Wieso hört man davon nichts? Darüber wird dauernd geredet!