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Verhandlungen von Union und SPDKoalition unterstellt Erwerbslosen pauschal Faulheit

Die künftige schwarz-rote Regierung will schärfere Strafen: Erfahrungen beim Bürgergeld aber zeigen, dass komplette Sanktionen kaum einlösbar sind.

Neoliberales Herrschaftsinstrument: die Agentur für Arbeit Foto: Sina Schuldt/dpa

Berlin taz | Es ist der neue schrille Sound im Sozialstaat: „Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten können, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen“, hat Union-Spitzenkandidat Friedrich Merz wiederholt angekündigt. In den Koalitionsverhandlungen haben sich Union und SPD darauf geeinigt, dass Sanktionen für vermeintliche Arbeitsverweigerer „verschärft“ werden sollen. Wer wiederholt „zumutbare Arbeit“ verweigert, dem droht künftig „vollständiger Leistungsentzug“. So steht es in dem Papier der zuständigen Arbeitsgruppe.

Die Scharfmacherei wird die Stimmung in den Jobcentern versauen und auch sonst zu nichts Gutem führen. Denn es gibt Erfahrungen mit den Sanktionen, auch zuletzt im Bürgergeld. Dort hatte im März 2024 Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Sanktionen bei angeblicher Arbeitsverweigerung von Bürgergeld-Empfänger:innen bereits verschärft, auch durch den Druck der Union.

Der Regelsatz im Bürgergeld konnte ab März 2024 vollständig für zwei Monate gestrichen werden, wenn erwerbsfähige Leistungsempfänger:innen, die zuvor schon wegen Pflichtverletzungen sanktioniert worden waren, weiterhin eine „zumutbare Arbeit“ nicht aufnehmen, so steht es im Paragraf 31a im Sozialgesetzbuch II. Die Übernahme der Wohnkosten durfte dabei nicht versagt werden.

Diese „Totalverweigerer-Sanktion“ im Bürgergeld spielte aber „nach bisherigen Erfahrungen in der Praxis kaum eine Rolle aufgrund des nicht einlösbaren Tatbestandes,“ heißt es in einem Beitrag der Autoren Johannes Greiser, Richter am Sozialgericht Osnabrück, und André Oberdieck, Landkreismitarbeiter im Fachbereich Jobcenter in Göttingen. Der Beitrag findet sich im aktuellen Themenheft „Zwei Jahre Bürgergeld in der Praxis“ des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge.

„In der Praxis kaum durchführbar“

Der „nicht einlösbare Tatbestand“ bei den sogenannten „Totalverweigerer-Sanktionen“ liegt unter anderem darin, dass vor und während einer Komplett-Streichung des Regelsatzes „die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden muss“, so der Paragraf 31a, auf den Greiser und Oberdieck verweisen.

In der Praxis bedeutet dies, dass das Jobcenter bei einer solchen kompletten Sanktionierung nachweisen muss, dass der abgelehnte Job vor und während der Leistungskürzung weiterhin von einem bereitwilligen Arbeitgeber zur Verfügung stünde, also ohne weiteres sofort angenommen werden könnte. „Solche Nachweise sind in der Praxis kaum zu führen“, sagt ein Mitarbeiter eines Jobcenters der taz, der nicht namentlich in Erscheinung treten will.

Das Tatbestandsmerkmal „willentlich“ im Gesetz sei eine weitere Hürde für die Sanktionierung, schreiben Greiser und Oberdieck. Willentlich bedeute „mit voller Absicht“. „Es muss dem/der Leistungsberechtigten also gerade darauf ankommen, die Aufnahme der Tätigkeit zu vereiteln“, so die Autoren. „Die Beweisführung dürfte für die Jobcenter sehr schwierig sein.“ Eine Arbeitsaufnahme käme etwa dann nicht zustande, wenn sich Leis­tungs­be­zie­he­r:in­nen beim Anschreiben oder beim Bewerbungsgespräch dem Arbeitgeber bewusst ungünstig präsentieren.

In einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2006 (Aktenzeichen B 7a AL 14/05 R) erkannte das Gericht, dass ein „Bewerbungsschreiben einer Nichtbewerbung gleichzusetzen ist“ und damit eine Sperrzeit auslösen könne, wenn für den Bewerber klar sein muss, „dass ihn ein verständiger Arbeitgeber schon wegen des Inhalts oder der Form des Bewerbungsschreiben aus dem Bewerbungsverfahren“ ausschließe.

