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Union will Fusionsreaktor für StromFantastisch, aber nutzlos

Kernfusion könne im Strommix nicht mal zum Tragen kommen, wenn es technisch möglich wäre. Das sagen wissenschaftliche Berater des Bundestags.

Kommt der Strom bald aus dem Fusionsreaktor? Wohl eher nicht Foto: Swen Pförtner/dpa

Berlin taz | Die Kernfusion wird für die deutsche Stromversorgung in Zukunft keine Rolle spielen. Zu diesem Ergebnis kommt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung im Deutschen Bundestag in einer Studie.

„Um die schwankende Einspeisung von Solar- und Windstrom auszugleichen, sind schnell regelbare Kraftwerke mit niedrigen Investitionskosten nötig“, heißt es darin. Selbst wenn Fusionskraftwerke ab Mitte des Jahrhunderts in großem Maßstab zur Verfügung stünden, könnten sie diese Aufgabe absehbar nicht erfüllen.

Die Union hatte im November eine „Neue Energie-Agenda für Deutschland“ vorgelegt. In Deutschland müsse „der erste an das Netz angeschlossene Fusionsreaktor der Welt“ entstehen, heißt es darin.

Zudem finden sich lauter alte Forderungen der Konservativen: Die Union will die EEG-Umlage abschaffen, eine „fachliche Bestandsaufnahme“ zur erneuten Nutzung der abgeschalteten Atomkraftwerke durchführen, die Beheizung der Häuser wieder „technologieoffen“ gestalten (also weg von der Wärmepumpe) – und mehr Geld in die Erforschung der Kernfusion stecken.

Zu unflexibel für das erneuerbare Stromsystem

Seit den 1950er Jahren wird die Kernfusion erforscht, also jenes Prinzip zur Energiegewinnung, das der Sonne nachempfunden ist. Atomkerne von Wasserstoff und Helium verschmelzen und geben dabei ungeheure Mengen von Energie ab. Das Potenzial ist fantastisch: 1 Gramm Wasserstoff gibt etwa dieselbe Menge Energie frei wie die Verbrennung von 8 Tonnen Erdöl. Oder 11 Tonnen Kohle.

In Deutschland gibt es Forschungsstandorte etwa in Greifswald und München. Tatsächlich soll ein erster Versuchsreaktor ab kommendem Jahr in Frankreich aufgebaut werden. In Betrieb gehen wird dieser aber frühestens nach 2034.

Der praktische Nutzen für die Stromversorgung hält sich aber laut dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag in Grenzen. Das Büro ist eine selbstständige wissenschaftliche Einrichtung, die parteiunabhängig den Deutschen Bundestag und seine Ausschüsse in Fragen des wissenschaftlich-technischen Wandels berät.

Die Argumentation zur Kernfusion: Fusionskraftwerke seien im künftigen Energiesystem Deutschlands zu unflexibel, um damit die Erzeugung jederzeit der Nachfrage anzupassen, schreiben die Forscher. „Zum anderen braucht es Reservekapazitäten zur Überbrückung von gelegentlich auftretenden Perioden mit geringem Dargebot an Sonne und Wind (Dunkelflauten von einigen Tagen).“ Dafür seien Fusionskraftwerke, die nur manchmal laufen, schlichtweg zu teuer.

Nach Daten der Bundesnetzagentur ist die installierte Kapazität an Erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr in Deutschland auf knapp 190 Gigawatt (GW) gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr entsprach das einem Plus von zwölf Prozent. Damit ist der volatile Grünstrom mit mehr als 50 Prozent Basis der deutschen Stromversorgung. „Ein Bedarf an Kraftwerken, die über das gesamte Jahr konstant Strom einspeisen, besteht in einem solchen Stromsystem nicht“, schreiben die Autoren.

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24 Kommentare

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  • In der physikalischen Theorie funktioniert der Fusionsreaktor natürlich, er lässt sich auch einwandfrei berechnen - die Sonne(n) beweist(beweisen) es tagtäglich.



    Aber dort herrschen bekanntlich Druck- und Temperaturverhältnisse in Größenordnungen, die auf einem Planeten wie der Erde nun mal nicht existieren.



    Und eben das Problem, diese in einem Kernfusionsreaktor künstlich zu erzeugen, könnte sich als unüberwindbare Hürde erweisen, d.h. sich technisch nicht zuverlässig und sicher in einem Dauerbetrieb darstellen lassen.



    Ich kann gut nachvollziehen, dass es spannend ist danach zu forschen und dass es für die Wissenschaftler und Ingenieure eine tolle Herausforderung ist. Es wird ja auch geforscht.

    Aber zum jetzigen Zeitpunkt diese Technik als greifbare Alternative anzupreisen, zeugt nur von einer unglaublichen Ignoranz, wenn nicht Dummheit.



