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Verfassungsrichterin über Gerechtigkeit„Recht ersetzt Sozialpolitik nicht“

Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer über die Menschenwürde von Hartz-IV-Beziehenden und die Vorteile einer Verfassung ohne soziale Grundrechte.

Obdachlosigkeit wie auf der Hamburger Reeperbahn kann man als ungerecht empfinden; ein Fall für das Verfassungsgericht ist sie nicht Foto: dpa
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Frau Baer, was ist Gerechtigkeit?

Susanne Baer: Ich nehme an, Sie wollen eine Antwort aus meiner Sicht als Verfassungsrichterin

Ja, bitte.

Dann kann ich die Frage nicht beantworten. Wir entscheiden nicht, was Gerechtigkeit ist.

Wie bitte? Das Bundesverfassungsgericht kann nicht definieren, was Gerechtigkeit ist?

So ist es. Das Grundgesetz schafft den Rahmen, in dem Gerechtigkeitsfragen von der Gesellschaft und in den Parlamenten beantwortet werden müssen. Genügt es, wenn alle ähnlich gute Chancen haben? Sollen möglichst viele vom wachsenden Reichtum profitieren? Für diese Diskussion gibt es die Demokratie, mit den Parteien, der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, der Presse.

Bild: Bundesverfassungsgericht
Im Interview: Susanne Baer

Die 53-Jährige ist seit 2011 beim Bundesverfassungsgericht. Die erste offen homosexuelle Verfassungsrichterin Deutschlands wurde von den Grünen vorgeschlagen und ist im Ersten Senat u. a. für Hartz-IV-Fragen und Arbeitsrecht zuständig

Das Verfassungsgericht hat hier keinerlei Präferenz?

Nein. Vielleicht hoffen manche zu oft, dass „Karlsruhe“ es schon richten wird. Ein Verfassungsgericht hat aber nicht die Funktion, Vorstellungen von Gerechtigkeit mit Leben zu füllen. Hier müssen sich die Menschen zuallererst selbst einbringen. Also: Wählen gehen und öffentlich gerade auch mit denen streiten, die anderer Meinung sind.

Und was tut das Verfassungsgericht für die Gerechtigkeit?

Eine Menge! Es sichert den offenen politischen Prozess – mit der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, den Oppositionsrechten. Es klärt die demokratischen Standards, nach denen Politik für Gerechtigkeit sorgt. Und es klärt, was politisch nicht zur Disposition steht, also die Grundrechte. Verfassungsrecht setzt die Leitplanken der Sozialpolitik, ersetzt sie aber nicht.

Und wo liegt diese Untergrenze?

Ganz zentral ist das Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das war schon nach dem Krieg wichtig, mit sehr vielen Geflüchteten. Es steht heute hinter unserem Urteil von 2010, der sogenannten Hartz-IV-Entscheidung. Ausgangspunkt ist die Menschenwürde – nicht zufällig der erste Artikel im Grundgesetz.

Eine konkrete Summe für das Existenzminimum haben Sie darin aber nicht genannt …

Nein. Das Existenzminimum im konkreten sozialen Kontext zu berechnen, ist Sache des Gesetzgebers. Das Bundesverfassungsgericht hat aber gefordert, dass Sozialleistungen nachvollziehbar und tragfähig berechnet werden. Der Gesetzgeber darf nichts ins Blaue hinein schätzen – das steht da wörtlich. Und er muss ohne Diskriminierung sicherstellen, dass Menschen tatsächlich menschenwürdig leben können.

Und am Ende bekamen alle fünf Euro mehr pro Monat …

Bitte vergessen Sie nicht, dass wir zwei Jahre später an das Asylbewerberleistungsgesetz genau diesen Maßstab angelegt und es als „evident unzureichend“ beanstandet haben. Der Gesetzgeber hatte die Leistungen von Anfang an extrem niedrig angesetzt und nie erhöht. Das unterschritt klar die Grenze, die das Grundgesetz zieht. Und die Entscheidung ist auch heute wichtig.

Nützt das soziale Verfassungsrecht also besonders den Außenseitern, weil man sich um die sozialen Rechte der Mehrheit keine Sorgen machen muss?

Ein Verfassungsgericht hat aber nicht die Funktion, Vorstellungen von Gerechtigkeit mit Leben zu füllen. Hier müssen sich die Menschen zuallererst selbst einbringen.

Verfassungsrecht ist natürlich für alle da. Aber der gerichtliche Grundrechtsschutz ist gerade für diejenigen wichtig, die politisch keine Stimme haben oder die ausgegrenzt werden. Da kommt auch den Diskriminierungsverboten des Grundgesetzes besondere Bedeutung zu. Aber auch Menschen, die zur Mehrheitsgesellschaft gehören, sind unter Umständen auf gerichtliche Hilfe angewiesen. Allerdings arbeiten die Behörden und Gerichte meist so gut, dass Karlsruhe nicht intervenieren muss.

Und was sagt das Grundgesetz zur sozialen Ungleichheit?

Im KPD-Urteil von 1956 heißt es, das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes solle „schädliche Auswirkungen schrankenloser Freiheit verhindern und die Gleichheit fortschreitend bis zu dem vernünftigerweise zu fordernden Maße verwirklichen.“ 1967 erklärte das Gericht, der Staat habe „die Pflicht, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen …“

Ein Ausgleich der sozialen Gegensätze? Die werden doch immer größer. Und wenn es dann ernst wird mit der Umverteilung, etwa bei der Erbschaftssteuer, dann werden Unternehmenserben weitgehend verschont …

Auch hier gilt: Zuerst kommt die Verantwortung der Politik, erst dann eventuell das Verfassungsgericht. Die Steuerverschonung derer, die Unternehmen erben, hat der Gesetzgeber beschlossen, mit dem durchaus sozialen Argument, dass Arbeitsplätze gesichert werden.