Im Röckchen zum Amt

Ein arbeitsloser Diplom-Ingenieur hatte auf Aufforderung des Arbeitsamtes ein eher abschreckendes Bewerbungsschreiben verschickt, dass der erboste Unternehmer an das Arbeitsamt weiter leitete mit dem Hinweis, der Bewerber habe offenbar überhaupt kein Interesse an der Tätigkeit als Disponent. Der Bewerber hatte in dem Anschreiben unter anderem erklärt, in einem bestimmten Arbeitsbereich weder Ausbildung noch Berufspraxis zu haben und „dies auch keine Wunsch-Tätigkeit wäre“. Das Gericht urteilte, „die Aufzählung besonders nachteiliger Umstände, die in keinem Zusammenhang mit der zu erbringenden Arbeitsleistung stünden“, sei „nicht gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber nicht danach gefragt“ habe.

Wie wandelbar solche Einschätzungen sind, zeigt ein Blick in die Beiträge des „Erwerbslosen-Forums“. Dort gab es mal eine Diskussion darüber, ob das Jobcenter bewusste Arbeitsverhinderung unterstellen könne, wenn man im Bewerbungsgespräch darauf hinweise, dass man zu einem abgelegenen Arbeitgeber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen müsse, da man kein Auto besitze. In der Regel unterstellten die Arbeitgeber solchen Bewerbern dann potentielle Unzuverlässigkeit und sortierten sie aus, sagte ein Diskutant.

In den 80er Jahren im alten Westberlin gelang ein Langzeitarbeitsloser zu gewissem Ruhm in der Szene, der grundsätzlich im Röckchen zum Arbeitsamt ging – das Röckchen konnte ihm niemand verbieten. Die Zahl der Jobangebote hielt sich in Grenzen. Heute wäre das Röckchen möglicherweise kein Thema mehr. Wer im Bewerbungsgespräch die immer wieder kehrenden Rückenschmerzen erwähnt oder auf die Depressionen oder fehlende Vorerfahrungen hinweist, ist möglicherweise einfach nur ehrlich und kein Verweigerer.

„Das Problem ist nicht die Unwilligkeit oder die Willigkeit der Bewerber, die meisten sind willig“, sagt Claas Reichert, Disponent in Berlin bei der Zeitarbeitsfirma Arwa, im Gespräch mit der taz. „Das Problem besteht eher darin, dass die Jobcenter Bewerber und Bewerberinnen schicken, ohne vorher überhaupt zu prüfen, ob bei den Menschen die Voraussetzungen für die Arbeit gegeben sind, etwa in der beruflichen Vorerfahrung, in der Qualifikation, in der gesundheitlichen Verfassung.“ Reichert hatte schon 63jährige, die vom Jobcenter für einen Zeitarbeitsjob in der Produktion zu Arwa geschickt wurden. „Aber wenn jemand nicht mehr acht Stunden stehen kann, macht das keinen Sinn“, sagt der Personaldisponent.

Fließende Grenze zwischen Nicht-Wollen und Nicht-Können

Bei Arwa sprechen auch Menschen vor, die ganz offen angeben, nur aus Verpflichtung dem Jobcenter gegenüber zu kommen, die sich aber als ungeeignet für den Job halten und nur die schriftliche Bestätigung brauchen, dass sie bei der Firma waren, sich also der Bewerbung nicht entzogen haben. „Die kriegen die Bestätigung, das kommt öfter vor“, sagt Reichert.

Eine bewusste Verweigerung trotz Eignung für den Job kann das Jobcenter eher nachweisen, wenn die Arbeitslosen zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet werden, auch zu Ein-Euro-Jobs, und diese dann ablehnen. In einer fachlichen Weisung an die Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit vom Oktober 2024 werden die Ver­mitt­le­r:in­nen aufgefordert, Langzeitarbeitslosen, die unter Verweigerungsverdacht stehen, vorrangig Ein-Euro-Jobs aufzudrängen. Die Ablehnung einer solchen Maßnahme kann zur Sanktion führen.

Im sozialen Bereich ist die „Zwangsarbeit“ der Hel­fe­r:in­nen für die Kli­en­t:in­nen dann aber unangenehm. „Man fühlt sich schon etwas blöd, wenn der Helfer klagt, er sei nur wegen der Verpflichtung vom Jobcenter da, um Kürzungen beim Bürgergeld zu vermeiden“, erzählt eine Rentnerin aus Berlin-Tempelhof, die wegen einer zwischenzeitlichen Gehbehinderung von einem Ein-Euro-Jobber eines gemeinnützigen Trägers beim Einkauf begleitet wurde. Der Mann meldete sich alsbald krank. „Wenn jemand einen Job partout nicht will oder nicht kann, lässt er sich krankschreiben“, sagt der schon oben zitierte Jobcenter-Mitarbeiter.

