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Verfassungsschutz ThüringenDiese Crêpes sind zu heiß

„Black Kitchen“ bekocht linke Protestierende – und schafft es damit in einen Landesverfassungsschutzbericht. Die Gruppe will nun dagegen klagen.

All Crêpes are beautiful? Nicht für den Thüringer Verfassungsschutz Foto: Silveri/plainpicture

Berlin taz | Martin Michel kocht gern Kürbissuppe oder brät Gemüsepfannen, und das in großem Stil: für Hunderte Hungrige – widerständische Hungrige. Denn Michel kocht mit einem Team namens „Black Kitchen“, einer linken Soli-Küche aus Thüringen. Zuletzt etwa bei den Protesten von Ende Gelände oder dem Klimacamp im Leipziger Land.

Für Michel ist das längst Routine. Der Endzwanziger und sein „Aktionskochkollektiv“ verpflegen linke Protestierende schon seit den Demos gegen den G7-Gipfel in Elmau 2015. Nun brachten sie es damit zu einem Novum: „Black Kitchen“ ist nach eigener Auskunft die erste vom Verfassungsschutz beobachtete Soli-Küche, seit Kurzem gelistet beim Thüringer Geheimdienst.

Die Gruppe, in Jena beheimatet, nahm das mit großer Verwunderung auf. „Wir sehen das etwas belustigt, aber eigentlich ist es ernst“, sagt Michel. „Denn wenn schon Gruppen, die nur Essen kochen, überwacht werden, dann ist keiner mehr sicher vor diesem Staat.“

Der Thüringer Verfassungsschutz wirft „Black Kitchen“ in seinem aktuellen Jahresbericht vor, sich aus „radikalen Linken“ und „AnarchistInnen“ zusammenzusetzen. Zitiert wird die Selbstdarstellung: Man koche nicht für „reformistische Kackscheiße oder reaktionäre Arschlöcher“, sondern stelle die „Essensversorgung für radikale und emanzipatorische Kämpfe“. Oder: „Wir wollen kein Stück von eurem Kuchen, wir haben selbst eine Bäckerei.“

„All Crêpes Are Beautiful“

Zentral aufgeführt wird im Bericht des Verfassungsschutzes indes, dass die Koch-Gruppe im August 2018 ihre Beteiligung an Protesten gegen ein Rechtsrock-Konzert im thüringischen Mattstedt ankündigte. Das Problem: Der geplante Pfannkuchen-Stand sollte „All Crêpes Are Beautiful“ heißen – eine Anspielung auf die Schmähung „All Cops Are Bastards“.

Martin Michel schüttelt über all das nur den Kopf. Wegen eines Crêpes-Stands in den Verfassungsschutzbericht? „Der Stand hat am Ende nicht mal stattgefunden, weil das Nazi-Konzert verboten wurde“, sagt Michel. Auch sei der Standname eine Anspielung auf den Prozess gegen eine ihrer Köchinnen gewesen – die 2016 beim Broteinkauf wegen eines Beutels mit dem Aufdruck „All Cats Are Beautiful“ eine Anzeige kassierte.

Und zur politischen Einstufung stehe auf der Webseite doch, dass auch Hippies und „viele liebe Menschen“ mitkochen würden, so Michel. „Das aber hat sich der Verfassungsschutz nicht rausgepickt.“

Der Jenaer hält den Vorgang für ein grundsätzliches Problem: „Wie, bitte schön, bekämpfen wir mit unserem Kochen die staatliche Grundordnung? Ist das jetzt schon zu gefährlich? Trifft es demnächst Lesekreise?“

Es wird weitergekocht

Der Verfassungsschutz und das Thüringer Innenministerium verwiesen auf taz-Nachfrage erneut auf die anarchistische und linksextreme Selbstverortung der „Black Kitchen“. Die Kochtruppe werde aber keinesfalls mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet, sondern nur mittels öffenlich einsehbaren Quellen, versichert ein Ministeriumssprecher. Heißt offenbar: Der Geheimdienst liest schlicht die Webseite von „Black Kitchen“ mit.

Das Interesse an der Gruppe kam zuletzt aber auch von ganz Rechtsaußen. In mehreren Parlamentsanfragen befragte die AfD die Landesregierung nach Linksextremismus in Thüringen – mit der Forderung, dieses „demokratiefeindliche Verhalten“ gehöre „möglichst umfassend aufgedeckt“. Die Landesregierung verwies in ihrer Antwort unter anderem auf „Black Kitchen“ und ordnete die Gruppe unter „undogmatischer Linksextremismus“ ein. Die Soli-Küche sieht ihre „Denunziation“ denn auch als Teil eines gesellschaftlichen Rechtsrucks und „Backlashs gegen alles Linke“.

