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Urteil nach Mord an George FloydFür eine bessere Zukunft

Kommentar von Hansjürgen Mai

Derek Chauvin wurde zu 22,5 Jahren Haft verurteilt – ein wichtiger Schritt. Das Grundproblem jedoch ist so nicht zu lösen: Rassismus.

Auch nötig wegen Rassismus: bewaffnete Security auf einer Demo in Minneapolis nach dem Urteil Foto: Julio Cortez/ap

D er Mörder von George Floyd wurde am Freitag zu einer Haftstrafe von 22,5 Jahren verurteilt. Das Urteil hätte auch deutlich höher ausfallen können – die Staatsanwaltschaft hatte 30 Jahre beantragt – doch in Anbetracht der Umstände darf das Strafmaß als angemessen angesehen werden. Immerhin ist es eine der höchsten Strafen, die jemals gegen einen US-Polizisten in Zusammenhang mit der Tötung eines Afroamerikaners verhängt wurde. Und nun?

Es waren 9 Minuten und 29 Sekunden, die auf der ganzen Welt für Empörung und Entsetzen sorgten. Genau so lange drückte nämlich der frühere Polizist Dereck Chauvin sein Knie in den Nacken des am Boden liegen Floyd. Für den 46-jährigen Afroamerikaner waren es die letzten 569 Sekunden seines Lebens. Für die amerikanische Gesellschaft war es ein erneuter Weckruf. Ein Weckruf, der abermals verdeutlichte, dass nicht alle Menschen in den Vereinigten Staaten gleich behandelt werden.

Rassismus ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auch mehr als 150 Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei weiterhin ein Problem. Die Polizeigewalt, mit der sich vor allem Schwarze und auch andere Minderheiten im Land auseinandersetzen müssen, ist dabei nur eines der Symptome.

Floyds Tochter Gianna sagte im vergangenen Jahr, dass ihr Vater mit seinem Tod die Welt verändert hätte. Zu wünschen wäre es, doch die Realität sieht auch mehr als ein Jahr später weiterhin anders aus. Chicago, Brooklyn Center oder Elizabeth City – was diese US-Städte gemeinsam haben, ist, das in allen von ihnen auch nach Floyds Tod Afroamerikaner durch Polizeigewalt ums Leben kamen. Ihre Namen sind Adam Toledo, Daunte Wright und Andrew Brown Jr.

Dass es nicht so weitergehen kann, dürfte den meisten spätestens 2021 bewusst sein. Eine Lösung scheint trotzdem in weiter Ferne. Forderungen wie „Defund The Police“ sind in dieser Diskussion eher kontraproduktiv, besonders in einer Zeit, in der viele US-Städte mit steigenden Mordraten zu kämpfen haben.

US-Präsident Joe Biden hat sich für umfassende Polizeireformen ausgesprochen. Dagegen gibt nichts einzuwenden – am Ende ist es nur aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. Neue Trainingsmethoden, eine klarere Rechtslage und eine Sensibilisierung in Sachen Alltagsrassismus können dabei helfen, die Symptome zu bekämpfen.

Doch das eigentliche Problem bleibt bestehen. Der Gedanke, der noch immer in den Köpfen vieler US-Bürger*innen und Po­li­zis­t*in­nen existiert: „NOT all men are created equal.“

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13 Kommentare

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  • Das für mich erschütternde in all diesen Fällen ist die Tatsache, dass wir scheinbar noch immer nicht über den 1. Dezember 1955 hinaus sind, als Rosa Parks sich weigerte, in einem Bus in Montgomery ihren Sitzplatz einem weissen Fahrgast zu überlassen...

    • 2G
      20226 (Profil gelöscht)
      @Grenzgänger:

      Scheinbar trifft es recht gut.

      Die Wahrheit ist, dass sich in dieser Zeitspanne enorm viel verändert hat.

      • 9G
        97760 (Profil gelöscht)
        @20226 (Profil gelöscht):

        Leider wurde ich in jüngster Vergangenheit Zeuge, wie eine weiße Person in Amerika( Geschlecht soll egal sein) im Flieger den einzigen farbigen Mann im Umkreis von 10 Sitzreihen aufforderte die Rückenlehne gerade zu stellen. Offiziell gab es keinen Anlass dafür, außer privatem Platzvergnügen. Jedem sollte klar sein, daß solche Leute auch privat nix taugen und weiterhin monströs und vor allem vergeblich, auf dem Golfplatz dem Ball der Erkenntnis hinterherlaufen.

