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Vereitelter Brandanschlag in VerdenDumm gelaufen für Möchtegern-Terroristen

2018 haben drei Männer einen Brandanschlag in Verden geplant – aus Solidarität mit der RAF, so die Staatsanwaltschaft. Jetzt hat der Prozess begonnen.

Wo heute die Staatsanwaltschaft Verden sitzt, war 2018 noch Leerstand. Planten RAF-Fans damals einen Brandanschlag auf das Haus? Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremen taz | Rund um eine Brandstiftung will das Gericht verhandeln – eine versuchte Brandstiftung, vor mittlerweile sieben Jahren, und eine ganze Reihe Jour­na­lis­t*in­nen sind dafür nach Verden ins Landgericht gekommen, vom NDR und vom Weser Kurier, von der dpa und der Welt. Das Schlagwort, das alle hierher geführt hat, fällt dann aber gar nicht: Niemand spricht in der Verhandlung von „RAF“, niemand erwähnt Daniela Klette, Volker Garweg, Burkhard Staub.

Angeklagt sind nämlich nicht sie, sondern drei Männer aus Hamburg, zwischen 35 und 38 Jahre alt; einer ist nicht erschienen und wird zur Fahndung ausgeschrieben, und so sitzen an diesem Donnerstag nur zwei auf der Anklagebank. Sehr brav, beziehungsweise unheimlich konservativ sehen sie aus, für linksradikale Brandstifter allemal, aber auch so: Mit ihren kurzen Haaren, ihren schwarzen Pullovern und weißen Kragen kann man sie leicht für Anwälte in Robe halten.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten vorgeworfen, 2018 gemeinschaftlich geplant zu haben, das ehemalige Meyer-Gebäude am Allerufer in Verden in Brand zu setzen, „als symbolischen Akt gegen die Staatsanwaltschaft Verden (Aller) wegen der Strafverfolgung gegen die damals und zum Teil heute noch flüchtigen Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burckhard Garweg“.

So schreibt es die Pressestelle des Gerichts in seiner Einladung; Die Staatsanwaltschaft selbst lässt bei der Verlesung der Anklageschrift die Namen der drei RAF-Terrorist*innen weg.

Sieben Jahre bis zum Prozess

„Wir waren empört über die Arbeit der Staatsanwaltschaft Verden und ihre Verfolgung von Aktivisten“, liest der Anwalt des Angeklagten S. dessen Erklärung vor. Namentlich genannt wird der RAF-Untergrund auch hier nicht. Unplausibel ist ein Zusammenhang aber nicht. 2018 hatten DNA-Spuren bei einem Banküberfall in Stuhr die Ermittler darauf gebracht, dass sie hier nach mutmaßlichen RAF-Mitgliedern fahndeten, bundesweit berichteten Medien über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Verden.

Als Tatverdächtige ermittelt wurden die schon vor sieben Jahren. Aber die Staatsanwaltschaft hatte Besseres zu tun: Fünf Jahre dauerten die Ermittlungen bis zur Anklage. Personalprobleme seien Schuld. Seitdem sind noch einmal zwei Jahre vergangen – vorher hätten „dringlichere Verfahren“ abgearbeitet werden müssen. Schwere Brandstiftung verjährt erst nach zehn Jahren. Zur Brandstiftung kam es freilich gar nicht: Die drei jungen Hamburger mit ihren Brandsätzen wurden schon vorher von einer Polizeistreife gestellt.

Es war aber auch dumm gelaufen: Ausgerechnet kurz vorm Meyer-Gebäude stand in dieser Nacht die Streife, die eigentlich nur eine Ruhestörung von ein paar Partygängern in nächster Nähe bewerten wollte. Nicht so schlimm, dachten sich die Strei­fen­po­li­zis­t*in­nen nach kurzem Lauschen, fuhren wieder davon – und stutzten, als sie just um die Ecke drei halb maskierte Gestalten mit bunten Gummihandschuhen an den Händen sahen.

Der eine hielt gleich an, als die Polizei ihn aufforderte, zwei andere gingen zügig weiter, stellten ihre Reisetaschen ab. Nach drei, vier Aufforderungen des Polizisten blieben dann auch sie stehen, begleiteten den Polizisten zurück zum Streifenwagen, gaben widerstandslos ihre Persos ab und erlaubten den Polizisten auch, bereits direkt vor Ort in ihre Reisetaschen, voll mit Benzin, zu schauen.

Nicht an Flucht gedacht

„Die Situation war einfach komisch“, sagt der Polizeibeamte S., etwa genauso alt wie die Angeklagten. „Es war skurril“, erinnert sich Polizistin F. in ihrer Befragung. „Wir waren am Ende auch überrascht, dass es keinen Fluchtversuch gab“, sagt S. „Wenn man so etwas vorhat, würde man doch an Flucht denken.“ Aber vermutlich seien die drei dafür einfach zu überrascht gewesen.

Dass die Staatsanwaltschaft in den Meyer-Bau sollte, wusste Streifenpolizist S. gar nicht, seine Kollegin ebenfalls nicht. Erste Gerüchte dazu gibt es jedoch schon an jenem Abend: Irgendwann in der Nacht soll irgendwer auf der Wache schon den Verdacht geäußert haben, dass der geplante Anschlag eben diesem Gebäude galt; genau erinnern können sich die Be­am­t*in­nen im Zeugenstand nach der langen Zeit aber nicht mehr.

Bei Geständnissen kommen laut Staatsanwaltschaft Bewährungsstrafen für alle drei infrage; dafür brauche es aber eine deutliche Lossagung von Gewalt als politisches Mittel. Das Gericht hingegen gibt schon einmal an, dass auch der tadellose Lebenswandel seit der Tat, ohne eine explizite Lossagung, genug Anlass für eine Strafaussetzung geben könnte.

Täter wollten „Autoreifen anzünden“

Ja, man sei zusammen nach Verden gefahren, „um etwas anzuzünden“, gibt Christoph Sch. in seiner Erklärung zu Protokoll. Keineswegs aber habe man vorgehabt, das ehemalige Meyer-Gebäude anzuzünden. „Ich wusste nicht mal, dass die Staatsanwaltschaft dahin umziehen soll.“

Für ihren Brandanschlag hatten die Hamburger drei kleine Plastikflaschen mit Benzin gefüllt und mit Kabelbindern Räucherstäbchen daran befestigt. In einer Reisetasche führten sie zusätzlich Kanister und weitere Plastikflaschen mit insgesamt elf Litern Otto-Benzin mit.

Die Staatsanwaltschaft sollte „Adressatin“, nicht aber Opfer einer militant aussehenden Aktion sein: So habe die Gruppe Autoreifen vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft im Johanniswall anzünden wollen, aber in einiger Entfernung. „Es ging uns um ein starkes und auch militantes Zeichen, nicht um tatsächlichen Schaden“, sagt Sch. Niemand von uns hätte ein Haus angezündet.“ Die Tatnacht sei denn auch ausgesucht worden, weil wenig Wind angekündigt gewesen sei – und sich ein Feuer nicht ausbreiten würde.

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