Und das Bundesverfassungsgericht hat dieses Lobby-Märchen auch noch geglaubt …

Scheinargumente lassen sich entlarven. In Verfahren vor dem Verfassungsgericht prüfen wir nicht nur gründlich, sondern holen auch Stellungnahmen ein, um ein breites Spektrum an Positionen zu berücksichtigen. Im Ergebnis wurden einige Verschonungsregelungen beanstandet, die eindeutig nicht der Arbeitsplatzsicherung dienten oder exzessiv waren. Wir setzen eben die Leitplanken, die sich aus dem Grundgesetz ergeben. Alles andere entscheidet der Gesetzgeber.

Und doch haben Sie mit zwei anderen Richtern ein Minderheitsvotum zu diesem Urteil geschrieben. Warum?

Wir haben nicht das Ergebnis beanstandet, sondern an das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes erinnert. Es verpflichtet den Gesetzgeber auf das Ziel, weiteres Anwachsen des Reichtums in den Händen weniger zu verhindern.

Ist es ein Problem, dass das Grundgesetz vor allem als Verfassung der Freiheit konzipiert ist?

Ist das so? Menschenwürde und Gleichheit gehören untrennbar zum Freiheitsgebrauch dazu – die drei Grundrechte sind im Grundgesetz der Auftakt, die Freiheit also weder allein noch absolut.

Was heißt das praktisch? Ein Beispiel bitte.

Wenn der Gesetzgeber etwa entscheidet, Studiengebühren zu erheben, dann geht es nicht nur um die Freiheit des Berufs. Es geht auch um die sozial ungleiche Realität: die Gebühren belasten Arme, Reiche aber kaum. Also ist die Freiheit nur real, wenn das sozial abgefedert wird. Wie das läuft, muss politisch entschieden werden – etwa über Stipendien oder nachlaufende Gebühren, die erst gezahlt werden müssen, wenn Einkommen erzielt wird –, aber dass es sein muss, ergibt sich aus dem Grundgesetz.

Der Gleichheitsgedanke kann im Sozialstaat also dazu führen, dass sozial Ungleiches auch ungleich behandelt werden muss?

So ist es. Und dafür gibt es sehr viele Beispiele. Schematischer Formalismus kann sehr ungerecht sein. Deshalb gilt auch, dass wirtschaftlich Leistungsfähigere höhere Steuern zahlen als wirtschaftlich Schwächere.

Hartz IV wird von der Linken als „Armut per Gesetz“ gebrandmarkt. Wie ist die verfassungsrechtliche Sicht?

Entscheidend ist, die Menschenwürde unter den Bedingungen der Freiheit für Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenslagen gleichermaßen zu wahren. Das ist für den Gesetzgeber keine einfache Aufgabe. So darf er verlangen, dass erwachsene Kinder, die bei ihren Eltern wohnen, mit diesen aus einem Topf wirtschaften, solange das zumutbar ist – das mussten wir erst jüngst klären. Und wer sich bei längerer Erwerbslosigkeit mit eigenen Ersparnissen helfen kann, muss diese einsetzen, bevor der Staat einspringt, denn Sozialrecht darf sich an Bedürftigkeit orientieren.

Der Schutz der Lebensleistung und des einmal erreichten Besitzstandes ist kein verfassungsrechtlicher Wert?

Das Eigentum wird vom Grundgesetz durchaus geschützt. Aber Eigentum ist eine rechtliche Konstruktion und solidarische Sicherungssysteme sind etwas anderes.

Wie meinen Sie das?

Wer in die Rentenversicherung einzahlt, erwirbt Anwartschaften auf eine Rente, aber keinen Anspruch genau auf die einmal einbezahlte Summe. Um die Funktionsfähigkeit dieser Alterssicherung für alle zu sichern, sind auch Rentenkürzungen zulässig. Das entscheidet wieder die Politik; das muss gesellschaftlich verhandelt werden. Erst im Konflikt klärt das Verfassungsgericht, ob die Leitplanken stehen.

Das Grundgesetz kennt bisher keine sozialen Grundrechte, wie zum Beispiel ein Recht auf Arbeit oder auf eine menschenwürdige Wohnung. Würde das die Position der Schwachen in sozialen Auseinandersetzungen nicht deutlich verbessern?

Das klingt zwar gut. Aber in der Sache ist es zweifelhaft. Ein Recht auf Arbeit finden Sie in einigen deutschen Landesverfassungen, wie Berlin oder Hessen, und im Ausland. Aber es ist da kein einklagbares Recht, sondern wird als Programmsatz verstanden. Da wird eine Verfassung zum leeren Versprechen. Das schwächt dann die Bedeutung und den Wert der Verfassung selbst.

Dann müssten die sozialen Grundrechte eben als einklagbares Recht ausgestaltet werden…

Das würde die Gerichte überfordern, den Gesetzgeber strangulieren und die politische Debatte lähmen. Die Grundrechte des Grundgesetzes haben zwar eine starke soziale Dimension und sind einklagbar. Aber zuerst entscheiden sich Verteilungsfragen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Deutschland ist ein reiches Land. Wo es keine privaten Arbeitsplätze gibt, müsste der Staat eben neue Stellen schaffen. Das ließe sich doch gerichtlich leicht kontrollieren.

Das mag Ihre politische Präferenz sein. Aber wie halten Sie es dann mit sozialem Wohnraum? Mit Schulen? Mit der Betreuung für kleine Kinder und der Pflege alter oder kranker Menschen? Und das ist nur der Anfang einer langen Liste, über die politisch diskutiert werden muss. Verfassungsgerichte müssen diese Diskussion offen halten, nicht schließen.

Sie finden also eine Verfassung ohne soziale Grundrechte besser?

Sie ist ehrlicher. So hat sich das Grundgesetz als Verfassung ohne leere Versprechungen bewährt.

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55 Kommentare

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  • Es ist für unser Land sehr wichtig, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Presse spricht, eigene Arbeit konkretisiert und unser Grundgesetz der Bevölkerung näher bringt.