    Vielleicht wird es niemals gelingen, einen Fusionsreaktor in einem zuverlässigen Dauerbetrieb zu halten.

    Mit der Photovoltaik (und mehr oder weniger indirekt den Windkraftanlagen) nutzen wir die Sonnenenergie ganz einfach direkt. Und die scheint für "umme".



    Lasst die Sonne die Kernfusion machen - die kann das besser!

  • Na wenn das so ist. Lassen wir das mit dem Forschen einfach bleiben.



    Alle weltweit Forschenden können dann einpacken. Unsere tollen Regierungsberater haben festgestellt dass es genug Kerzen gibt und deswegen kein Mensch eine Glühbirne erfinden muss.



    Wo ist mein Pferd?

    • @Dromedar:In:

      Das Forschen ist schon sinnvoll.



      Nur ist es nicht sinnvoll, jetzt schon auf eine Technologie zu setzen, die seit 50 Jahren in 30 Jahren amrktreif sein wird.



      Wenn die Reaktoren so weit sind, wenn wir genau wissen, welche Besonderheiten wir berücksichtigen müssen, wenn wir genau wissen, dass dabei wirklich kein Risiko besteht, welches andere Kraftwerke unverantwortlich übersteigt, dann können wir anfangen zu überlegen, wie die mit unsrem dann existierenden Energiesystem zusammenpassen.

    • @Dromedar:In:

      Hä?? Man muss das Forschen keineswegs einstellen, nur ist es eine Frage ob es Sinn macht. Zudem wäre ein Blick in Immanuel Kant's Werk "Die Kritik der reinen Vernunft" hilfreich...

  • Schreibe ich, auch hier, schon seit einiger Zeit.



    Sonne, Wind & Friends werden innerhalb der "50 Jahre", hahaha, die Kernfusion ja stets noch dauert, bereits das Thema Strom gelöst haben, oder wir hätten unnötig ein Problem.

    Unsere Fraunhofers etc. haben schon interessante Batterien- etc. Lösungen im Auge. In die Zukunft schauen, nicht auf die Fossil-Atom-Tatterer der Union.

  • Der Bericht wird hier www.ipp.mpg.de/5481180/tab_bericht_2025



    folgendermaßen kommentiert:



    Prof: Günter: „Fusionskraftwerke können Strom produzieren, aber auch Prozesswärme für die Industrie liefern und Energie für die Herstellung künstlicher Treibstoffe wie Wasserstoff bereitstellen. Darüber hinaus ist damit zum Beispiel auch denkbar, die Energie zu nutzen, um CO2 aus der Luft abzuscheiden und Meerwasserentsalzungsanlagen zu betreiben. Wir gehen davon aus, dass diese Kraftwerke eher im Dauerbetrieb laufen werden, also heutigen Grundlastkraftwerken vergleichbar sind.



    Werden solche Kraftwerke in ein künftiges Energiesystem passen? […] Fusionskraftwerke können in einem künftigen Strommarkt sehr gut und sinnvoll mit den Erneuerbaren zusammenspielen. Ihre Leistung ist bei Bedarf regelbar. (1) Wenn man davon ausgeht, dass Fusionskraftwerke sowohl bei Bedarf Strom zur Verfügung stellen und in anderen Zeiten chemische Energiespeicher wie Wasserstoff produzieren, passen sie auch gut in ein Energiesystem der Zukunft.

  • Die Zukunft der Kernfusion ist noch nicht eindeutig, aber ist ganz sicher, dass Energie aus Sonne und Wind nur eine Übergangslösung ist.

    • @1Pythagoras:

      WOW! Das ist am Anfang der Kernspaltung ganz genauso vorausgesagt worden. Solche Geistesblitze lenken nur davon ab, dass es gar keine reale Alternative zu Erneuerbaren gibt.

  • Na klar, wir wollen zurück zu zentraler Energieversorgung. Das macht es nämlich den Sponsoren der konservativen und noch rechteren Parteien viel leichter, Geld damit zu verdienen. Und den Putins und anderen Kriegstreibern macht es dir Ausschaltung unserer Stromversorgung leichter.



    Sicher ist so ein Verfahren bestimmt auch, bei dem gewaltige Mengen Energie in winzigen Zeiträumen freigesetzt werden - vor allem, wenn es gewinnorientiert betrieben wird. Und so eine einfache Technologie ist ja auch nur gaaanz wenig störanfällig.



    Ich lach mich schief.

  • Die Forschung zur Kernfusion ist zwar in vollem Gange und das ist vermutlich richtig so. Aber die Illusion, dass wir eines Tages unbegrenzt Energie ohne radioaktiven Abfall zur Verfügung haben werden ist genau so utopisch, wie dass wir auf der Sonne leben könnten.

  • union bzw. merz+söder sind beratungsresistent + können wohl nicht rechnen. solche leute in einer regierung: gute nacht deutschland.

