Unruhen in Nahost: Falsche Rückendeckung

Die Angriffe der Hamas auf Israel sind fatal für die internationale Solidarität. Denn so legitim der Protest in Ostjerusalem auch ist – die Raketen sind es nicht.

Männer tragen Flaggen der Hamas und einen Sarg durch die Straßen

Die Opfer des israelischen Vergeltungsangriffs werden mit Flaggen der Hamas durch Gaza getragen Foto: Mahmoud Ajjour/imago

Eigentlich ist es ein Wunder, dass es erst jetzt zur Eskalation kommt. Die Wut, die sich in Israel und Palästina Bahn bricht, hat sich seit Langem angestaut. Bei den Protesten geht es um Ungleichheit, Diskriminierung, Per­spek­tiv­lo­sig­keit. Sie richten sich gegen Israels radikale und aus den USA finanzierte Siedlerbewegung und die Verdrängung von Ara­be­r*in­nen aus Ostjerusalem und dem Westjordanland.

Was in den letzten Tagen zu beobachten war, ist ein Aufbegehren gegen die systematische Delegitimierung der palästinensischen Existenz in Nahost. Mit voller Unterstützung der US-Regierung unter Donald Trump haben Israels Premier Benjamin Netanjahu und seine rechten Verbündeten den Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in den vergangenen Jahren einen Schlag nach dem anderen verpasst. Israelis und Ame­ri­ka­ne­r*in­nen haben ihre Position in dem völlig asymmetrischen Konflikt bis zum Äußersten ausgereizt.

Es sei nur erinnert an die US-Anerkennung der völkerrechtswidrigen Siedlungen oder die von Netanjahu versprochene Annexion von einem Drittel des Westjordanlands. Die Emotionen kommen nicht von ungefähr. Und sie haben nichts damit zu tun, dass Mus­li­m*in­nen im Ramadan besonders erregbar sind. Doch nun reden wieder alle über die Hamas, über Raketenangriffe und palästinensische Militanz. Und das leider nicht zu Unrecht. Die Raketen aus Gaza auf zivile Ziele in Israel sind Terror.

Skandalöse Vereinnahmung

Daran ändert auch nichts, dass die Toten wieder zum größten Teil Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen sind. Kaum etwas schadet der palästinensischen Sache so wie die Islamisten in Gaza. Hamas und Islamischer Dschihad terrorisieren nicht nur Unschuldige in Aschkelon, Aschdot und Jerusalem. Sie schaden auch den Palästinenser*innen. Wer jetzt lauthals gegen palästinensischen Terror wettert und Israels Recht auf Selbstverteidigung hochhält, hat ja recht.

Und es ist skandalös, dass sich viele von den Extremisten vereinnahmen lassen, sich blind mit Palästina solidarisieren, ohne klar Stellung zu beziehen gegen jene, die den Terror ausüben, gutheißen oder wegschweigen. Gemeint sind nicht nur die Demonstrierenden selbst, sondern auch viele Mus­li­m*in­nen und An­ti­im­pe­ria­lis­t*in­nen weltweit, die sich pauschal auf die palästinensische Seite schlagen – von einigen tür­kei­stäm­migen Deutschen bis hin zu Mus­li­m*in­nen in Südostasien oder den USA.

Im Nahostkonflikt gibt es klare Verlierer. Wer sich mit ihnen solidarisieren will, sollte wissen, wo die politischen Widersacher sitzen. Wo sind die Demos für eine gerechte Lösung des Nahostkonflikts, auf denen auch Sprechchöre gegen die Hamas zu hören sind?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.