Kritik daran, dass „Black Kitchen“ im Bericht auftaucht, kommt auch aus der Thüringer Landesregierung. „Der Verfassungsschutz überzieht erneut seinen gesetzlichen Auftrag und kriminalisiert gar noch Gruppierungen, die zu einem bunten Protest gegen ein angekündigtes großes Rechtsrockkonzert aufrufen“, sagt die Linken-Innenexpertin Katharina König-Preuss.

Das Innenministerium fordere doch zu Protesten gegen Neonazis auf, nun aber würden die Protestierenden diffamiert. „Dieser Verfassungsschutz schützt nicht demokratische Kultur, sondern gefährdet sie.“ Wenn selbst ein Crêpes-Stand schon im Jahresbericht lande, „muss man fragen, ob der Verfassungsschutz nicht einen an der Waffel hat“.

„Black Kitchen“ jedenfalls will die Sache so nicht stehen lassen. „Wir werden juristisch gegen den Verfassungsschutz vorgehen“, kündigt Michel an. Es gehe einerseits um die Nennung im Jahresbericht, andererseits um die Frage, wie man tatsächlich beobachtet werde. König-Preuss unterstützt das Vorgehen: Es sei zu begrüßen, dem Verfassungsschutz „in seinem ausufernden Agieren Grenzen zu setzen“.

Und Michel betont, dass natürlich auch weitergekocht werde. Die Planungen für die nächsten Großküchenaktionen im neuen Jahr, etwa auf dem Fusion-Festival, liefen schon. „Das geht weiter, jetzt erst recht.“

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18 Kommentare

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  • "Unser Kollektiv setzt sich aus radikalen Linken, AnarchistInnen, Hippies und vielen lieben Menschen zusammen."



    www.blackkitchen.space/about-us/



    Bubbs wird aus ner radikalen Eigeneinschätzung: "Der Verfassungsschutz und das Thüringer Innenministerium verwiesen auf taz-Nachfrage erneut auf die anarchistische und linksextreme Selbstverortung der „Black Kitchen“."



    Was issn dann "linksradikal" fürn Georg (Maier, IM Thüringen)? Herbert Grönemeyer, Pro Asyl und Viva Con Aqua vermutlich.



    Die SPD war der Quertreiber hier in Thüringen, als es seinerzeit drumging, den Landes-VS abzuschaffen.

  • Sach mal so.

    Hier & bei sojet - Papierflieger-Prozess in Nürnberg



    „Strategie, um uns einzuschüchtern“



    Die Aktivistin Elisabeth Schwermer organisierte 2017 eine Demo vor dem Bamf in Nürnberg, bei der Papierflieger flogen. Nun steht sie vor Gericht.“



    taz.de/Papierflieg...uernberg/!5650149/

    & Da! - Aber Hallo! -



    Da - Freunde der vollen & der leeren Flaschen - Wird der Rechtsstaat nach dieser Republik Schland - nach dem Grundgesetz - unserer Verfassung!



    Verhandelt. Newahr. Nothing else •



    &



    Wo sind wir da mittlerweile gelandet!



    Habe noch das Gelächter zu Friedensbewegungszeiten im tiefsten Westfälisch Sibirien im Ohr.



    Als sich der stadtbekannte - K 14 (pol. Dez) ner - sich über den Tapeziertisch der “Juristen für den Frieden“ aufgreifig beugte & einer flüsterte “Herr N.N.- Sie wissen aber - daß Ihr Abteilungsleiter am Tisch rechts von Ihnen steht!“



    Herrliches Fersengeld.



    &



    Heute - werden hier - sorry - Steigbügelhalter - doch doch - wie Oil of Olaf I. van Gröfimaz II. zu HH G20 -



    Gelinde gesprochen hofiert & gehypt.



    Weil‘se mal nen lichten Moment* für die taz hatten.

    unterm—-* Genossenschaft -



    Der nebenbei bemerkt - zu Zeiten Friedensbewegung des langen & des breiten - wie schon ausgeführt -



    taz.de/Wie-Frauen-...gt-haben/!5647051/



    &



    Meine eine unbeantwortete Frage - an die Pusher di taz Bayernkurier I-Griins.



    &



    taz.de/Das-Geschae...-der-taz/!5646739/



    Bis hin zur Öko-Bank - durchdiskutiert & durchdekliniert worden ist.



