Politisch motivierte Straftaten: Schwammige Gefahrenanalyse

Politisch motivierte Gewalt ist auf dem Vormarsch, vor allem rechts wächst der Hass. Die Polizei darf sich nicht länger scheuen, das klar zu benennen.

Ein Polizeifahrzeug vor Demonstranten

Wer protestiert da? „Friedensdemo“ mit Reichsbürgern in München Foto: Alexander Pohl/imago

Es rumort im Land. Tiraden gegen Geflüchtete nehmen wieder zu, Kommunalpolitiker werden angegriffen, Reichsbürger schmieden Umsturzpläne, die Letzte Generation oder der Angriffskrieg auf die Ukraine polarisieren. Es überrascht daher nicht, dass das BKA und Nancy Faeser ein Allzeithoch der politisch motivierten Kriminalität verkünden. Bedrohlich ist es aber umso mehr: Die Zahlen haben sich in den vergangenen 10 Jahren verdoppelt, rechte Straftaten sind abermals angestiegen. Und unabhängige Opferverbände nennen noch weit höhere Zahlen. Es etabliert sich ein Klima, in dem immer mehr Menschen gewillt sind, ihre politischen Anliegen auch mit Gewalt durchzusetzen.

Dabei darf nicht vergessen werden: Hinter jedem Angriff steckt ein verletzter Mensch, ein womöglich zerstörtes Schicksal. Auch verbaler Hass stachelt andere wieder zu Gewalt an. Faeser hat also viel zu tun, will sie ihren postulierten Kampf gegen den Rechtsextremismus in die Tat umsetzen. Leider hilft die BKA-Statistik hier kaum weiter.

Das größte Deliktfeld ist dort inzwischen die Kategorie „nicht zuzuordnen“ – ein analytischer Offenbarungseid. Vor allem Straftaten aus dem Coronaprotest- oder Reichsbürgermilieu werden so erfasst. Dabei dominieren in beiden Milieus inzwischen demokratiefeindliche Verschwörungsnarrative, die keinen Zweifel am rechtsextremen Kern lassen. Stattdessen werden selbst die jüngsten Reichsbürger-Umsturzpläne unter „nicht zuzuordnen“ eingeordnet. Das ist grotesk – und gefährlich.

Denn das wahre Ausmaß der rechtsextremen Bedrohung wird so vernebelt. Wenn schon die Analyse der Gewalt so schwammig ist, wird es umso schwerer, die richtigen Maßnahmen zu finden. Was es also braucht, ist eine präzisere Erfassung bei der Polizei und die Bewusstmachung: Auch bürgerliche Systemfeinde sind eine rechtsextreme Gefahr. Und dann muss deren Gewalt endlich durchbrochen werden. Damit in den nächsten Jahren nicht weitere Höchststände zu beklagen sind.

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Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort, seit 2014. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Bis 2014 vier Jahre lang Teil des Berlin-Ressorts der taz. Studium der Publizistik und Soziologie.

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