        • 2G
          20226 (Profil gelöscht)
          @97760 (Profil gelöscht):

          Und Sie wollen mich mit diesem Beispiel davon überzeugen, dass sich die Lage der Afroamerikaner seit den 50ern nicht verbessert hat?

          Informieren Sie sich bitte einmal über die Jim-Crow-Gesetze, die bis in die 60er Jahre hinein aktiv waren, dann verstehen Sie vielleicht, wie lächerlich diese Aussage ist.

          Ein toller Film über die Unterdrückung der Schwarzen in den USA und den Widerstand dagegen ist übrigens 'Selma'. Nur so.

  • „NOT all men are created equal.“



    Natürlich nicht. Und für Frauen gilt das auch. Finde ich gut, Diversität. Rassismus fängt in der Familie an. Und Kinder mit rassistischen Eltern werden mit grosser Wahrscheinlichkeit auch dieses Gedankengut als Erwachsene haben. Und von rassistischen Gedankenfetzen wird jeder von uns auch mal heimgesucht, höchstens Heilige nicht. Doch humanistisches Denken lässt uns auch erkennen, dass solche Gedanken falsch sind.



    Ganz früher, waren die im nächsten Dorf schon die Fremden, denen man mit Misstrauen begegnet ist. Dann kam so einiges, der Radius vergrößerte sich bis zur Globalisierung. Die hat die Scala verändert. Jetzt sind die Fremden denen man mit Misstrauen begegnet, die vom anderen Kontinent und anderer Hautfarbe. Und dieser Werdegang birgt die Hoffnung, dass Gesellschaften lernfähig sind und nach einer Eingewöhnungsphase, Normalität im Zusammenleben mit so ganz Anderen einkehrt. Doch dann geht es weiter, mit dem gemeinsamen Rassismus aller Erdbewohner gegenüber irgendwelchen Flüchtlingen die mit ihren UFO's bei uns landen und Sozialhilfe beantragen, weil ihr Heimatplanet von einer Supernova verschluckt wurde. Und so weiter und so weiter ...

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @chinamen:

      Alles sehr pauschale Aussagen. Ich garantiere Ihnen folgendes: ob Ihnen ein Mensch sympathisch ist, hängt von seinen Gesten, seiner Körperlichkeit, von der Authentizität seiner Worte im Verhältnis zu seinem Verhalten, und 100 hunderten Infos zwischen jeweiligem Sender und Empfänger ab. Die dann von mir als sympathisch eingestufte Frau aus Marocco z.B, kann Sympathiewerte haben, die eine hier schon längerlebende, aufklärerisch auftretende Frau gar nicht erreichen kann. In beide Richtungen ist alles möglich.

      • @97760 (Profil gelöscht):

        Was sie über Sympathie sagen ist ja schon schlüssig und wird so auch stimmen da es auf zwischenmenschliche Interaktion basiert. Das setzt aber voraus, dass sie die Frau aus Marokko überhaupt erstmal persönlich kennenlernen.



        Viele die Fremde ablehnen, kennen noch nicht einmal welche selber näher und wollen auch keine kennenlernen, Vermeidungshaltung. Doch rassistische Gedanken entstehen ja schon bevor jemand mit der fremden Person direkt konfrontiert wird. Sie wird aus dem sozialen Umfeld und gewissen Medien (Bild, Focus ...) gefüttert. Und da sind meine Ausführungen nicht mehr pauschal, da sie meiner Ansicht nach den Wirkmechanismus treffend beschreiben.

  • Der Mann auf dem Foto soll Securitydienst sein?

    Mit diesem martialischen Auftreten?

    Ich glaube nicht, dass ich mich da besonders sicher fühlen würde.

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @rero:

      Man könnte mit dem Mann sprechen und innerhalb einer Minute einen validen Eindruck bekommen, ob er für diesen Job geeignet ist.

      • @97760 (Profil gelöscht):

        Bei dem Outfit möchte ich ihn nicht mehr ansprechen.

        So ein Outfit ist ja auch Kommunikation.

    • @rero:

      Das ist die USA. Wissen Sie, wie vor 50 Jahren der militante Teil der Black Panther aufgetreten ist? Ich denke, dass das Outfit auf dem Bild daran anknüpft, wie übrigens auch bei vielen BLM-Protesten zu sehen war. Das Land insgesamt ist ziemlich hochgerüstet - so auch die 'andere Seite' der Rechtsradikalen und die Polizei.

      • @resto:

        Auch deshalb wird sich in den vergangenen 50 Jahren wenig geändert haben.

        Der Mann hat ja nicht nur einfach einen Revolver bei.

        Das liefe hier ja schon unter Deeskalation.

  • Gutes und angemessenes Urteil.