    Bis dann die Geistesheroen GazPromGerd Puff-Peter Hartz IV - einschließlich Oil of Olaf &!!! Joschka & Co. - die Grünen - volle Kanne & bis heute - die Genosse & Bourgeois der Bosse gaben & weiter geben.



    La Tuffa Uschi von der Lie-ing läßt a Greenwashing Deal - Grüßen.

  • Ich sach's mal so: „Vielleicht sollte „Black Kitchen“ auch mal das ein oder andere braune Süppchen kochen - dann klappt's auch mit dem Verfassungsschutz.“ «(º¿º)»

  • " Trifft es demnächst Lesekreise?“

    das ist gar nicht so unwahrscheinlich.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Hammer. "All Cats Are Beautiful" geht natürlich gar nicht.

    "HKNKRZ", das geht natürlich.

  • Hat der Verfassungsschutz nichts Besseres zu tun. Vieleicht sich der rechten Szene zu widmen ?



    Aber die gibs ja in Thüringen nicht oder ?

  • Wie wäre es, liebe Genossen wenn ihr den Schuppen vielleicht einfach mal abschaffen würdet? Ach ne ihr seid ja vom FDS...

  • Welche Regierung hat Thüringen nochmal? Union-AfD, oder?

    Und wer ist Ministerpräsident?

    Fragen!

    • @Frank Erlangen:

      Das ist eben eher eine Verwaltungssache und die führt ja bekanntlich ein Eigenleben.

  • Es reicht. Kochen kann nicht demokratiefeindlich sein. Selbst das Kochen für Nazis nicht. Das ist völlig offensichtlich. Man fragt sich ernsthaft, ob bei manchen Sicherheitsbehörden nicht eine völlige Desorientierung herrscht. Die Beobachtung ist nicht nur übertrieben, sondern komplett unbegründet. Und die Qualifizierung das Gruppe als linksextremistisch (und das ist ein juristischer Begriff) durch die Landesregierung selber ist vollends absurd, grotesk und lächerlich. Müssen die echt noch mal alle zur Schulung?

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Das "All Cats Are Beautiful" ist tatsächlich eine sehr eindeutige Anspielung auf A.C.A.B. .. ein Blick auf eine Bildersuche verrät einem das recht schnell. Kein Wunder bzgl. der Anzeige.

    Aber Der VS hat ungeachtet dessen massiv übertrieben. Denen muss sehr langweilig sein wenn sie sonst nichts angeben können. Vielleicht ist das aber auch der dahinter stehende Witz?

    • @83191 (Profil gelöscht):

      Müsste ein Andreas-Christian Alfred Bauer bei einer Abkürzung seines Namens auch damit rechnen, verknackt zu werden...?



      Ja, etwas provokant, ich weiß. Aber wo zieht man die Grenze bei Anspielungen? Ist "All Crepes are Beautiful" verfassungsfeindlich? Während gleichzeitig ein CDU-Mitglied mit Schwarzer Sonne als Tattoo vollkommen tragbar ist? Irgendwo ist da doch eine enorme Schieflage.

    • @83191 (Profil gelöscht):

      Bitte mal Holzhirn einschalten... wo kämen wir denn hin, wenn Menschen für "Anspielungen" verfolgt würden? Wünschst du dir wirklich so eine Denunziations- und Blockwartkultur?

    • @83191 (Profil gelöscht):

      Lächerlich nicht einmal das A.C.A.B. ohne Erklärung ist ohne weiteres als Beleidigung zu deuten und fällt gerichtlich unter "freihe Meinungsäuserung".

      Den Verfassungschutz können wir kaum von den Nazis unterscheiden. *Hust*

      Eine primär Aufgabe des Verfassungschutzes war das überwachen der "Neuen Linken" und der KPD. Wir brauchen uns also nicht wundern das diese Institution rechts ist und schon in mehrere Skandale diesbezüglich verwickelt war. Stichwort NSU.

  • RechtSStaat - & Masel tov euch 🗽 🗽 🗽

  • "Wenn selbst ein Crêpes-Stand schon im Jahresbericht lande, 'muss man fragen, ob der Verfassungsschutz nicht einen an der Waffel hat'."



    Dafür gibts Extrapunkte in der Satirewertung...

  • Fur All Cats Are Beautiful eine Anzeige in Thüringen, aber ein Tattoo mit Nazi-Emblem in Sachsen-Anhalt bei einem CDU-Mitglied, der an rechtsextremen Demos als Ordner teilnahm, darf nicht kritisiert werden, und die Grunwn sollen sich fur die Kritik daran entschuldigen. Verkehrte Welt im Osten?

    • @Jens Berlin 1965:

      Nee, einfach Osten.