Unterlassungsklage gegen Verdi-Sekretär: Gewerkschafter vor Gericht gezerrt
Kampf um bessere Arbeitsbedingungen: Die Sicherheitsfirma Kötter will die Gewerkschaft Verdi zum Schweigen bringen.
Denn hier geht der Versuch der privaten Sicherheitsfirma Kötter, die Gewerkschaft Verdi per Gerichtsbeschluss zum Schweigen zu bringen, in die nächste Runde. Aufhänger sind zwei Flugblätter, die Verdi-Mann Tarim im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen für Fluggastkontrolleure am Airport Düsseldorf verfasst hat. Darin warf er dem Sicherheitsunternehmen mit 18.500 Mitarbeiter*innen und 540 Millionen Euro Umsatz vor, seine Beschäftigten einzuschüchtern und deren grundgesetzlich garantiertes Streikrecht zu beschneiden.
Dazu habe der Chef der Aviation-Flughafensparte von Kötter, Peter Lange, persönlich eine Mitarbeiterin instrumentalisiert, schrieb Gewerkschaftssekretär Tarim. Die habe Mitarbeiter per SMS zum Streikbruch aufgefordert. Dabei sei klar gewesen: Wer trotz Urlaub oder zugesagter freier Tage während des Arbeitskampfs nicht arbeite, könne eine Festanstellung vergessen.
Veröffentlicht hat Tarim die Flugblätter im Februar und März. Mit einer Unterlassungsklage im angesetzten Wert von 112.500 Euro reagiert hat Aviation-Geschäftsführer Lange, der auch Vizepräsident des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen ist und im Aufsichtsrat des Bundesligisten Schalke 04 sitzt, erst ein halbes Jahr später – im August.
Tarim ist nicht iregndwer
Dabei hat Kötter längst klargemacht, wie wenig die Firma vom Streikrecht hält: Noch heute haben manche Mitarbeiter*innen Verträge, mit denen das Grundrecht einfach untersagt werden sollte: „Im Falle von Arbeitskampfmaßnahmen verpflichtet sich der Arbeitnehmer, an diesen nicht teilzunehmen“, heißt es darin.
Die Gewerkschafter*innen im Gerichtssaal halten Kötters Unterlassungsklage deshalb für vorgeschoben. Mit dem hohen Streitwert solle Tarim eingeschüchtert werden, glauben sie. Denn der 42-Jährige ist nicht irgendwer: Der Verdi-Mann, der die Flughafen-Sicherheitssparte in NRW seit zehn Jahren betreut, hat die lange als prekär und unorganisierbar geltende Branche aufgemischt. Seit 2013 haben die 1.100 Kötter-Beschäftigten am Düsseldorfer Flughafen immer wieder gestreikt – mit massivem Erfolg: Der Stundenlohn stieg von 12,36 auf aktuell 17,70 Euro. Ab 2021 werden 19,01 Euro gezahlt.
Zusammen mit Aviation-Betriebsratschef Torsten Bogula hat Tarim auch die miesen Arbeitsbedingungen der Luftsicherheitsassistent*innen angeprangert. Von denen verlangt Kötters Auftraggeber, die Bundespolizei, maximale Flexibilität – schließlich werden in den Sommerferien weitaus mehr Fluggäste abgefertigt als im Winter. Für die Kontrolleur*innen bedeutet das ständig wechselnde und oft überlange Arbeitszeiten. Der Krankenstand der gestressten Flugsicherheitskontrolleur*innen liegt deshalb bei 20 Prozent.
Aviation-Chef bleibt stur
Gefährdet werde damit „die Flugsicherheit, die Terrorabwehr“, klagt Betriebsrat Bogula. Die Folge für die Passagiere sind stundenlange Wartezeiten und verpasste Flüge – wie zuletzt im November.
Kötter musste Hunderte zusätzliche Mitarbeiter*innen einstellen, klagte prompt über Millionenverluste – und hat den regulär bis 2020 laufenden Vertrag mit dem Bundesinnenministerium zum kommenden Mai auflösen lassen. Mehr als ein Poker um mehr Geld scheint das aber nicht zu sein: Bis heute hält sich das Sicherheitsunternehmen offen, sich erneut um die Fluggastkontrollen zu bewerben.
Im Kampf gegen Verdi bleibt Aviation-Chef Lange stur: Den Vorschlag des Düsseldorfer Arbeitsgerichts, die Unterlassungsklage fallen zu lassen und das Verhältnis zur Gewerkschaft per professioneller Mediation zu verbessern, lehnten Kötters Anwälte ab. Voraussichtlich im März wird der Prozess fortgesetzt. „Wir haben nichts zurückzunehmen“, sagt Gewerkschaftssekretär Tarim schon heute. „Wir stehen zu dem, was wir veröffentlicht haben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht