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Union im BundestagLeichtes Spiel für Merz

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Um das sogenannte Sondervermögen umzusetzen, braucht Kanzler Scholz Stimmen der Opposition. Umsonst will Merz die Unterstützung nicht liefern.

Friedrich Merz während einer Debatte über einen umfassenden Unterstützungsplan für die Ukraine Foto: Michele Tantussi/reuters

E s hat schon etwas Putziges, dass SPD-Chef Lars Klingbeil dem Vorsitzenden der Unionsfraktion vorwirft, dieser agiere parteitaktisch. Nicht nur, weil die SPD dies selbstverständlich ebenfalls tut. Wichtiger ist: Die Union ist nicht mehr der Koalitionspartner der SPD, sondern sie sitzt in der Opposition. Und die hat in einer Demokratie die Aufgabe, die Regierungsarbeit kritisch zu hinterfragen. Sie darf die Regierung vor sich hertreiben. Dass das derzeit besser von rechts als von links gelingt, ist nicht schön.

Friedrich Merz aber kann man das nicht vorwerfen. Auch wenn man seine Agenda kritisch sieht, lässt sich feststellen: Bislang macht der Mann seinen neuen Job ziemlich gut. Das allerdings liegt nicht nur an Merz und der Union, die bislang geschlossen hinter ihrem Fraktionschef steht. Die Ampel macht es ihm leicht. Sie kündigt eine allgemeine Impfpflicht an, obwohl ihr die eigene Mehrheit fehlt – und begibt sich damit in die Abhängigkeit von CDU und CSU. Ampelabgeordnete kritisieren offen die Zögerlichkeit des Kanzlers – Merz kann die Regierung mit einem Antrag, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern, unter Druck setzen.

Und dann soll es ein „Sondervermögen“ für die Bundeswehr geben, für dessen Verankerung im Grundgesetz eine Zwei-Drittel-Mehrheit gebraucht wird, also auch die Stimmen der Union. Merz will nicht nur zustimmen, sondern vorher auch mitreden. Die Ampel wird darauf eingehen müssen. Natürlich will Merz auch die Union profilieren, die nach ihrem Machtverlust am Boden liegt.

Im Mai stehen zwei Landtagswahlen an, darunter im wichtigen Nordrhein-Westfalen. Verliert die CDU dort ihren Ministerpräsidenten, steht der Partei eine neue Erschütterung bevor. Und Merz seine erste Niederlage. Bislang aber hat er es geschafft, in dieser „Zeitenwende“ die Balance zwischen staatspolitischer Verantwortung und eigener Profilierung zu halten, auch weil die Union bislang nicht (oder kaum) gegen die eigenen Überzeugungen gehandelt hat.

Das allerdings könnte sich mit der endgültigen Abstimmung über das „Sondervermögen“ ändern. Merz hat angekündigt, nur so viele Ja-Stimmen liefern zu wollen, wie die Ampel jenseits ihrer Abgeordneten insgesamt braucht. Dafür müssten tatsächlich Unionsabgeordnete gegen ihre Überzeugung stimmen – das wäre Parteitaktik pur und mit dem freien Mandat schwer vereinbar.

Scheitert das „Sondervermögen“ an der Union, dürfte das bei deren An­hän­ge­r:in­nen zudem gar nicht gut ankommen. Merz dürfte froh sein, dass die entscheidende Abstimmung erst nach den Landtagswahlen ist. Denn hier wird er wohl einen Rückzieher machen müssen. Oder in seiner neuen Rolle zum ersten Mal so richtig danebenlangen.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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9 Kommentare

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  • @RUDOLF FISSNER

    Vermissen?

    Das ist tatsächlich schwer zu beantworten.

    Auf der einen Seite ist die Reaktion "wir brauchen eine funktionierende Landesverteidigung" angesichts des Kriegs in der Ukraine nachvollziehbar. Ich wer's keine*r Ukrainer*in verdenken, wenn sie jetzt sagen "SCHICKT DIESE VERDAMMTEN HAUBITZEN *JETZT*!".

    Auf der anderen Seite: was sollen wir mit *noch mehr* konventioneller Bewaffnung. Der Grund dafür, dass die NATO auf Eiern läuft ist doch eher die Angst, dass die russische Regierung anfängt, mit Atomwaffen herumzuwerfen, wenn sie hinreichend frustriert ist. Spielt Putin nun den Verrückten? Oder tut er nur so?

    Auf der dritten Seite: wenn wir jetzt die Rüstungsindustrie mit 10^11 EUR füttern, dann kommt am anderen Ende ein noch fetteres, noch gierigeres Monster raus, das noch ungehaltener wird, wenn's nicht genug bewaffnete Konflikte auf der Welt gibt.

    Ich würd' sagen: ich würde sie nicht vermissen.

    Ich kann aber verstehen, dass andere da zu anderen Schlüssen kommen (ich meine nicht, die bei Rheinmetall).

  • "Die Ampel macht es ihm leicht. Sie kündigt eine allgemeine Impfpflicht an, ..."

    Wann und wer hat für die "die Ampel" eine allgemeine Impfpflicht angekündigt? Der Gesundheitsminister hat doch nicht mal einen Gesetzentwurf ausgearbeitet.

  • Frau Orde, nennen Sie doch bitte einfach die Dinge beim Namen so, wie sie sind: es geht um Schulden. Einen Kredit.

    Es gibt keinen Grund für die TAZ, den neoliberalen Neusprech des Herrn Lindner unreflektiert zu übernehmen! Vielen Dank!

  • Ich würd' sagen: wir lassen das mit dem Sondervermögen. Die Union ist schuld :-D

    • @tomás zerolo:

      Würden Sie die 100 Milliarden Ausgaben für die Bundeswehr vermissen?

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Merz hat sich verzockt.



    Mit politischen Taschenspielertricks und Maximalforderungen hat er versucht, die Regierung um Scholz in die Ecke zu drängen.



    Und die meisten "Beobachter" (sprich: Medien) übernahmen das Narrativ vom getribenen Kanzler samt Kabinett unreflektiert, von den ör-Nachrichtenredaktionen über die Goldfedern von Spiegel, Süddeutsche, FAZ bis zu den Provinzblättchen und -blätter wie der Augsburger Allgemeinen (auf die ich durch den inzwischen demissionierten Gregor Peter Schmitz aufmerksam wurde, deren Haupstadtredaktion sich seit allerdings seit einiger Zeit um die Rolle des Bayernkurier auf Bundesebene - sprich, für die "Union" bewirbt).



    Kollektiver Kampagnen-Journalismus kann das nicht sein; mithin kommt nur Herdentrieb infrage.



    Dabei hat es Scholz (dem ich seit und wegen seiner Rolle im Schröder-Clan um die Jahrtausendwende ganz und garnicht anhänge) so leicht, wie man es sich nur wnschen kann:



    Er ruft bei Merz an und sagt: Du, Fritz, entweder du machst mit - Entgegenkommen meinerseits im Detail selbstverständlich - oder du kriegst von mir das Etikett "Bundeswehrmodernisierungsverhinderder" aufgepappt.



    Dann wollen wir mal sehen, wie der "Große Fritz" (der "Alte" ist leider ja schon vergeben) reagiert.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      „Die Union ist nicht mehr der Koalitionspartner der SPD, sondern sie sitzt in der Opposition. Und die hat in einer Demokratie die Aufgabe, die Regierungsarbeit kritisch zu hinterfragen.“



      Merz hinterfragt nicht kritisch, er macht leider nur Wahlkampf, traurig in diesen Zeiten.

      • @D-h. Beckmann:

        ROFL ja. Die CDU hat Scholz doch glatt mit seiner 2% Regelung ernst genommen. Das wird ihr nun von den Fans der Regierung negativ ausgelegt.

        Offensichtlich waren die 100 Milliarden Sondervermögen nie dafür gedacht, dass DE seinen Anteil an der NATO vollumfänglich übernimmt. Es ist das gleiche Spiel wie jetzt schon bei der geizigen Unterstützung der Ukraine.

  • Kern der Misere ist... die Schuldenbremse. Wie konnten die alle so dumm sein?

    Oder war das am Ende doch Böswilligkeit?

    Wie viel kreative Buchführung seit dieser Fehlentscheidung erzeugt wurde... da kann eine*m schwindlig werden.