Die Grenze zwischen Nicht-Wollen und Nicht-Können ist ohnehin fließend. „Zu bedenken ist, dass es einen nicht unerheblichen Teil von Menschen im Transferleistungsbezug gibt, die aufgrund psychischer Dispositionen gehemmt sind, sich in den Verpflichtungsrahmen des SGB II einzupassen“, schreiben Greiser und Oberdieck. Immerhin steht im Arbeitsgruppenpapier bei den Koalitionsverhandlungen, dass die „besondere Situation“ von „Menschen mit psychischen Erkrankungen“ bei einer möglichen Sanktionierung berücksichtigt werden soll.

In den Anfängen des Bürgergeldes im Jahre 2023 wurde vor allem auf die Qualifikationsmöglichkeiten, auf Kooperation der Langzeitarbeitslosen mit den Jobcenter-Mitarbeiter:innen Wert gelegt. Der Wind hat sich gedreht. „Von der gerade stattfindenden politischen und trägerübergreifenden Debatte wird es letztlich abhängen, was von der Startaufstellung des Bürgergeldes übrig bleiben wird“, schreiben Greiser und Oberdieck.

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33 Kommentare

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  • Meiner Meinung nach ist eher Rache am politischen Gegner das treibende Motiv. Diesen verordnet man unter den vermeintlich faulen Erwerbslosen, die ihre freie Zeit zum übermäßigen kritisieren nutzen. Ich erinnere an die entlarvende gemurmelte Antwort an Gegendemonstraten von Haselhoff vor einem Jahr: Wie "Geh' du malarbeiten" [1].



    Ganz nach dem Motto: In einem Vollzeitjob findet kaum noch mehr die Energie und Zeit zu demonstrieren.

  • Die wahren Sozialschmarotzer sitzen nicht in den Sozialämtern, sondern im Bundestag: CDU/CSU Bonzen – weit rechts außen – und die Spezialdemokratische Funktionärsclique leben seit Jahrzehnten steuerfrei auf Kosten der Bürger. ..zahlen keinen Cent in die Renten- oder Krankenversicherung ein, kassieren aber nach vier Jahren satte Pensionen. Nebenbei erhöhen sie sich selbst die Gehälter – aktuell auf fast 12.000 € im Monat. Und jetzt? Jetzt wollen sie die Schwächsten der Gesellschaft noch weiter ausquetschen. Doch solange die Mehrheit so dumm ist und diesen privilegierten Klüngel weiterwählt, wird die AfD ungebremst wachsen.

    • @James6498:

      Die eingenhändige Erhöhung der Bezüge sehe ich auch kritisch. Aber die paar hundert Abgeordneten sind sicher nicht das Problem, da sie ja arbeiten und die Bezüge erhalten auch die Linken Abgeordneten?



      Sie meinen, Abgordnete sollen von Luft und Liebe leben und dabei gerne ihre berufliche Basis aufgeben (sowie folgend ihre FAmilienfürsorge), um dann selbst beim Amt zu landen?

  • Kein Wunder, dass dann mehr Geld für Verwaltung und Schurigelung ausgegeben wird als für die Bedürftigen.



    War da nicht mal dieser ... Bürokratieabbau? Hier wäre er am Platze.

  • Die ganze Zielrichtung ist sowieso völliger Irrsinn, nicht nur aus ethischer Sicht, sondern auch rein ökonomisch, weil einerseits Erwerbsarbeit nicht per se zum Gemeinwohl/Wohlstand beiträgt und andererseits die gesellschaftlich notwendige Arbeit zum großen Teil unbezahlte Arbeit ist. Die dann nicht mehr gemacht werden kann, wenn Menschen in die Erwerbsarbeit gezwungen werden.

    • @Eric Manneschmidt:

      Doch, der Erwebsarbeiter trägt das Gemeinwohl. Wer sonsst bezahlt Schulen, Straßen, Krankenkassen etc.? Der Beerensammler kann das eher nicht?



      Die soziale Arbeit in Familie, Gemeinde, Stadt etc. wird von Arbeitnehmer erbracht. Also zusätzlich zur Erwerbsarbeit?