     

    Es wissen viele Menschen in unserem Land überhaupt nicht,

     

    welche Funktion und welches konkrete Nutzen für jeden Einzelnen das Grundgesetz hat;

     

    was die Einführung des Grundgesetzes mit unserer Geschichte und der nach dem 2 Weltkrieg wieder erlangten Autonomie unseres Landes zu tun hat;

     

    wie lange dauert es und warum, wenn nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ein bestimmtes Gesetz angepasst werden muss;

     

    dass, der Artikel 1 und Artikel 20 unveränderbar sind für die Ewigkeit und warum;

     

    welche Bedeutung eine Verfassungsbeschwerde für Randgruppen der Bevölkerung hat;

     

    welche Bedeutung für jeden einzelnen Menschen sowie alle staatlichen Institutionen in Deutschland haben die Worte:

     

    „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

     

    Hoffentlich wird die taz mit den Richtern des Bundesverfassungsgerichtes, also mit den Hütern unserer Menschenrechte weiterhin in Kontakt bleiben!

  • Frau Baer weist in dem Artikel mehrmal darauf hin, daß das Bundesverfassungsgericht

    lediglich die Leitplanken, also den juristischen Rahmen, innerhalb dessen Politik

    gemacht werden darf, vorgibt.

     

    Bloß wie definieren sich denn diese "Leitplanken"?

    Meiner Ansicht nach ist das schlichtweg nicht möglich, denn wo sollte man denn die Grenze ziehen,

    was noch "Leitplanke" ist und was nicht?

     

    Vor diesem Hintergrund scheint mir die Aussage von Frau Baer nicht aufrichtig zu sein.

    Denn wenn eine Definition von "Leitplanke" schlichtweg nicht möglich ist, wie kann sich dann sicher sein,

    nur über die Leitplanken zu urteilen?

  • Wohl wahr.

     

    Quis custodiet ipsos custodes:

    „Wer überwacht die Wächter?"

     

    Da ist - zur fehlenden Transparenz der Richterauswahl - die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit gefragt. Aber.

    Die Medien - gern als 4.Gewalt apostrophiert - machen da -

    Gerade was Karlsruhe angeht -

    Wenig bella figura!

    Meine Erfahrungen - angefangen u.a. bei Grinsebacke ARD-Möller etc - Weisen diese als eher - verfassungsrechtlich schwachbrüstige Hofberichterstatter aus = "die Bedeutung meiner Stellung erfüllt mich mit Bewunderung!" & sich's lieber mit den Karlsruher Primadonnen nicht verderben.

    Glacehandschuhe wg fehlender Kenne & hofsonnige Glanzaffinität -

    Waren schon immer die Hemmnisse substanzieller Kritik!

    Normal.

    • @Lowandorder:

      Schön zu lesen, Ihr beiden. Low. und Ana.

    • @Lowandorder:

      Muss man dem Herrn Rath aber mal gut anrechnen, dass er zwar nicht in aller Konsequenz, aber doch eine gewisse Offenbarung der Verfass.- Richterin herauskitzelte.

      • @anamolie:

        Seh ich genauso.

         

        Zumal der Laden ja deutlich zu

        closed shop neigt & sich - unfaßbar -verfassungsrechtlich erdreistet zum

        Kaffeeekränzchen mit der Regierung!

        ("Waas ohne Opposition? Geht ja gar nicht!" - ein Havardler & Altgedienter

        Aus dem "Nagelmann-Senat" -

        (vulgo - Maschinenraum BVerfG!;) &

        "Mit dem Supreme-Court undenkbar!"

        kurz - "Was - bitte - Bequatschen die denn da - out off the records!"

        So geht das.

        • @Lowandorder:

          Ja, steht wohl auf der Speisekarte in der Kantine des Jutizministeriums: Heute mal wieder- ein buntes Verfassungsgericht

          • @anamolie:

            Nu. Um das mal auf die rote Karte zu bringen.

            Der Senatsvorsitzende im Stammheimprozeß - Herr Prinzing -

            Durfte nicht mit dem für seinen Spruchkörper zuständigen Revisionssenat beim BGH - öh telefonieren - klar!

            Ein Richter darf nicht - an einem regelmäßigen Kaffeekränzchen - out off the records - vulgo außerhalb der Prozeßordnung - mit DER - Partei "seiner" meisten Verfahren teilnehmen. &

            Zwar egal - was da gequatscht wird - kerr!

            "Der damit gesetzte böse Schein reicht" - Nach den auch von KA abgesegneten allgemeinen Grundsätzen des richterlichen Befangenheitsrechts!

            Das ist 'ne klare Ansage & keine Petitesse! & Gilt für KA ebenfalls uneingeschränkt! & - daher -

            Es ist schlicht nicht nachvollziehbar -

            Warum Karlsruhe diesen bösen Schein setzt - in Volkers Mund:

            "Die kungeln das doch sowieso vorher aus!"

            Nein. Vertrauensetzen! -

            In dieses - Verfassungsorgan - Sorry -

            Sieht sicher anders aus.

            kurz - "Mit der Regierung nur Kännchen!"

            KA. - "Hamer nich mehr auffe Katte!"

            Mit Verlaub - Das wärs!

