Unabhängigkeit von russischem Gas: Die Krisen kommen gleichzeitig
Die Klimakrise setzt sich auch während Kriegen fort. Durch den Putin-Boykott wird eine klimafreundliche Energieversorgung dringender denn je.
E s fallen Bomben in Europa. Menschen haben Omikron. Der Planet wird gefährlicher. Die Stromrechnung will bezahlt werden. Es ist alles wichtig. Und zu viel. Aber es hilft ja nichts. Auch nicht bei der Frage der Stunde: Wie schaffen wir den Putin-Boykott und werden schnell unabhängig von Gas aus Russland? Bisher kommt mehr als die Hälfte des deutschen Gases aus dem Land, das einen Krieg gegen die Ukraine führt – und Europa den Gashahn zudrehen könnte, wenn Europa es nicht vorher selbst tut.
Öl und Kohle aus Russland lassen sich einfacher aus anderen Quellen ersetzen, beim Gas wird das wohl nicht komplett gehen. Also anders. Da gibt es die Rufe nach der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke, die aus technologischer Sicht unrealistisch und auch sonst fehlgeleitet sind. Schließlich wird eher Wärme als Strom gebraucht. Kohlekraftwerke könnten da helfen, denn die sind teils an Fernwärmenetze angeschlossen.
Und auch solche Rufe gibt es: zur Not eben mehr Kohle verfeuern, Kohlekraftwerke trotz gesetzlichem Abschaltdatum laufen lassen, obwohl das klimaschädlich ist. Auch das ist kein guter Plan. Die Klimakrise geht weiter, auch wenn der Krieg in der Ukraine gerade vordringlich ist. Warum nicht endlich ernsthaft gucken, wie Deutschlands Energieverbrauch sinken kann? Warum nicht ein bisschen weniger erdgasbasierte Düngemittel herstellen?
Wo bleibt die gigantische Infokampagne mit unbürokratischem Förderprogramm, bei der kein:e Besitzer:in einer Öl- oder Gasheizung anders kann, als sie durch eine Wärmepumpe ersetzen zu lassen? Das ist ohnehin alles überfällig. Geld kann man schaffen, wie der neue Reichtum der Bundeswehr eindrücklich zeigt. Der limitierende Faktor ist höchstens der Mangel an Fachkräften, die die erneuerbaren Heizungen installieren können und sich schlicht und einfach nicht drucken lassen.
Trotzdem darf der erste Impuls im Jahr 2022 nicht sein, sich noch mal mit voller Wucht ins fossile Zeitalter zu werfen, das wir gerade aus guten Gründen verlassen – höchstens der allerletzte. Wir müssen damit zurechtkommen, dass wir nicht eine Herausforderung meistern und feinsäuberlich zu den Akten legen können, bevor die nächste ansteht. Die Klimakrise hat sowieso mit so ziemlich allem etwas zu tun.
Ein Bericht des Weltklimarats hat am Montag gezeigt: Die Folgen des Klimawandels sind jetzt schon schwerwiegend und teilweise unumkehrbar. Das Risiko ist aber für diejenigen besonders groß, die marginalisiert und in Armut leben. Eine Krise wartet nicht auf die andere. Meistens sind sie nicht nur zeitgleich, sondern auch noch verwoben. Um diese Realität können wir uns nicht herumdrücken.
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