      In einer Argrargesellschaft wird nur getauscht und für die Care-Arbeit gibt es genau: nichts!

  • Bei dieser Diskussion muss man doch eines sehen: Etwa 30% der Bevölkerung leben im bescheidneen Rahmen. Diese Menschen haben durch Wohnsituationen doch regelmäßigen Kontakt und sehen, wer arbeitet und was man so den lieben langen Tag tut oder eben auch nicht?



    Kontakt zu "CumEx" Betrügern o. ä. hat man doch eher nicht?



    Der Unmut speist sich also eher aus eigener Beobachtung!?

    Man muss chon auch fragen, wie unsere Gesetzte gemacht sind? Wenn es quasi "unmöglich" ist, eine ungerechtfertigte Ablehnung zu beweisen, dann muss das Gesetzt so geändert werden, dass diese regelbasiert nach 3-10? Ablehnungen eines zumutbaren Jobs durch den zukünftigen AN als "nachgewiesen" gilt? Oder doch 1:1 Begleitung des AL?

    Unabhängig davon kann man Steuerhinterzieher herausfinden und bestrafen und das Steuergeld einkassieren. Aber diese Verknüpfung lenkt nur ab davon, dass es eben genau diese Verweigerer gibt.

    Übrigens: tatsächlich dauerhaft Kranke legen das Attest vor und brauchen kein Röckchen, dummes Anschreiben oder was auch immer...



    Und: Auch die Vorschläge des Amtes sollte nachweislich geeignet sein. Auch hier hört man von "Versagen". Sprich, unqualifizierten oder fehlenden Angeboten.

    • @Ansu:

      *Wenn es quasi "unmöglich" ist, eine ungerechtfertigte Ablehnung zu beweisen, dann muss das Gesetzt so geändert werden, dass diese regelbasiert nach 3-10? Ablehnungen eines zumutbaren Jobs durch den zukünftigen AN als "nachgewiesen" gilt?*



      Da widerspreche ich. Und verweise auch auf meine Antwortkommentare unter @Šarru-kīnu. Die Legislative entscheidet über Gesetzesänderungen. Das BVerfG entscheidet gegebenen Falls über die Zulässigkeit von Änderungen in Bezug auf die Rechtsordnung, begründet im GG. Natürlich spielt die tatsächliche Erfüllbarkeit von gesetzl. Regelungen eine ganz wichtige Rolle. Aber die dürfte bei weitem nicht das erste u. bestimmende Kriterium z. B. für die Entscheidungen eines BVerfG sein. Allein die komplizierte Umsetzung einer durchs BVerfG gesetzten Regelung entbindet die Exekutive nicht davon, ihre Vollzugsdefizite zu beseitigen. Und wenn sich beim Vollzug herausstellt, dass es dann nach den Regeln des BVerfG nur sehr wenige Fälle gibt, auf welche diese Regelungen zu treffen, dann besagt das erst mal das. Der Vollzug der Regel als Aufdeckung der Regelverstöße steht auf einem anderen Blatt.

  • Wer Arbeitslosengeld II bezieht, ist zunächst ein Mal so knapp bei Kasse, dass mehr oder weniger ein Gefühl der Isolation und der Chancenlosigkeit eintritt. Jeder ALG-II_Bezieher entwickelt daher Überlebensstrategien und damit ist gemeint, den Monat schaffen, das eigene Leben am Laufen halten.



    Die Jobsuche kann in so einer Lebenssituation gar keine Priorität mehr haben.



    Und dann stimmt der Bescheid vielleicht nicht. Die Beratungsgespräche zielen immer auf eine direkte Integration in den Arbeitsmarkt, d.h. ein schlechtbezahlter Job bei einem Supermarkt beendet die Leistung oder wenig.Teile der Leistung, ist also gut, entsprechend laufen die Beratungen ab.

    Wer echte Hindernisse, wie Krankheit, Kinder, geschieden und alleinerziehender Status inne hat, der kommt aus der Mühle gar nicht mehr raus. Insofern ist das alles sehr verlogen und eine Strategie hohen Reichtum zu rechtfertigen, nicht aber Armut und Arbeitslosigkeit zu beenden.

    Die SPD hat darüber schon mal eine gewaltige Delle abbekommen, wenn sie dabei bleiben, könnten sie bald aus den ersten Landtagen fliegen und mit der 5-Prozent-Hürde beim Bund Schwierigkeiten erhalten. Die Idee der 'schlechten' Armen zieht einfach nicht.