  • Eine Stimme aus Karlsruhe, die um jeden Preis die Entkopplung der Judikative von den zwei anderen Gewalten zu verhindern versucht. Kein schlechtes Motiv, wenn da nicht der Beigeschmack von: "Wir baden unsere Hände in Unschuld" dabei wäre. BVerfG muss ein politisches Instrument werden, wenn sich Gesetzgeber und Regierung von rechtstaatlichen Normen entfernt. Die Leitblanken sind schon durchbrochen. Das BVerfG wird noch als Verfechter der Rechte des gemeinen und schwachen Bürgers gegen die Übermacht des Staates begriffen, Doch wenn ein Andienen in Form von Dünnemachen zur Unglaubwürdigkeit in der Verteidigungskraft für die Verfassung stattfindet, wird der Hass des Bürgers auf die Obrigkeit den sozialen Frieden und letztendlich den gesamten Staat gefährden. In dieser Lage, forderst die sozialrechtlichen Ungereimtheiten, wie bspw aus Agenda 2010, muss das BVerfG eklatbereit werden. Die allgemeine Sympathie für die Judikative als letzte Instanz gegen staatliche Willkür steht auf dem Spiel. Das BVerfG darf kein reiner Rechteautomat werden, sondern muss den humanen Charakter in seiner Existenz unterstreichen. Eine Schlankheitskur, wie Frau Baer forciert, demonstriert lediglich Angst einer eigentlich mächtigen Institution.

    Zur Ehrlichkeit: Wenn bspw ein Egoist meint, er wäre in seiner Beschaffenheit wenigstens ehrlich, macht ihn das noch nicht besser. Ehrlichkeit allein macht noch keine Ehre.

    • @anamolie:

      Sorry, aber das ist schlicht nicht die Aufgabe der Rechtssprechung. Dazu fehlt es ihr an demokratischer Legitimation.

       

      Denn was "Gerechtigkeit" ist, ist eine höchst subjektive Frage (fragen Sie z. B. Christian Lindner, ob er seine politische Haltung für "(sozial) gerecht" hält, und er wird das aus tiefster Seele bejahen). Diese Frage kann und soll daher jeder Bürger für sich beantworten und entsprechend am demokratischen Prozess teilnehmen, damit SEIN Verständnis von Gerechtigkeit sich möglichst im geltenden Recht widerspiegelt.

       

      Würden die Karlsruher Richter sich aus politischen Erwägungen über den reinen Auftrag, die Einhaltung des Grundgesetzes zu gewährleisten, hinwegsetzen, um für mehr "Gerechtigkeit" zu sorgen, wäre das eine grobe Missachtung der demokratischen Grundordnung. Denn letztlich hieße es, dass sie IHRE subjektive Auffassung von Gerechtigkeit über die des Volkes (bzw. seiner gewählten Verteter) stellten.

      • @Normalo:

        Ist gar nicht so subjektiv, wenn das BVerfG nur allein im Sinne des GG richtig begründet. Ein C. Lindner ist propagandistisch nicht so daran gebunden.

        Sie sehen das zu starr. Man kann die Artikel mit viel bspw humanen Esprit oder dem rein staatlichen Gusto auslegen. Das ist die Forderung, die ich wider die Automatentätigkeit einbrachte. Eine Auslegung kann durch unterschiedlich Haltung und Richter unterschiedlich ausfallen. Dazu ist natürlich die Richterauswahl entscheidend, wie L&O schon anmerkte. Dieser Spielraum hat politische Dimension.

        Das BVerG soll sich nicht über GG hinwegsetzen; diese Forderung steht nicht zur Debatte.

    • @anamolie:

      Mhhhh, das ist eine etwas eigentümliche Argumentation wie ich finde.

       

      Das Volk soll sich also durch ein Gremium von unter 20 Leuten, die nicht basisdemokratisch bestimmt werden, meistens durch Austausch und Mauschelei von den Parteien, besser vertreten fühlen, vor Allem gegenüber diesen Parteien, als von den Parteien die sie selbst wählen ?

       

      Das klingt für mich so ein bisschen erstens an den Haaren herbeigezogen und zweitens wird dem BVerfG damit eine Aufgabe aufgezwungen, für die es gar nicht geeignet ist und drittens ist es feuer mit feuer bekämpfen, ein (subjektives) verlassen der Rechtsstaatlichkeit der Parteien damit zu beantworten, dass die Judikative in die Legis und Exikutive eingreift scheint ... kontraproduktiv.

      • @Krähenauge:

        Ja, so ist es. Wenn Regierung und schwache Opposition dem Rechtsstaat nicht gerecht werden, werden Interventionen regelrecht vom Verfassungsgericht erwartet; siehe Polen, wo Menschen dafür sogar auf die Straße gingen, weil dieses in ihrem Bestand und Widerstand bedroht war. Solche Situationen sind überall denkbar, gerade wenn ich an den zunehmenden Einfluss rechter Gesinnung, wie z.B. das Leitkulturgedöns, auf nun alle demokratischen Parteien denke.

        Über eine Auswahlweise der Verfassungsrichter lässt sich streiten, denn die Ernennung ist wenig transparent und schon gar nicht demokratisch.

        Und doch bewegt sich was, bspw. bzgl. Sanktionen SGB II.

    • @anamolie:

      Wohl wahr.

       

      Quis custodiet ipsos custodes:

      „Wer überwacht die Wächter?"

      • @Lowandorder:

        Das letzte Wort darüber hat das Volk selbst, nur sollte es in der ärgsten Form nie dazu kommen. Darum geht es, wenn die zunehmende Verwerfung in der Gewaltenteilung die Machtneutralisierung untereinander verhindert.

  • Menschenwürde...

     

    Dazu: Inge Hannemann: Die Hartz Iv-Diktatur. Eine Arbeitsvermittlerin klagt an (Taschenbuch).

    Einblicke aus der unzulänglichen Praxis. Die garantiert oft und regelmäßig gegen die Menschenwürde verstöäßt...

  • „Hartz IV wird von der Linken als „Armut per Gesetz“ gebrandmarkt. Wie ist die verfassungsrechtliche Sicht?“

     

    Dazu gab es eine Analyse von einem Institut mit dem Fazit: Umverteilung on unten nach oben (durch Sanktionen).

     

    Die Kürzung des Existenzminimums ist verfassungswidrig, das verstößt gegen des Art. 1 in Verbindung mit dem Art. 20 GG.

     

    Wie wird das Grundgesetz aber doch umgegangen?

