Verfolgte Uiguren in China: Deutsche Firmen kuschen
Viele deutsche Firmen unterhalten Werke in der Provinz Xinjiang, wo Muslime zu Hunderttausenden weggesperrt werden.
Der Gesetzentwurf, der formell noch über den US-Senat an den Schreibtisch von Präsident Donald Trump gelangen wird und von ihm abgesegnet werden muss, ist ein Weckruf auch für deutsche Unternehmen: Schließlich fordern die amerikanischen Abgeordneten nicht nur finanzielle Repressionen gegen Kader der kommunistischen Partei, sondern auch gegen Firmen, die mit für die Verpflichtung zur Internierung und Zwangsarbeit verantwortlich sind.
Bereits im Sommer hat der unabhängige China-Forscher Benjamin Haas für das Berliner Merics-Institut die Rolle europäischer Firmen in Xinjiang erhoben. Seine Studie ergab, dass rund die Hälfte der 150 größten Firmen aus Europa Geschäftsbeziehungen in der Provinz unterhalten. Wenig überraschend nehmen deutsche Firmen dabei eine besonders prominente Rolle ein. Ob Volkswagen oder BASF– sie alle unterhalten Produktionsanlagen in Xinjiang.
Besonders unter Erklärungsnot steht Siemens. Der Mischkonzern führt seit 2014 ein Kooperationsabkommen mit der „China Electronics Technology Group“ – einem Militärlieferanten, dessen Überwachungstechnologie laut Human Rights Watch benutzt wird, um Uiguren auszuspionieren.
Siemens-Chef auffällig wortkarg
Erst 2017 nahm Siemens CEO Joe Kaeser vom Jüdischen Museum Berlin den „Preis für Verständigung und Toleranz“ für die Vergangenheitsaufarbeitung des Unternehmens entgegen. „Es ist wichtig für mich, dass wir alles dafür tun, dass sich Ungerechtigkeit nicht wiederholt – sowohl in Deutschland als auch auf der Welt“, sagte Kaeser in seiner Rede. Gemessen an seinen Worten ist der Siemens CEO gegenüber den Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang jedoch auffällig wortkarg.
Nun werden jedoch auch unter Bundestagsabgeordneten Stimmen lauter, dass Deutschland dem Sanktionsgesetz der USA folgen sollte. „Persönliche Sanktionen gegen die lokal Verantwortlichen fordere ich auch“, sagte Katrin Göring-Eckardt, die vergangene Woche in Peking zu Besuch war. Kontos einfrieren, Reisemöglichkeiten beschränken – am Beispiel Russlands könne man sehen, dass man mit persönlichen Sanktionen durchaus etwas erreichen könne.
VW-Chef wollte von Lagern nichts gewusst haben
Sanktionen gegen deutsche Unternehmen lehnt Göring-Eckardt zwar ab, sagt aber auch: „ Wenn man wie im Fall von VW auf Diversität in Deutschland pocht und hier in China so tut, als ob man eine Minderheit nicht kennt, geht das einfach nicht.“ Sie spielt auf ein PR-Desaster an, das sich Volkswagen-Chef Herbert Diess im April auf der Automesse in Schanghai lieferte. Als ihn ein Journalist der BBC mit der Menschenrechtslage in Xinjiang konfrontierte, entgegnete Diess, ihm sei die Existenz der Inhaftierungslager „nicht bekannt“. Man bemühe sich, einen Beitrag zur Entwicklung der Region zu leisten, heißt es. 2013 eröffnete der deutsche Autobauer ein Werk in Xinjiang mit 650 Mitarbeitern.
Warum deutsche Firmen wie VW investieren, ist ein offenes Geheimnis: Die chinesische Regierung forciert seit Jahren die Entwicklung der wirtschaftlich abgeschlagenen Region, die auf der Route der neuen Seidenstraße liegt. Die Kommunistische Partei drängt auch ausländische Unternehmen, dort zu investieren. Ob dies unmoralisch ist, lässt sich nicht leicht beantworten, wie die Argumentation von VW verdeutlicht: Man sichere dort schließlich Arbeitsplätze. Rund ein Viertel der Mitarbeiter würden den Minderheiten angehören. Im Werk gebe es einen Gebetsraum für Muslime. Und dass die Uiguren bei VW unter Zwang arbeiten würden, weist das Unternehmen zurück.
Zudem muss man dem Autobauer zugutehalten: Als dieser das Werk 2013 eröffnete, war die katastrophale Entwicklung der Menschenrechtslage keinesfalls abzusehen.
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