  • Das Problem ist, dass Konservative oftmals hinter ihrem Audi-Steuer so weit entfernt von den betroffenen Menschen sind, dass sie die wahren Probleme überhaupt nicht mehr kapieren und ihre Politik allein auf Vorurteilen und Parteitagsstimmung aufbauen. Das betrifft insbesondere die Felder Migration und Sozialrecht. Das kann nur ins Auge gehen.

  • Die Schilderung wie schwer so eine Totalverweigerung nachweisbar ist, relativiert dann aber natürlich die immer wieder gebetsmühlenartig wiederholte sehr niedrige Anzahl an solchen Fällen, die es angeblich nur geben würde.

    • @Šarru-kīnu:

      update headline:



      "Koalition und Sarru-kinu unterstellen Erwerbslosen pauschal Faulheit"



      Die "niedrigen Fallzahlen" kommen vom Amt, die werdens ja nu wissen. Oder will mer jetzt Frau Nahles (SPD) angreifen und rumraunen, daß die ihren Laden ned im Griff hat?

    • @Šarru-kīnu:

      Stimmt schon aber: BVerfGE leitet seine Kriterien darüber, was den Fall einer Totalverweigerung erfüllt aus dem grundsätzlichen Recht ab. Die da entstehenden Schwierigkeitsgrade der Kriterien selbst u. ihrer Erfüllung, müssen außen vor bleiben. Recht ist Recht und richtet sich also auch nicht nach der Zahl „von irgendwem“ erwünschter Fälle. Ob einer in fünf Jahren oder fünfhundert. Nicht erfasste Fälle sind ein Problem der Erfüllung des Rechts, nicht der Rechtsprechung. DA allerdings liegt ein Problem. Das aber dahingehend, dass die Erfüllung den gesetzten Kriterien folgt! Die Dunkelziffer bleibt (empirische) Einschätzung der Zahl der Fälle nach Zahl aber vor allem nach ihrer ART. Man weiß nicht welche Fälle tatsächlich „zutreffen“, bevor sie „abgeurteilt“ wären. Die Gefahr ist zweifach: Teile der Bevölkerung beurteilen Totalverweigerung (fast) gar nicht nach den genannten Bedingungen, sondern nach dem „intersubjektiv“ hergestellten Maßstab einer Faulheit, deren Kriterien außerhalb dieser Bedingungen liegen. Es ist aber wohl so, dass „die Politik“ zwar einerseits rechtskonform handeln muss, sich aber doch populistisch treiben lässt und gleichzeitig „Strafwünsche“ erfüllen will.

    • @Šarru-kīnu:

      Ich mache als Anwalt schwerpunktmäßig Sozialrecht. Die Fälle von Totslverweigerern sind wirklich sehr selten. Mir ist in 23 Jahren kein einziger vorgekommen. Würde sich ein solcher Betroffener bei mir melden, wäre es auch ein dankbarer Fall, für den ich aufgrund der gennannten Tatbestandsprobleme wohl sehr sicher Prozesskostenhilfe bekäme. Der ganze Ansatz ist Quatsch. Finanziell interessanter für den Staat wäre es z.B., Schwarzarbeit von Aufstockern konsequent zu verfolgen. Aber dagegen sind dann auch die Arbeitgeber plötzlich wieder, welch Wunder!

      • @hedele:

        Hintergrund: Bin ehml. Langzeitarbeitsloser u. stimme zu, die ganze Diskussion um sog. Totalverweigerer geht an gesellschaftlichen u. individuellen Realitäten (absichtlich) vorbei („Quatsch“). Es geht m. M. n. darum, Schuldzuweisungen u. Bestrafungswünsche gerichtet an die Arbeitslosen Wirklichkeit werden zu lassen, die sich Faulheitsphantasien über sie begründen. So gesehen ist es vordergründig paradox, wenn ich sage, dass das Urteil des BVerfG als Anerkennung der „Totalverweigerung“ als Tatbestand bei sehr eng gezogenen, kompliziert zu verstehenden Grenzen vielleicht sogar mehr Vernunft in die Debatte bringen könnte. Ich spreche als jur. Laie: Die Regelung, die das BVerfG schuf, besagt doch zuerst, dass es Totalverweigerung zwar tatsächlich gibt, aber nur sehr selten. Aber nicht, weil das BVerfG das einfach mal so definiert, sondern weil die „Realität des Rechts“ das so für die gesellschaftliche Wirklichkeit als rechtliche Realität gegeben sieht! Die Rede solcher Kritiker, die über mangelnde Umsetzbarkeit des Tatbestandes klagen ist zuletzt deshalb nur Ausflucht u. Umgehung von pol. Gestaltungswillen, weil man oben genannte Phantasien bedienen will, nicht die Vernunft.