     

    Es werden öffentlich rechtliche Verträge, Eingliederungsvereinbarungen genannt, geschlossen. Sanktionen sind immer ein Bestandteil davon. Zwar ist nahezu jeder Leistungsempfänger nicht damit (Sanktionen) einverstanden (und das würde die Legitimität eines „Vertrages“ in Frage stellen), die Unterschrift bestätigt allerdings das Einverständnis.

     

    Dann gibt es noch Ungerechtigkeit, ähnlich wie in diesem Artikel mit Studiengebühren. Durch die EEG-Umlage sind Stromkosten unverhältnismäßig und überproportional gestiegen. HARTZ IV Regelsätze ließen diese Entwicklung unberücksichtigt bleiben (zumindest der Höhe nach).

     

    Dann gibt es noch zahlreiche Gerichtsverfahren, wo die Erfolgsquote für Leistungsempfänger bei mindestens 50 % liegt. Dabei müssen wir der Wahrheit ins Auge sehen, HARTZ IV Empfänger können sich keinen Quote Anwalt leisten; sonst würde die Erfolgsquote bei 80-90 % der Verfahren liegen.

     

    Und noch schlimmer: die Entwicklung der Mietpreisein Berlin. Nicht alle Wohnungen werden von Jobcentern bezahlt. Menschen werden zudem aufgefordert, umzuziehen, Untermieter zu suchen etc.

     

    HARTZ IV ist stark modernisierungsbedürftig und ist ein Armutszeugnis für unser Soziales Land.

    • @Stefan Mustermann:

      Eine kleine Korrektur:

       

      HARTZ IV Empfänger können sich keinen "GUTEN" Anwalt leisten; sonst würde die Erfolgsquote bei 80-90 % der Verfahren liegen

  • Probleme bei der Umsetzung des „Rechts auf eine menschenwürdige Wohnung“ für Obdachlose Menschen.

     

    Realität: Obdachlose Menschen bekommen keine Wohnung ohne Einkommen und gleichzeitig kein HARTZ IV ohne Wohnsitz.

     

    Praxis (Recht): für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde oder einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bedarf es eher die Ausschöpfung des Rechtsweges. Dafür haben Obdachlose Menschen kein Geld. Außerdem würde das viele Jahre andauern.

     

    Umsetzung: Leider werden Obdachlose Menschen seitens Behörden nicht angesprochen und müssen selbst tätig werden. Erfolgswahrscheinlichkeit auf eine menschenwürdige Wohnung

     

    Politik: Obdachlose Menschen sind leider eine Minderheit. Und ohne den Wohnsitz können sie nicht wählen.

     

    Kritik: UNO kritisierte uns vor ein Paar Jahren, Deutschland (Brief ging an die Bundesregierung) und forderte/schlug vor, den Weg an das Bundesverfassungsgericht für Menschen zu erleichtern und Kompetenzen vom Institut für Menschenrechte (in Berlin ansässig) auf die Angelegenheiten/Beschwerden von Menschen (nicht nur von bestimmten Institutionen, wie jetzt leider noch der Fall ist) zu erweitern. UNO forderte außerdem uns auf, ein umfassendes Armutsbekämpfungsprogramm aufzunehmen.

    • @Stefan Mustermann:

      Bezüglich Wählen ohne Wohnsitz: Auch Menschen ohne Wohnsitz können wählen. Sie müssen sich allerdings innerhalb bestimmter Fristen beim zuständigen Wahlamt ins Wählerverzeichnis eintragen lassen. Das Wählerverzeichnis ist die Grundlage für die Durchführung jeder Wahl, die Daten für die jeweilige Wahl werden den Wahlämtern von den Einwohnermeldeämtern übermittelt. Personen ohne Wohsitz sind dementsprechend im Verzeichnis zunächst nicht eingetragen und müssen sich rechtzeitig beim Wahlamt anmelden.

       

      Das ist eine hohe Hürde für die Betroffenen, sie nehmen ihr Wahlrecht dementsprechend selten wahr. Aber wer behauptet, man habe ohne Wohnsitz auch kein Wahlrecht, kennt offenbar die Gesetzeslage nicht.

  • „Das Grundgesetz kennt bisher keine sozialen Grundrechte, wie zum Beispiel ein Recht ... auf eine menschenwürdige Wohnung.“

     

    Es steht nur nicht explizit (!) drin; implizit – schon. Abgeleitet wird das aus dem Artikel 1 in Verbindung mit dem Artikel 20 (dort Sozialstaatsprinzip) GG.

     

    Außerdem seitens des Bundesverfassungsgerichtes wurde mal gesagt (Diskussion, keine Rechtsprechung, zitierungsfähig = Inhalt eines Buches), dass das Grundgesetz berücksichtigt EMRK und „wohl auch“ (Diskussion ging eigentlich über das Bundesverfassungsgericht und Europäisches Gerichtshof für Menschenrechte sowie Menschenrechtskonventionen und Grundgesetz) Menschenrechte aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

     

    In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Artikel 34, Absatz 3) steht geschrieben:

     

    „Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die WOHNUNG, die ALLEN, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein MENSCHENWÜRDIGES Dasein sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.“

     

    Das muss Grundgesetz berücksichtigen und tut das durch den Art. 1 in Verbindung mit dem Art. 20 GG.

     

    Theoretisch also hätte z.B. jeder Obdachlose Mensch in unserem Land ein Anrecht auf eine menschenwürdige Wohnung. Probleme und Hindernisse gibt es in der Praxis, in der Umsetzung und in der Wirklichkeit.

  • Filou Sophia hat's weiter unten ja auch schon angemerkt: Das BVerfG hat in seiner 2010-Stellungnahme zu Hartz IV bestätigt, die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in direktem Zusammenhang mit Artikel 1 GG zu sehen. Da stellt sich doch jedem halbwegs denken Menschen die Frage, wieso dieses Existenzminimum laut Hartz-Gesetzgebung wegsanktiioniert werden darf, wenn doch die Art. 1 garantierte Würde des Menschen als unantastbar definiert ist.

