Vermeintliche Flyer von Wintershall Dea: „Abkehr vom Gasgeschäft“
Fake-Flyer mit Logos von Wintershall Dea suggerierten, der Konzern wolle Gewinne aus dem Russland-Geschäft an die Bevölkerung abgeben. Was ist dran?
Die fiktive Pressemitteilung enthielt darüber hinaus eine umweltpolitische Botschaft: Wintershall Dea plane eine „strategische Neuausrichtung auf nachhaltige Fernwärme und Abkehr vom Gasgeschäft“. Alle Mitarbeiter würden umgeschult. Weltweit würden künftig „keine neuen Öl- und Gasprojekte mehr begonnen“. Es stehe zudem der „Rückbau der umstrittenen Fracking-Projekte in Argentinien“ an, und auch „die durch Ölunfälle im Eis gefährdete Arktis-Sparte“ solle „schrittweise abgewickelt“ werden.
Wintershall Dea erklärte daraufhin, in der Stadt der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst, der Documenta, seien zwar „Kunst und kreativer Protest zuhause“, mit den Fake-Flyern und der Fake-Pressemitteilung verletzten die bislang unbekannten Urheber allerdings Grenzen. Hätten sie doch unerlaubt das geschützte Unternehmenslogo genutzt, um falsche Informationen zu verbreiten: „Daher behalten wir uns rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen vor.“
Mit der fingierten Mitteilung nichts zu tun haben wollen die Umweltorganisationen Urgewald und Deutsche Umwelthilfe (DUH), wie beide auf Nachfrage erklärten. Beide hatten zeitgleich mit der Guerilla-Aktion den Gaskonzern auf dem üblichen Weg – also mit eigenen Pressemitteilungen – aufgefordert, seine Russlandgeschäfte sofort zu beenden. Wintershall Dea trage „mit einem Großteil seiner Geschäfte zur Finanzierung von Putins Machtapparat bei“. Das Unternehmen habe in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 320 Millionen Euro Steuern an den russischen Staat gezahlt.
„Hinfällig gewordene Ausreden“
Sonja Meister, Energie-Kampaignerin von Urgewald, legte dem Konzern nahe, er möge „alle diesjährigen Profite aus dem Russlandgeschäft für den Wiederaufbau der Ukraine zur Verfügung stellen“. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, sagte, die „Ausreden“ des Unternehmens, seine Öl- und Gasgeschäfte in Russland dienten der Versorgung Europas, seien „mit der Zerstörung von drei Strängen der Nord Stream-Pipelines endgültig hinfällig geworden“. Es gehe „allein um blutige Profite für Wintershall Dea und das russische Staatsunternehmen Gazprom, mit dem Wintershall Dea gemeinsam produziert“.
Der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Mario Mehren, verkündete am Dienstag für das dritte Quartal einen Nettogewinn von 851 Millionen Euro (Vorjahreszeitraum 234 Millionen). Er sagte, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei auch für sein Unternehmen ein Wendepunkt gewesen. Innerhalb weniger Tage nach Kriegsbeginn habe man sich gegen neue Projekte in Russland entschieden; es gebe keine Basis mehr für Wirtschaftsbeziehungen, weil das Land in jeder Hinsicht unberechenbar geworden sei.
„Wir prüfen nun, ob das internationale Geschäft der Wintershall Dea rechtlich von unserem Russlandgeschäft getrennt werden kann“, so Mehren. Wintershall Dea gehört zu 72,7 Prozent dem Chemiekonzern BASF und zu 27,3 Prozent der Investorengruppe Letter One des russischen Milliardärs Michail Fridman, der auf der EU-Sanktionsliste steht.
Unterdessen haben sich die Kasseler Urheber der angeblich von Wintershall stammenden Pressemitteilung noch nicht geoutet. Das dürfte sich am kommenden Samstag ergeben. Dann nämlich werden um 14 Uhr am Platz vor dem Kongress Palais, direkt neben der Firmenzentrale, vorgeblich die „Anträge für das Gasgeld ausgegeben“ – im Rahmen eines „Herbst-Events“.
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