  • Erst kürzlich gab es Beschwerden, dass die Verwaltung des Bürgergeldes zu viel Geld verschlingt. Und was tut man dagegen? Man treibt durch neue Regeln, die kaum kontrollierbar sind, die Kosten weiter in die Höhe, um dann hier und da ein paar Euro einzusparen. Das ist einfach nur dumm.

    Dazu kommt, dass niemand dadurch eine von der Wirtschaft dringend gesuchte Qualifikation erwirbt, wenn man ihm das Geld kürzt.

  • Die autoritäre Ader von ex CEOs wie Merz ist demaskierend, die totale Negierung von Menschenrechten für Arme und die totale Empathielosigkeit für sozial Degradierte zeigt die NS Tradition durchscheinen und wieder muss darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine soziale Pathologie handelt: Die seelisch Leidenden fürchten wieder massakriert zu werden, wo doch klar ist, dass demnächst die KI viele der Bürokratie Jobs der unteren Mittelschicht einsparen werden, die gesellschaftlich Druck Hierarchie nimmt zu: es soll nach Unten getreten werden und die Sozen machen mit, das treibt jegliche egalitäre Demokratie aus den sozialen Räumen . Fazit : die Autokratie des Besitzstands Feudalismus feiert Urstände ( Bullshit Jobs werde zu Sadisten Buden). Die Frauen, die weiterhin die soziale Druckausgleich-Fürsorge umsonst liefern sollen, werden da sicher noch mehr Gewalt erleben.Es lohnt sich da über massive soziale Streiks gegen die Wiederkehr der autoritären Pathologie nachzudenken:Denn es werden sicher auch die aufgezogenen AfD Beamten weiter blindwütig abschieben, egal ob es autoimmun gegen die Interessen der eignen Leute geht,wie bei den Kolumbianischen Pflegenden im Demenzheim neulich!

  • "Faulheitsverdacht über Erwerbslose" wegen schärferer Gangart?



    Ich sehe eher das Gegenteil. Indem man die wenigen "Faulen", und es sind wenige, strenger reglementiert, steigert man die Akzeptanz für die vielen, und es ist die überwiegende Mehrheit, welche wirklich Hilfe brauchen. Wenn man weiß, dass die Steuergelder auch nur bei denen ankommen die wirklich Hilfe brauchen, klingen die Stammtischparolen gegen die Hilfsbedürftigen schnell wieder ab.



    Jedoch sind die dafür notwendigen Maßnahmen und Kontrollen so zu gestalten, dass sie nicht für die Anständigen zur Last werden.



    Ich habe diese Hilfe nie gebraucht und bin dankbar dafür. Dass den ehrlichen Menschen mit meinem Steuergeld geholfen wird ist meine Bürgerpflicht und ich finde es gut und richtig. Die wenigen "Faulenzer" will ich nicht finanzieren, das Geld gönne ich den Anständigen viel mehr.



    Deshalb finde ich eine Verschärfung der Sanktionen richtig, wenn es nicht auf dem Rücken der Anständigen stattfindet.

  • Ist es sozial, wenn man arbeiten könnte, aber andere für sich arbeiten lässt?

  • Da kann ich ja nur alle Journalisten auffordern die spitzen Bleistifte zu zücken und intensiv über die Korruption, Finanzjonglage und Vetternwirtschaft unserer politische Lichtgestalten zu berichten.

    Das Ganze hat nur ein Risiko: Die Politikverdrossenheit wird dann noch weiter zunehmen und weitere Wählerscharen den Rechten in die Arme treiben

  • Manche gehen von ek einem sehr positiven Menschenbild aus, manche von einem zu schlechten.



    Wie immer, Frau Dribbusch liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Ich habe in meiner "Kleinfirma" etwa 50 Bewerbungsgespräche geführt. Ja, die allermeisten wo,,ten den Job der angeboten war. Aber glauben Sie mir auch: Es war keinesfalls nur ein "verschwindend geringer Anteil" der den Job einfach gar nicht wollte. Von "das ist mir zu stressig", über "spätestens um 10:00 den Vorstellungstermin, meine Kumpel warten ab 101:00 in der Spielhalle" (das war das Extremste, geb ich zu), bis "ich glaube Sie können es sich gar nicht leisten mich einzustellen " .... ist da schon einiges geboten. Und ja, auch "ich brauche nur mal schnell eine Unterschrift dass ich hier war" war natürlich auch dabei.