    Wieso hat Herr Rath hier nicht nachgefragt? Stellt sich ihm diese Frage nicht?

  • @JOTA Zu - Ihrer - (Selbst)Verantwortung einer so "schönen rechtsstaatlichen Position" sollte aber auch gehören und Sie sich mehr in diese nehmen -

     

    Solche Teile wie das aus Karlsruhe (Hans Kelsen& Ol´Conny! - lassen grüßen!;)

    Sind aber auch Systembrüche - Ihres hier so fulminant beschworenen -

    "Geist der Gewaltenteilung"! - kerr!

     

    Mal als Beispiel aus dem realen Leben:

    Eine Kommission des Sveriges Riksdag - (Parlament) -

    Die sich mal kundig machen wollte - wg Verfassungsgericht unne so -;)

    Reiste nach wenigen Tagen wieder ab -

    "Da können ´4/5 Arschlöcher aus Karlsruhe´* - Aushebeln!

    Was der Riksdag beschlossen hat - Nej tak!"

    So geht´s also auch.

     

    kurz - Soweit vorne ich das GG - in der Verfassungsgeschichte der Moderne -

    Auch sehe - Derzeit ist ein Roll-back - bisher nicht gekannten Ausmaßes -

    In seiner Verfassungswirklichkeit zu konstatieren.

    Insoweit haben sie recht - sind wir Bürger ´schlands -

    Dieser Republik nach dem GG - mehr&mehr in der Verantwortung.

    Sodrum - wird einSchuh draus

     

    (ps -;)* Onkel Herbert - konnte bekanntlich auch Schwedisch-;)

    Die haben das - natürlich druckreif formuliert!;)

  • Nur mal so am Rande: Obdachlosigkeit kann sehr wohl irgendwann auch mal ein Fall für das Verfassungsgericht werden.

    Von den meisten Kommunen wird Obdachlosigkeit unverändert seit der Nazizeit als „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“ behandelt und folglich den Ordnungämtern unterstellt. Obdachlosigkeit ist aber in erster Linie eine existenzielle Bedrohung für diejenigen, die - aus welchen Gründen auch immer - obdachlos geworden sind. Man wird ein sozialpolitisches Problem niemals mit ordnungspolitischen Mitteln auflösen können. Eine vernünftige, unideologische Einordnung der Obdachlosigkeit könnte darüberhinaus auch mithelfen, dass das weit verbreitete Zerrbild vom Obdachlosen als dem „arbeitsscheuen Volksschädling“, der sozusagen den Status eines „Vogelfreien“ hat, verschwindet. Die zahlreichen Übergriffe auf Obdachlose sind nicht zuletzt auch die erwartbare Folge eines unsachlichen und unfachlichen amtlichen Umgangs mit der Obdachlosigkeit.

  • Die Hetze gegen ALG II - Empfänger gewisser Kommentatoren erinnert stark an die Zustände zwischen 1933-1945. Da gab es den Kohlenklau, die asozialen Elemente, und die Bürger eines gewissen Glaubens, die sich gegen den Staat verschworen hatten und als Parasiten galten. Jenen Gedanken hat ja der Ex-Minister Wolfgang Clement fortgesponnen und die ALG II - Empfänger in die Nähe von Parasiten gerückt und als Schmarotzer bezeichnet.

     

    Diese Form politischer Argumentation offenbart psychische Defekte, die von einer Angstneurose beseelt sind, von einer zwanghaften Vorstellung möglichen Eigentumsverlustes.

     

    Im Interview wurde deutlich ausgesprochen und richtig gestellt, was als Eigentum und was als eine Anwartschaft zu verstehen ist.

     

    Die geringere Lebenserwartung mit Zigeretten- Fleisch- und Alkoholkonsum zu erklären zeugt von exzellenter Objektivität. Diese Kommentatoren haben nur noch vergessen hinzu zufügen, dass diese Unterschichtler auch nicht intensiv genug beten und nicht richtig gottesfürchtig sind.

     

    Damit sind wir dann auf der Argumentation der Kaiserzeit angelangt, wo diese Schreiber offenkundig geistig stehen geblieben sind.

     

    Es ist sinnvoller sich an wissenschaftlich belegte Zusammenhänge zu halten, welche eindeutige Aussagen zu Arbeitslosigkeit und Gesundheit erlauben.

     

    Nur passen die nicht in das politische Konzept.

  • Sollte ich mal jemandem die Geist der Gewaltenteilung erklären, dann wäre dieses Interview dau perfekt geeignet! Erfrischend so eine schöne rechtsstaatliche Position zu lesen – die uns alle wieder mehr in die Verantwortung nimmt!

  • Ein sehr kluges Interview, indem vor allem die verfassungsrechtlich beschränkte Aufgabe der Justiz - und danit auch des Bundesverfassungsgerichts - überzeugend erläutert wird. Gleiches gilt für die überzeugenfe Ablehnung linker Vorstellungen, politische Wunachvorstellungen wie "Recht auf Arbeit" und "Recht auf Wohnung" in das GG aufzunehmen.

  • Zu den sozialen Grundrechten - eine wahrlich schwierige Frage -

    In bester Gesellschaft - nämlich dem späteren Verfassungsrichter Prof. Konrad Hesse.*

    Saß dieser in den 70ern - als noch im Öffentlichen! Diskurs bei boomender Wirtschaft um solches & "das unerfüllte Grundgesetz" - um "Leistungsstaat & Grundrechte" etc unter Befeuerung durch die verschiedenen "Schulen"

    (Carl-Schmitt-Fronde vs Freiburger Schule vs "Helmut Ridder-"Demokratie&Recht" vs "Wolfgang Abendroth-Gang!"- ;) gerungen wurde - als Gast im Verfassungsseminar & geriet unter schwerem "Beschuß" von - linkssozialdemokratisch (jaja!) bis "Wolfgang Abendroth"ler!;)) dieserhalb. Weil er sich so ähnlich einließ wie heute Frau Baer auf Frage:

    "Sie finden also eine Verfassung ohne soziale Grundrechte besser?"

