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Urteil im Fall KünastFacebook muss mehr löschen

Einem Gerichtsurteil zufolge muss Facebook rechtswidrige Inhalte aktiv suchen und löschen. Klägerin Renate Künast spricht von einem Grundsatzurteil.

Renate Künast hatte vor einem Jahr ihre Klage eingereicht Foto: Christian Spicker/imago

Berlin taz | Facebook muss künftig rechtswidrige Inhalte konsequent und deutlich umfassender als bisher löschen. Das hat das Landgericht Frankfurt am Main am Freitag geurteilt. Geklagt hatte die Grünen-Politikerin Renate Künast. Das Urteil leitet aus Sicht der Organisation Hate-Aid, die Künast bei der Klage unterstützte, einen Paradigmenwechsel ein: Betroffene könnten sich von nun an „endlich effektiv gegen digitale Verleumdungen wehren“.

Gegenstand der Klage ist ein Meme mit einem Falschzitat, das Künast zugeschrieben wird. Nach Angaben von Hate-Aid wird das Meme seit sieben Jahren immer wieder auf Facebook veröffentlicht. Zuletzt hatte Facebook es selbst mit einem Faktencheck gekennzeichnet und darauf hingewiesen, dass es sich um Fakenews handelt. Künast hatte ihre Klage vor etwa einem Jahr eingereicht.

Nun muss Facebook das Meme, wenn es gepostet wird, sowie identische Behauptungen und leicht abgewandelte, aber im Kern gleichlautende Postings löschen, schreibt die Organisation Hate-Aid in einer Mitteilung. Das gelte nicht nur, wenn Nut­ze­r:in­nen entsprechende Beiträge melden. Facebook und sein Mutterkonzern Meta müssten jene Postings aktiv suchen und entfernen. Bei Zuwiderhandlung droht dem Konzern ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. In seinem Urteil betonte das Landgericht Frankfurt am Main, dass Falschzitate den Meinungskampf verzerren und der Allgemeinheit schaden.

„Das Urteil ist eine Sensation. Das Gericht hat klargestellt, dass soziale Medien Verantwortung für den Schutz der Nutzenden tragen“, sagte Josephine Ballon, Justiziarin von Hate-Aid.

Besonders betroffen von Hasskommentaren im Netz sind nach Angaben von Hate-Aid Jour­na­lis­t*in­nen, Ak­ti­vis­t*in­nen und Kommunalpolitiker*innen. Häufig trifft der Hass im Netz Frauen. Seit ein paar Jahren wehren sich vermehrt Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, gegen Hassnachrichten und gehen erfolgreich gegen Privatpersonen vor. So etwa die Klimaaktivistin Luisa Neubauer.

Künast selbst sagte, Falschzitate und Hate-Speech würden im Netz auch vom organisierten Rechtsextremismus „orchestriert eingesetzt, um Politik und Medien herabzuwürdigen“. Das Urteil sei „ein Meilenstein für unsere Demokratie, den Kampf gegen Rechtsextremismus und für alle Nut­ze­r*in­nen im Netz“. Es sei eine Grundsatzentscheidung, die „Wirkungen über Deutschland hinaus haben“ werde.

Künast geht bereits seit mehreren Jahren gegen veraschiedene Falschbehauptungen und Hassnachrichten, die sie in dem Zusammenhang erreicht haben, gerichtlich vor. Um die Urheber auf Schadenersatz und Unterlassung zu verklagen, brauchte sie von Facebook die Nutzerdaten und vom Landgericht Berlin eine Anordnung, dass Facebook ihr diese Daten geben darf.

Im September 2019 verweigerte das Landgericht Berlin diese Anordnung. In allen 22 Fällen der Kommentare, die Künast aufgelistet hatte und sich auf ein Meme mit einer anderen Falschaussage bezogen – sie soll in den 1980er Jahren Sex mit Kindern verteidigt haben – handele es sich um keine Beleidigungen, weil ein Sachbezug zur Diskussion über pädophilen Kindesmissbrauch gegeben sei. Die Kommentare nannten sie unter anderem ein „Stück Scheisse“, „krank im Kopf“ und ein „altes grünes Drecksschwein“. Der Beschluss des Landgerichts sorgte für große Empörung, insbesondere die Tatsache, dass man eine Politikerin ungestraft als „Drecks-Fotze“ bezeichnen darf.

Auf Künasts Beschwerde hin korrigierte das Berliner Landgericht seine Position im Januar 2020 ein wenig und stufte nun sechs der 22 Äußerungen als strafbare Beleidigung ein. In der nächsten Instanz stufte das Berliner Kammergericht im März 2020 weitere sechs Äußerungen als Beleidigung ein.

Gegen die Entscheidungen von Landgericht und Kammergericht erhob Künast schließlich Verfassungsbeschwerde. Im Februar dieses Jahres erklärte das Bundesverfassungsgericht ihre Beschwerde für „offensichtlich begründet“.

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