    Und richtig.... wie soll das als Agentur handhaben? Keine Ahnung. Wir müssen wohl eine Grundarbeitslosigkeit anerkennen. Bei manchen Leuten scheint es auch für jeden Betrieb besser, die nicht einzustellen.



    Und nein, bevor Fragen aufkommen: Mein Beitrag ist keine Satire. Wers nicht glaubt: Firma gründen, Leute einstellen. Es gibt nix was es nicht gibt.

    • @Tom Farmer:

      Warum hat sich eigentlich "die Wirtschaft" nie mal lautstark drüber aufgeregt, daß die mit Sinnlos-Bewerbungen und -sgesprächen zugeschissen werden? Und warum sortiert ned das Amt vor?

      • @Hugo:

        Meinen Sie das brächte was? Glauben Sie, daß würde was ändern, so ein Aufschrei?



        Die Wirtschaft ist meist sehr froh, derlei Gespräche rasch abzuhaken und die Stelle proaktiv zu besetzen, ohne Agentur Unterstützung. Agenturkontakt ist immer das letzte Mittel, wenn man auf den normalen Wegen niemand findet. Letztlich kommen da immer die eher schwierigen Fälle.



        Meine Frau hat mal angerufen was denn da für eine Kandidatin geschickt wurde? Die nehmen das zur Kenntnis. Mehr nicht. Dann rufst du auch nicht mehr an, wenn nicht konstruktiv nachgefragt wird.

        • @Tom Farmer:

          Haja, die Leute müssen sich bewerben, kriegen bestimmt auch heutzutage (bin vom Amt incl. 5 Jahre Langzeitarbeitsloseneingliederungstrallala was die auch zammgekürzt haben seit 2 Jahren weg) noch nen Packen Zettel mit Stellenangeboten die abzuarbeiten sind. Eigentlich wärs die Aufgabe vom Amt, vorzusortieren und wemmer Spezialfälle unterbringen will (bin da auch einer *lol*), ist dann eben das Amt im Zweifelsfalle Mutti für die Probanden.

  • Aus der Frankfurter Rundschau vom 13.3.25: "(...) Bürgergeld-Diskussionen: Mann erklärt, wer seiner Meinung nach die „tatsächlichen Sozialschmarotzer“ sind



    Geht es in der Bürgergeld-Diskussion wirklich um „Sozialschmarotzer?“, fragt ein Mann auf Linkedin. „Es geht darum, davon abzulenken, wo man die tatsächlichen Sozialschmarotzer findet: viel weiter oben“, kommentiert der Unternehmensberater Jürgen Schöntauf. „Sozialschmarotzer“ seien die, die „jährlich 100 Milliarden an Steuern hinterziehen“ würden, findet er.

    Durch Steuerhinterziehung verliert der Staat sogar über 200 Milliarden Euro Steuern im Jahr, sagt Florian Köbler BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Er ist der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG). Damit kostet Steuerhinterziehung den Staat tatsächlich viel mehr als Bürgergeldbetrug. Der reine Leistungsmissbrauch beim Bürgergeld belief sich 2022 auf 272,5 Millionen Euro, wie die Bundesagentur für Arbeit dem MDR mitteilte. (...)"

    www.fr.de/wirtscha...1bd8c3b3df247db11c

    So viel Klarheit muss bei diesem Thema sein!

    • @Thomas Brunst:

      Schwarzarbeit verursacht jährlich 54 Milliarden Schaden, die sind in dem Btrag mit drinn, die zu unrecht Erhaltenen Sozialleistungen noch nicht.



      Schwarzarbeit soll ja der Klassenkampf des kleinen Mannes sein.

    • @Thomas Brunst:

      Am vom Staat gnädig zugeteilten Existenzminimum lässt sich auch gar nicht viel Geld durch Betrug erwirtschaften. Jeder freundliche Tip vom Bankberater für den netten Millionär von nebenan hat dazu mehr Potential.

    • @Thomas Brunst:

      Jo, es ist Klassenkampf von oben, moralisch gerechtfertigt mit einem vermeintlichen straffen Regeln gegen arme Menschen. Inwiefern die in Lohn und Brot sind, dürfte dabei zweitrangig sein.

