Erdgasförderung in Niedersachsen: Angst vor neuen Beben

Auch mit der neuen Regierung wird es wohl in Niedersachsen kein Fracking mehr geben. Eine Initiative ist sich nicht ganz sicher, dass das so bleibt.

Eine Landstraße mit Auto und daneben ein Plakat "Kein Fracking"

Nicht nur in Verden, an vielen Orten in Niedersachsen wurde und wird gegen Fracking protestiert Foto: Holger Hollemann/dpa

BREMEN taz | Im Sommer hatte erst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Süddeutschen Zeitung dem Land Niedersachsen vorgeschlagen, das mit dem Fracking doch noch einmal zu überdenken. „Geht’s noch?!“, twitterte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) daraufhin. Am Sonntag dann sprach sich FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner dafür aus, das Verbot der Methode aufzuheben.

Er sagte der Funke-Mediengruppe: „Wir haben in Deutschland erhebliche Gasvorkommen, die gewonnen werden können, ohne das Trinkwasser zu gefährden.“ Auch ökologisch sei Fracking verantwortbar – eher weniger, darauf „aus ideologischen Festlegungen“ zu verzichten. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sieht das anders, die Förderung sei in Deutschland aus gutem Grund verboten, ließ ihr Sprecher das Redaktionsnetzwerk Deutschland wissen.

Grund für den Wirbel ist die aktuelle Energiekrise vor dem Hintergrund des Angriffskrieges in der Ukraine. Ein Sprecher der Bundesregierung stellte jedoch klar, dass sich die Regierung nicht mit Forderungen nach Fracking befassen werde. Und auch mit der neuen rot-grünen Landesregierung wird es Fracking wohl nicht geben.

Das Wort kommt im am Dienstag vorgestellten Koalitionsvertrag zwar gar nicht vor. Dort steht aber, dass Erdöl- und Erdgasförderung „unter höchsten Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsstandards erfolgt“. Und in ihrem Wahlprogramm hatten die Grünen Fracking komplett ausgeschlossen, die SPD immerhin die Förderung aus unkonventionellen Lagerstätten.

Konventionelles Fracking ist theoretisch noch legal

Niedersachsen hat von allen Bundesländern die meisten Erdgasreserven, von 1961 bis 2011 wurden diese teils durch die umstrittene Methode gefördert. Mit Fracking kann Erdgas aus Gestein gelöst werden. Dazu werden Wasser, Sand und Chemikalien unter Druck kilometertief in die Erde gepresst; das Gestein wird aufgesprengt, das Gas freigesetzt. Die Gefahren, sagen Kritiker*innen: Erdbeben, austretende Chemikalien, verschmutztes Trinkwasser.

2011 stoppten die Behörden die Genehmigungen von Fracking zunächst, 2017 dann kam ein neues Bundesgesetz. Verboten ist seitdem das sogenannte unkonventionelle Fracking, also das Rauspressen des Gases aus dem Gestein, in welchem es sich gebildet hat. Dazu zählt das Schiefergas.

Konventionelle Lagerstätten sind solche, in denen das Gas vor vielen Jahren in ein Speichergestein gewandert ist, zum Beispiel Sandstein. Sie liegen meist tiefer und damit weiter entfernt von Trinkwasserresevoirs. Hier zu fördern, ist unter strengen Bedingungen theoretisch immer noch möglich.

Martin Busch hat aufgrund der aktuellen Debatte Sorge, dass Fracking in seiner Region wieder eine Rolle spielen könnte. Busch ist Sprecher der Bürgerinitiative gegen Gasbohren in Verden-Walle. Protest gab es in den vergangenen Jahren an vielen Orten in Niedersachsen.

Die Sorge ist da – obwohl sich die Regierung in Niedersachsen und andere gegen Fracking aussprechen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Politik auch mal Kehrtwendungen hinlegt“, sagt Busch. Vor allem, wenn der Druck steigt. „Ich persönlich finde: Lindner soll sich lieber mal um die Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien kümmern. In der Vergangenheit ist das viel zu sehr verschlampt worden.“

Wintershall Dea will bis 2035 in Völkersen bleiben

Die Förderung im Erdgasfeld Völkersen bei Verden verlaufe dicht am Trinkwasserschutzgebiet, sagt Busch. Auch die Angst vor weiteren Erdbeben ist da, zudem die Frage, wie und ob das fürs Fracking benötigte und hinterher vergiftete Wasser aufbereitet werden kann.

Busch und seine Initiative sind in Alarmbereitschaft. Aber es gibt auch mittelfristige Sorgen: Der Konzern Wintershall Dea, der in Völkersen fördert, will laut Busch noch bis 2035 bleiben. „Die Frage ist: Was passiert danach? Kommt dann das Fracking? Und was passiert mit den dicht gemachten Bohrlöchern?“ All das gehe in der aktuellen Debatte unter. Die Angst vor dem kalten Winter überwiege.

Busch hat daher die Erklärung „Fracking klar ablehnen“ mit unterzeichnet, die Ende Oktober unter anderem die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlicht hat. Fünfzig Umweltverbände und Initiativen wenden sich darin an Bundesministerien und Öffentlichkeit und fordern ein „vollständiges und zeitunabhängiges Fracking-Verbot“. Mit Fracking könnte die aktuelle Energiekrise nicht gelindert werden, vielmehr würden Klima, Umwelt und Gesundheit der Menschen langfristig geschädigt.

DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagt in der Erklärung: „Es würden Jahre vergehen, bis signifikante Mengen gefördert werden könnten. Zudem wäre es eine absolute Fehlinvestition: Wir wollen bis 2045 Klimaneutralität erreichen.“ Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt ergänzt: „Der Wasserverbrauch von Fracking ist enorm. Gerade nach einem erneuten dramatischen Dürrejahr wie 2022 wäre es grotesk, diesen Aspekt zu ignorieren.“

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