Verschärfung für Geflüchtete: Grundrechte abgeschoben
Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf für schärfere Abschieberegeln beschlossen. Dieser greift in Grundrechte Geflüchteter ein, kritisiert Pro Asyl.
Der Regierungsentwurf nennt mehrere Grundrechte, die dafür eingeschränkt werden sollen: die Freiheit der Person, das Fernmeldegeheimnis und die Unantastbarkeit der Wohnung. So soll die Sicherungshaft, etwa bei Fluchtgefahr, von drei auf sechs Monate ausweitet werden. Der Ausreisegewahrsam unmittelbar vor der Abschiebung, für den keine Fluchtgefahr vorliegen muss, soll von zehn auf bis zu 28 Tage verlängert werden. Datenträger wie etwa Mobiltelefone sollen in deutlich größerem Umfang ausgelesen werden dürfen als bisher.
Die Polizei soll mehr Befugnisse zum Durchsuchen von Wohnungen Abzuschiebender, aber auch weiterer Bewohner*innen von Flüchtlingsunterkünften bekommen. Abschiebungen sollen auch bei Menschen, die seit über einem Jahr geduldet sind, nicht mehr angekündigt werden müssen – es sei denn, sie haben Kinder unter 12 Jahren. Falsche Angaben im Asylverfahren sollen strafbar werden. Auch die Ausweisung von Schleuser*innen oder Mitgliedern krimineller Vereinigungen soll erleichtert werden – bei Letzteren soll künftig keine gerichtliche Verurteilung mehr notwendig sein.
Schon in diesem Jahr habe man die Zahl der Abschiebungen um 27 Prozent gesteigert, erklärte Faeser. Es gebe aber immer noch „erheblichen Handlungsbedarf.“ Mit dem Gesetzentwurf gehe man auch auf die Forderungen der Länder und Kommunen ein. Hessens Innenminister Peter Beuth erklärte am Mittwoch gar, die eingebrachten Regelungen seien „der Bundesinnenministerin von der Länderebene diktiert“ worden. Ebenso wie die Unionsfraktion im Bundestag erklärte er, die Beschlüsse dürften nun „nicht verwässert“ werden.
Grüne Minister*innen im Boot
Die grüne Migrationsexpertin Filiz Polat hatte am Dienstag erklärt, im parlamentarischen Verfahren „verfassungs- und europarechtlichen Bedenken thematisieren“ zu wollen. Der Entwurf enthalte Regelungen, „die unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte“ darstellten und „zu recht auf einhellige Ablehnung von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen“ stießen.
Es gebe viele Gründe dafür, warum abgelehnte Asylsuchende nicht abgeschoben würden: „Manche sind geduldet, weil sie sich in einer Ausbildung befinden, andere, weil sie nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden können, wie zum Beispiel Geflüchtete aus dem Iran. Ein Großteil von ihnen sind Kinder.“ Ende August hielten sich in Deutschland rund 260.000 Ausreisepflichtige auf. Nicht alle davon sind abgelehnte Asylsuchende, und mit 80 Prozent verfügt ein Großteil von ihnen über eine Duldung.
Eine „Rückführungsoffensive“ hatte die Ampel bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Entsprechend reagierte Faeser nun auf Kritik am Gesetzesvorhaben: Es hätten ja auch grüne Minister*innen mit am Kabinettstisch gesessen und den Entwurf mit beschlossen, so Faeser.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte, die Regelungen würden zwar nicht zu nennenswert mehr Abschiebungen führen, aber zu „noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte“. Schon jetzt sei jede zweite Abschiebehaft rechtswidrig. „Die Bundesregierung opfert mit dem Abschiebungsgesetz die Grundrechte der Betroffenen dem aktuellen rechtspopulistischen Diskurs“, kritisierte Pro Asyl.
Faeser selbst weiß offenbar auch, dass die Verschärfungen vor allem ein politisches Signal sind: Laut Gesetzentwurf geht ihr Haus davon aus, dass man durch diese Regelungen im Jahr etwa 600 Menschen zusätzlich abschieben werde. „Für ein so kleines Ziel so schwerwiegende Grundrechtseingriffe hinzunehmen, ist wirklich bitter“, hatte der taz im Vorfeld die Migrationsrechtlerin Gisela Seidler vom Deutschen Anwaltverein gesagt.
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