  • Es gibt da diesen alten Physikerwitz:



    "Der erste Fusionsreaktor ist in etwa 30 Jahren serienreif."

    Der Witz daran: Der Spruch gilt unverändert seit den 70ern oder so.

    • @Sonntagssegler:

      Richtig, unter (Kern-)Physikern kursieren diese 30 Jahre unter dem spöttischen Bonmot der "Kernfusionsreaktor-Konstante" (in Anlehnung an die tatsächlich existierenden Konstanten in der Physik wie z.B. die Gravitationskonstante, Lichtgeschwindigkeit usw.).



      Egal wann man fragt, lautet die Antwort nämlich immer "... in 30 Jahren sind wir soweit, dann produziert der Kernfusionsreaktor Strom".



      Also faktisch nie.

  • €DU labert Schei__e um abzulenken.



    Sonst müssten sie zugeben, dass Robert Habeck alles richtig gemacht hat.

    • @So,so:

      Überall sogar er nicht, obwohl ich seine öffentliche Fehlerkultur außergewöhnlich gut finde.



      Die wiederbelebte Energiewende ist aber das, wofür wir auch in 20 Jahren ein Dankeschön aussprechen werden im Nachblick. Und das unter sehr erschwerten Umständen und Schocks!

  • Gilt, rein theoretisch, auch umgekehrt. Sollte Kernfusion funktionieren und betreibbar sein, dann deckt man damit eben den Strombedarf. Man kann dann die Windräder wieder bis zum Horizont abbauen und die Solarfelder für den Naturschutz freigeben. PV auf dem Hausdach für Eigenbedarf kann bleiben.



    Abgesehen davon, dass es nicht funktioniert. Sind die Fusionreaktoren schlechter regelbar als AKWs? Die waren schon im Stromnetz.

    • @fly:

      "Sind die Fusionreaktoren schlechter regelbar als AKWs?"



      Woher soll man das wissen? Man weiß doch gar noch nicht wirklich, wie die funktionieren sollen.

    • @fly:

      Oder wir bauen Konzern- und Banken-Hochhäuser bis zum Horizont ab und geben Autobahnen für den Naturschutz frei.

      Dezentralisierung und Diversifizierung sind super für eine sichere Energieversorgung.

  • Es wird also einer Technik nachgelaufen, die es (noch?) nicht gibt, und die, so es sie tatsächlich geben sollte, eigentlich in dieser Form nicht brauchbar ist.



    Das ist nicht (technologie-)offen, das ist nicht ganz dicht.

    • @Encantado:

      Interessant ist die Kernfusion schon, es könnte Wasserstoff produziert werden, auch wird man in Zukunft sehr große Energiemengen benötigt, um das CO2 aus der Luft zu nehmen und den ph Wert der Weltmeere wieder auf den ursprünglichen Zustand zu bringen.

      • @thomys:

        Nein, man betreibt Fusionsreaktoren mit Wasserstoff. Produziert wird Helium.



        Also nein; es wird kein Kraftwerk geben, welches gleichzeitig Energie und einen energiereichen Kraftstoff produziert.



        Was nichts daran ändert, dass wir durchaus einen Energieüberschuss brauchen könnten, um die Fehler der Vergangenheit aufzuräumen. Nur darauf bauen sollten wir beim Energie-Umbau nicht.

  • "Tatsächlich soll ein erster Versuchsreaktor ab kommendem Jahr in Frankreich aufgebaut werden. In Betrieb gehen wird dieser aber frühestens nach 2034." Damit geht der Versuchsreaktor 2034 in Betrieb! Bis dieses Milliardengrab in Serie an lebensmüde Milliardäre verkauft werden könnte dauert es wohl nochmlas 50 Jahre. Man vergleiche nur die Bauzeiten der letzten Reaktoren der neusten Technologie. Das die Konservativen weiterhin ohne Erkenntnisse die alten Zöpfe weitervroantreiben wollen auf Kosten der Zukunft ihrer Enkel ist nicht nur unverständlich sondern kriminell, denn sie tun dies wissentlich schon seit den 1970-er Jahren.

  • Also auf laaaaange Sicht ist es natürlich ressourcenschonender ich habe ein paar Fusionsreaktoren rumstehen als viele Ressourcen für Windräder, Solarzellen und Speichermedien etc. einzusetzen. Denn auch wenn die viel länger halten als anfangs gedacht, irgendwann müssen sie ersetzt werden.

    • @FancyBeard:

      Es wird aber, wenn überhaupt jemals, keine einsatzfähigen Fusionsreaktoren vor 2060 geben. Und die sind dann wieder in der Hand von Grosskonzernen. Nein, Habeck macht alles richtig und die Chinesen ja auch: Wind, Solar und sukzessive jetzt Energiespeicher, die immer billiger werden.