Urteil gegen Donald Trump: Der Schuldige

Zum ersten Mal wurde ein Ex-Präsident der USA als Straftäter verurteilt. Trumps Anhänger und seine Partei attackieren die Säulen des Rechtsstaats.

Donald Trum geht an Beamten in Uniform vorbei

Ex-Präsident Donald Trump vor dem New Yorker Gericht Foto: Steven Hirsch/ap

BERLIN taz | Auch wenn auf den Straßen von New York linksliberale US-Amerikaner*in­nen lautstark feierten: Der Tag, an dem Donald Trump von einer Geschworenen-Jury wegen Dokumentenfälschung im Zusammenhang mit der Schweigegeldzahlung an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels in 34 Fällen schuldig gesprochen wurde, ist kein guter Tag für die USA.

Zum ersten Mal ist ein ehemaliger US-Präsident in einem Strafverfahren schuldig gesprochen worden. Zum ersten Mal wird im Juli ein verurteilter Straftäter von einer der zwei großen US-amerikanischen Parteien zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Zum ersten Mal wird im November ein verurteilter Straftäter aussichtsreich auf den Wahlzetteln stehen, der zu dem Zeitpunkt womöglich nur deshalb nicht im Gefängnis sitzt, weil er gegen das Urteil in Berufung gegangen ist.

Zum ersten Mal könnte also am 20. Januar 2025 ein verurteilter Straftäter als neuer Präsident der USA vereidigt werden. Und zum ersten Mal könnte noch am selben Tag ein verurteilter Straftäter als Präsident das Justizministerium anweisen, weitere Verfahren gegen sich selbst einzustellen.

Nun ist es durchaus im Sinne des Resozialisierungsgedankens, auch verurteilten Straftätern die Möglichkeit zu geben, ins normale Leben zurückzufinden. Voraussetzungen sind Einsicht, Reue und die größtmögliche Wahrscheinlichkeit, dass die Person keine weiteren Straftaten begehen wird. Auch eine Partei könnte jemandem ein früheres Fehlverhalten samt Vorstrafe durchaus nachsehen.

Keine Spur von Resozialisierungsgedanken

Aber mit all diesen Gedanken haben Donald Trump und die US-Republikaner überhaupt nichts zu tun. Dass Trump in Berufung geht, sobald am 11. Juli ein Strafmaß verkündet worden sein wird, ist sein gutes Recht. Es gehört zu Strafprozessen dazu, die Beweiswürdigung der einen Instanz durch die nächste überprüfen zu lassen.

Aber Trump selbst, ein Großteil des republikanischen Führungspersonals und die mit ihnen alliierten Rechtsaußenmedien machen ja etwas ganz Anderes: „POLITISCHER GEFANGENER“, schrieb Trump nach dem Urteil auf seiner eigenen Medienplattform Truth Social. Rechtsaußen-Moderator Tucker Carlson schrieb, wer dieses Urteil verteidige, bringe US-Amerikaner und ihre Familien in Gefahr. Und Laura Ingraham, Star-Kommentatorin beim rechten Sender Fox News, meinte nach der Urteilsverkündung: „Werden wir also einen Präzedenzfall etablieren, in dem ein Präsident seinen politischen Gegner ins Gefängnis werfen kann? Wenn sie das jetzt tun können, dann wird das, das verspreche ich Ihnen, das neue Normal werden. Die Demokraten zeigen Ihnen, was wirkliche Macht bedeutet. Es ist die Art von Macht, die wir normalerweise von Diktatoren in China und Kuba und Nordkorea erleben.“

19 Zeugen, viele Prozesstage, tausende Akten, eine für die Geschworenen offenbar eindeutige Beweislage, ein New Yorker Bezirksgericht ohne jede Involvierung der Biden-Regierung oder des Justizministeriums und ein Urteil, das Trump noch nicht einmal dann von der Kandidatur ausschließen würde, wenn er tatsächlich im November im Gefängnis säße – und trotzdem führen die Republikaner einen Diskurs, als gelte es, die Demokratie gegen eine politische Justiz zu verteidigen.

„Historische“ Urteilsverkündung

Es ist wohl genau das, was die Urteilsverkündung tatsächlich „historisch“ macht: Eine der zwei staatstragenden Parteien greift auch die letzte Säule der demokratischen Institutionalität an. Medien: fake. Wahlen: gefälscht. Und jetzt Gerichte: korrupt. Da bleibt von einem demokratischen Gemeinwesen nicht mehr viel übrig.

Dieses Weltbild hat mit den Grundfesten dessen, was Demokratie ausmacht, nichts mehr zu tun

Die US-Republikaner*innen und die mit ihnen alliierten Propagandamedien, aber auch ihre Pendants in europäischen Rechtsaußen-Parteien zeigen eine beängstigend erfolgreiche Fähigkeit, Realität rhetorisch in ihr Gegenteil zu verkehren. Was von außen vollkommen irrsinnig erscheint, ergibt innerhalb eines geschlossenen Weltbilds allerdings ausgesprochen viel Sinn.

Nur hat dieses Weltbild mit den Grundfesten dessen, was Demokratie ausmacht, nichts mehr zu tun. Meinungskonkurrenz und Ringen ums bessere Argument und um Mehrheiten in den Parlamenten, Verständnis von Fakten, Anerkennen von Rechtsstaatlichkeit für alle, Akzeptieren von Wahlergebnissen – von all dem haben sich die Trump-Republikaner und ihresgleichen verabschiedet. Anlässlich der Verurteilung Donald Trumps schalten sie endgültig auf Frontalangriff.

Öffentlichkeit vor allem an Wahlauswirkungen interessiert

An all das aber scheint sich die US-amerikanische Öffentlichkeit schon vollkommen gewöhnt zu haben. So fragen die meisten Kommentare und Analysen vor allem danach, wie sich das Urteil auf Donald Trumps Wahlchancen auswirken könnte – und kommen dabei noch nicht einmal zu klaren Analysen. Werden die wenigen Prozente der republikanischen Wähler*innen, die sich womöglich aufgrund der Verurteilung doch von Trump abwenden, ausreichen, um Joe Biden eine Wiederwahl zu ermöglichen? Mal sehen.

Aber ist das wirklich die wichtigste Frage? Denn entgegen dem, was Rechte wie Laura Ingraham erzählen: Angesichts der Beweislast war es nicht politische Justiz, dieses Verfahren zu führen, sondern es wäre politisch motiviert gewesen, es nicht zu führen.

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