    "Sie ist ehrlicher. So hat sich das Grundgesetz als Verfassung ohne leere Versprechungen bewährt."

    kurz - a never ending story!

    Aber dann wirds ja - statt einklagbarer Grundrechte wg - Programmsätzen & Staatszielbestimmungen - spannend! &

    Zum "Recht auf Arbeit" fiel ihm als "Notgegenargument" noch ein -"Dahinter steht schnell die Pflicht zur Arbeit!" - Hartz IV - 1€ -Job's lassen grüßen - wa!

     

    (* "Grundzüge des Verfassungsrechts" -

    by K.H. - ein gutes!)

  • Wenn man selbst warm und trocken sitzt, läßt es sich leicht glasperlenspielen.

  • "So hat sich das Grundgesetz als Verfassung ohne leere Versprechungen bewährt." - Leider enthält es durchaus leere Versprechungen. Dazu gehört "Eigentum verpflichtet" (wohl gemerkt "zum Wohle der Allgemeinheit") und der Artikel 20a über den Schutz der "natürlichen Lebensgrundlagen" sowie der "Tiere".

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Wie kann man so ein Interview führen, ohne zu fragen, wie es mit dem GG vereinbar sein kann, dass staatliche Einrichtungen den Beziehern des Existenzminimums dieses kürzen und bis auf 100% sanktionieren dürfen. Die Frage hätte ich gerne von Ihnen beantwortet, Herr Rath.

    • Christian Rath , Autor des Artikels, Rechtspolitischer Korrespondent
      @24636 (Profil gelöscht):

      Die Frage, ob das Existenzminimum als Sanktion gekürzt werden darf, ist beim BVerfG anhängig. Zuständig ist Susanne Baer. Über anhängige Verfahren sprechen RichterInnen nicht im Interview.

      • @Christian Rath:

        Frage: Wann soll über die Vorlage denn entschieden werden?

         

        Und: Bitte berichtet ausreichend darüber! Es ist erschreckend, das diese wichtige Entscheidung, die Millionen von Menschen in Deutschland direkt betrifft, allgemein so wenig Berichterstattung nach sich zieht.

      • @Christian Rath:

        Die selbe Frage hatte ich in einem Kommentar, der aber noch nicht veröffentlicht wurde, auch schon gestellt. Vorab schonmal: Danke auch von mir für die Aufklärung, warum Sie sie im Interview nicht angesprochen haben!

         

        Auch wenn die Interviewte darauf z.Z. nicht antworten kann, fände ich es aber trotzdem wichtig, die Frage wieder und immer wieder zumindest mal laut zu stellen. Sie fehlt nämlich fast völlig in allen öffentlichen Diskussionen zum Thema .

      • 2G
        24636 (Profil gelöscht)
        @Christian Rath:

        Die Frage stellte sich auch genau wegen diesem Verfahren im nun zweiten Anlauf. Die Zuständigkeit kannte ich aber nicht. Danke für die Klarstellung.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Das ist mit dem GG nicht vereinbar (Sozialstaatsgebot, Art.. 20: ein ewiger Artikel, der selbst mit zweidrittel Mehrheit nicht geändert werden kann und darf, auch wegen der hsitorischen Erfahrungen). Für andere Personen gi8lt ja auch der Pfändungsfreinetrag vonm ca. 1080 Euro netto im Monat für einen Single.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Danke! Ich auch!

    • @24636 (Profil gelöscht):

      ich denke, dass die Kürzung darauf beruht, dass Leute, die sich um nichts kümmern, es vermutlich nicht nötig haben, weil sie nämlich z.B. gar nicht mehr im Land sind, sich aber nicht abgemeldet haben oder durch Schwarzarbeit genug Einkommen haben. Sonst würden sie ja wohl irgendwann mal beim Amt erscheinen, wenn das Geld knapp wird.

      Oder sie sind nicht in der Lage, sich um irgendwas zu kümmern, dann bräuchten sie allerdings dringend eine Betreuung. Die das Recht ja auch anbietet.

      • @Dr. McSchreck:

        Dank Herrn Rath hier & dem Interview insgesamt is ja klargestellt - daß unsere Primadonnen in KA - nicht mit "Schreck laß nach" reagieren, sondern sich zu den angetragenen Zweifelsfragen jenseits persönlicher "Präferenzen" - gell -

        (Vossibär:…"da schleicht sich einer weg!"-;)) - "verfassungsrechtlich zusammenraufen!"-;) &

        Das ist gut so.

      • @Dr. McSchreck:

        Die Kürzung bekommen aber nicht nur Leute, die sich "um nichts kümmern". Es gibt etliche Fälle, in denen die Eingliederungsvereinbarung lächerlich hohe Forderung stellt, in denen unzumutbare Ein-Euro-Jobs aufgezwungen werden usw. Einfach mal hier ein bisschen lesen: https://www.elo-forum.org/alg-ii-sanktion-kuerzung-sperre/

        • @user21617:

          Dies ist aber eig. keine Entscheidung für das BVerfG, sondern für die Sozialgerichte.

           

          Sie würden ja auch nicht auf die Idee kommen, dass ihre Steuererklärung verfassungswidrig ist, weil ein Sachbearbeiter die falsch bearbeitet.

          • @Krähenauge:

            Richtig, das ist zunächst eine Entscheidung für die Sozialgerichte. Allerdings hat ein ebensolches, nämlich jenes in Gotha, dem BVerfG vor geraumer Zeit eine sogenannte Richtervorlage auf den Tisch gelegt, auf dass es in der Frage der Sanktionen eine Grundsatzentscheidung treffen möge.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Diese Frage habe ich mir allerdings auch beim Lesen des Interviews gestellt und schließe mich der Bitte um Erklärung an.