    • @Thomas Brunst:

      Sie haben absolut Recht mit dem was Sie schreiben. Die Steuerschmarotzer kosten uns als Gesellschaft sehr viel mehr. Nur kann man bei einer Verfehlung der einen nicht die Augen zudrücken, weil andere was viel Schlimmeres machen. Aus meiner Sicht muss sich um beides gekümmert werden. Ich vermute, dass viele Menschen, gerade im unteren Gehaltsbereich, die "Sozialschmarotzer" wütender machen, da diese in ihren täglichen Leben näher stehen (vielleicht Bekannte oder Verwandte), als Superreiche oder Unternehmen, die Steuern hinterziehen. Man kennt halt jemanden oder hat von jemandem gehört. Ich denke es geht eher um ein Gerechtigkeitsgefühl, als um die Kosten.

  • Wie beim Thema Migration so auch bei Arbeitslosigkeit: Klischees werden bedient, um "denen da unten" Sand in die Augen zu streuen. Spätenstens seit der Agenda 2010 ist die Ahnung enorm gewachsen, dass Arbeitslosigkeit im Grunde jeden erwischen kann. Und man dann ganz schnell nach ganz unten stürzt. Mancher fühlt sich wohl besser, wenn er eingeredet bekommt, andere seien einfach zu faul, zu dumm, zu dreist. Und damit ganz anders als man selbst.



    Natürlich gibt es die "faulen Dummdreisten". Die hat es immer gegeben und wird es immer geben. Sie sind aber die absolute Minderheit, wie zahlreiche Statistiken der letzten Jahrzehnte belegen. Nutzt nur nichts, in diesen postfaktischen Zeiten werden auch Lügen geglaubt, wenn man sie nur oft genug wiederholt. Traurig.

  • Alle sprechen hier von den wenigsten, die überhaupt nicht arbeiten wollen, implizierend, der Großteil soll nicht gegängelt werden. Ist richtig, bedeutet aber in meinen Augen, dass die Arbeitsunwilligen unter den Tisch fallen gelassen werden können und womöglich selbst schuld seien.

    Arbeitsunwilligkeit oder Faulheit sollte generell kein Verbrechen sein, sondern ein Recht. Fürs Nichtstun Bürgergeld zu bekommen sehe ich als richtig an. Der Mensch kann auch anders produktiv sein, z.B. im informellen Sektor, die Hobbyausübung, oder soziale Kontakte in einer Kneipe pflegen. Der Großteil wird weiterhin Arbeit als Zeitbeschäftigung verwenden, die Arbeitsunwilligen sollten in Ruhe ihr Leben weiterleben.

  • Das muss ja lösbar sein. Dann muss ins Gesetz halt rein, dass der Nachweis vom Amt nur in zumutbarer Größe erbracht werden muss etc.

    Die CDU mag an der einen oder anderen Stelle über das Ziel hinausgehen. Bei der TAZ und den Linken kann man aber sicher sein, dass sie das Problem gar nicht erst sehen geschweige den lösen wollen. :)

  • Die wiederkehrenden Debatten um eine staatliche Grundversorgung, ob sie nun Bürgergeld oder anders genannt wird, zeigt nur, wie umfassend und folgenreich der seit Jahrzehnten betriebene Lobbyismus für ein (wirtschafts-)liberales Gesellschaftsmodell ist. Wenn es um die internationale Ordnung geht, dann steht der Freihandel im Mittelpunkt. Ob Huthis, Sanktionen gegen Russland oder Trumps Liebe für Zölle, alles was der Idee des Freihandels im Weg steht, gilt per se als schädlich. Dabei nutzen die Advokaten des Freihandels jede Gelegenheit, eigene Vorteile durch Auflagen, Standards und auch Zölle abzusichern. wenn es um nationale Sicherheit, Demokratie, Wohlstand und individuelle Freiheiten geht, dann geht nichts ohne den Hinweis auf den segensreichen Wettbewerb, der alle und jeden zur unternehmerischen Leistung anhält.

    Ausgleichende Umverteilung von gesellschaftlichen Gewinnen und Lasten zum Wohle aller Menschen passen einfach nicht ins Konzept eines liberalen Rechts des Stärkeren. Der Frontalangriff auf ca. 16.000 Totalverweigerer ist ein Generalangriff auf das Model Sozialstaats und soziale Marktwirtschaft, das diesen Sozialdarwinismus noch abzumildern versucht hat.