  • An ärgerlichstem an diesem Interview ist der kleine Kasten zur Erklärung der Person von Frau Baer. Welche Rolle spielt denn bitteschön die Homosexualität von Frau Baer? Als ich es zuerst las dachte ich, dass vielleicht im Verlauf des Interviews das Thema auch auf Ehe oder die Gleichberechtigung Homosexueller kommt - Aber nada. Nichts. Daher finde ich diese Anmerkung zur Person einfach völlig deplaziert. Die Frau ist sicherlich auch eine hervorragende Juristin und nicht "nur homosexuell".

    • @Dubiosos:

      Das fragte ich mich vorhin auch ...

    • @Dubiosos:

      Jau, als ob der sexuellen Orientierung der Richter am Bundesverfassungsgericht irgendeine Relevanz bei der Urteilsfindung und Gesetzesauslegung zukommen könnte.

      • @Rainer B.:

        Es war auch das erste, was mir auffiel, als ich am Kasten angekommen war.

         

        Das ist schon wie bei der BLÖD. Sex sells, das muss wohl erwähnt werden.

         

        Grauenhaft, taz, schäm Dich!

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    "[…] sondern an das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes erinnert. Es verpflichtet den Gesetzgeber auf das Ziel, weiteres Anwachsen des Reichtums in den Händen weniger zu verhindern."

    "[...] Deshalb gilt auch, dass wirtschaftlich Leistungsfähigere höhere Steuern zahlen als wirtschaftlich Schwächere."

    Schöne Sätze, leider läuft die Entwicklung seit Jahren in die entgegengesetzte Richtung. Steueroasen werden zugelassen, vermögende und obere Einkommensschichten werden entlastet und mittlere und untere Einkommensschichten belastet. Ob die "Leitplanken" ausreichen für eine soziale Kurskorrektur darf wahrlich angezweifelt werden.

  • "Der Gesetzgeber darf nichts ins Blaue hinein schätzen – das steht da wörtlich. Und er muss ohne Diskriminierung sicherstellen, dass Menschen tatsächlich menschenwürdig leben können."

     

    Dieses "menschenwürdig leben können" ist nach wie vor dadurch "gewährleistet", daß langfristig auf staatliche Hilfe Angewiesene alleine infolge zu geringer Mittel im Durchschnitt 7 bis 10 Jahre früher sterben als Besserverdienende.

     

    Da ist es nicht mehr nötig, noch ellenlang Argumente hin- und herzudrehen, denn solche Fakten sprechen für sich selbst.

     

    Dem Wähler nützt es nichts, lediglich die Auswahl zwischen der Pest und der Cholera zu haben. In einem System, in welchem "menschenwürdig" für Teile der Bevölkerung ein verkürztes Leben bedeutet, ist noch viel mehr faul als nur die politische Fehldeutung der Begriffe.

    • @wxyz:

      Mag sein, dass der Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung statistisch belegt ist. Das geringere Einkommen muss allerdings nicht ursächlich verantwortlich sein für den früheren Tod. Ein geringeres Einkommen ist ja nicht selten ein Zeichen dafür, dass Rationalität nicht eben die aller größte Stärke einer Person ist. Menschen, die weniger verdienen, sind manchmal schlechter über Gesundheitsfragen informiert, rauchen oder trinken mehr, ernähren und bewegen sich weniger bewusst. Diese Unterschiede kann kein Gericht der Welt mit Urteilen aus der Welt schaffen. Das muss schon die Gesellschaft leisten. Und bis es so weit ist, muss die Politik dafür sorgen, dass ein gewisser Ausgleich geschaffen wird. Nur möchte ich den Politiker sehen, der in den Wahlkampf zieht mit einer Forderung wie der, dass jedem einfach gestrickten Bundesbürger 100 Euro zustehen pro jeweils 5 IQ-Punkte unter 100.

    • @wxyz:

      H4-Empfänger rauchen doppelt soviel wie der gesamtgesellschaftliche Mittelwert, 50% treiben überhaupt keinen Sport (25% gesamtgesellschaftlich)... ein Wunder, dass es "nur" 7 bis 10 Jahre sind.

      Und: Rauchen kostet, Sport kann man umsonst treiben.

      • @un2wei:

        "...ein Wunder, dass es "nur" 7 bis 10 Jahre sind. "

         

        Wenn das ein "Wunder" ist, deutet es darauf hin, dass das ganz offensichtlich objektiv betrachtet, nicht in irgendeinem Zusammenhang steht. Ich würde dann eher sagen, dass Sport treiben und Rauchen nicht den Zusammenhang zur Lebenserwartung haben kann, den wir vermuten. Ganz davon abgesehen, dass Sie erst mal zeigen müssten, dass das Abweichen von 25 - 50 % in der Referenzgruppe die 7 bis 10 Jahre rechnerisch wirklich nicht erklären kann, sondern eben "ein Wunder" ist.

    • @wxyz:

      es gibt keine Erkenntnisse, dass man früher stirbt, weil man weniger Geld hat. Viel wahrscheinlicher ist, dass es die gleichen Ursachen sind, die Armut und früheren Tod verursachen, insbesondere Krankheiten, ob psych. oder körperlich, Alkoholismus, Drogensucht. All dies verkürzt das Leben im Schnitt deutlich und führt leicht zu Verarmung.

  • Die Eingangsfrage ist die zentrale Frage unsere Zeit.

    Leider zu wenig thematisiert und fokussiert in den Medien und daher auch im politischen Diskurs.

     

    Gerechtigkeit kann nicht allein eine Leistungsgerechtigkeit sein. Hier alle Bausteine zusammenzuführen tut not.

  • Philosophie

     

    Die Definition von Gerechtigkeit ist ein philosophisches Problem...

    Recht hat mit Macht zu tun, nicht mit Gerechtigkeit. Auch die Politik ist nicht gerecht, weil sie die Verteilung von Macht betrifft, nicht die Gerechtigkeit.