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Umweltpolitik von Schwarz-RotRückschritt statt Realität

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Mit ihren Plänen für Klima und Umwelt droht die künftige Bundesregierung, eine längst überholte und untaugliche Politik fortzusetzen.

Dem Koalitionsvertrag fehlen echte Zukunftslösungen Foto: Jan Woitas/dpa

T reibhausgase einzusparen ist in der Klimapolitik nur die zweitwichtigste Aufgabe: In erster Linie geht es darum, Alternativen zu unserem klimaschädlichen Leben zu entwickeln. Dass wir Europäer dabei Vorreiter sein müssen, liegt auf der Hand. Es ist unser Lebensstil, der jeden Tag die Klimaerhitzung entfesselt. Insofern ist der Koalitionsvertrag eine herbe Enttäuschung: Statt neue Wege zur Treibhausgasreduktion auszuprobieren, haben Union und SPD verabredet, „CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern“ vorzunehmen und sich auf die deutsche Reduktionspflicht anzurechnen.

Das ist die Fortsetzung jener alten Politik, die sich längst als untauglich zur Problemlösung erwiesen hat. Bäume in Afrika zu pflanzen und Staudämme für Wasserkraftwerke zu bauen – schon unter dem Kyoto-Protokoll von 1997 ging das nicht gut. Statt sich angemessen in die Zukunft aufzumachen, spielt diese Koalition die reiche Tante, die sich mit ihrer Kohle von der Verantwortung freikauft.

Das Wort „Zukunft“ kommt 68-mal im Koalitionsvertrag vor. Doch die Regierung weigert sich mit diesem Vertrag, die Probleme der Zukunft anzugehen. Zum Beispiel die Pendlerpauschale: Statt klimaschädliche Subventionen zu streichen, wollen die Koalitionäre sie erhöhen. Oder die Entwaldungsverordnung der EU: Statt dem weltweiten Abbrennen etwas entgegenzusetzen, sollen „überbordende Regulierungen“ gestrichen werden. Da sind die Gaskraftwerke: Statt den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen, sollen in nur fünf Jahren solche Fossilkraftwerke mit 20 Gigawatt Leistung neu gebaut werden.

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Nicht einmal fachliche Praxis ist vor dieser neuen Regierung sicher: Wer in der EU eine neue Chemikalie in Verkehr bringen möchte, muss derzeit zuvor nachweisen, dass sie ungefährlich ist. Union und SPD wollen dagegen einen „risikobasierten Ansatz“. Gleichzeitig wollen sie Klagerechte der Umweltverbände einschränken. Wirtschaft ankurbeln, indem „Spielräume im EU-Recht“ genutzt werden, um Standards abzusenken – das löst die Probleme unserer Zeit nicht, sondern verschärft sie.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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9 Kommentare

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  • Vor der Regierungsbildung kommen ja bei uns immer noch die Wahlen. Und wenn ich es richtig im Kopf habe, wurden da die Parteien, die Umweltschutz auf ihrer Agenda haben, wenig gewählt. Es liegt also am Wähler, das die Umwelt momentan kein Thema ist. Traurig aber wahr.

  • Es folgt dem aktuellen, globalen Trend. Vor allem in den reichen Industriestaaten des globalen Nordens. Natur- und Klimaschutz ist out.

  • Der Mensch hatte noch nie ein Faible für die Realität, die Politik schon längst nicht.

  • Wieso..ist doch eigentlich ganz rational. Die (meist ältere) Klientel von CDSUSPD wird schön gemütlich bedient..und wenn die Probleme mit dem Klima so richtig durchschlagen, ist man doch längst tot.



    Damit dürfen sich dann die jüngeren Generationen rumschlagen..genau wie mit den Schulden, die man ihnen (auch) für den wieder zunehmend klimaschädlichen Lebenswandel zusätzlich aufbürdet..



    Das ist ungefähr so, als würden Oma und Opa die WG ihrer Enkelin besuchen und erstmal genüsslich den Kühlschrank leer fressen, die Reste einfach liegen lassen um dann bei der Verabschiedung zu betonen, wie nett es doch war..und was die jungen Leute für tolle Gastgeber..







    ..ach so..eine Frage noch: *glauben Sie eigentlich an Karma oder Wiedergeburt.?*..

    • @Wunderwelt:

      Wenn "Oma und Opa" nur den Kühlschrank leerfressen und nicht die Zigarren auf dem Sofa ausdrücken wollten, bildlich gesprochen, natürlich, ginge es vielleicht noch. Aber wo ist denn das Problem, sie machen das doch daheim genauso?

      Wenn dereinst mal der Rhein richtig austrocknet, und das kann passieren, wenn "Oma und Opa" noch lang leben, würde das ja auch nicht weiter schlimm, dann betreiben sie Klospülung und Waschmaschine halt mit Mineralwasser aus dem Supermarkt: www.stern.de/polit...reit-33863128.html

      • @dtx:

        www.goethe.de/prj/.../umw/24826201.html

        Zitat: "... Wenn man einen Quadratmeter zubetoniert, fließen in einem Jahr 500 Liter Wasser ab, ohne dass man etwas davon hat. In 50 Jahren sind es 25.000 Liter. In der Slowakei fließen auf diese Weise jedes Jahr 250 Millionen Liter Wasser weg. In 40 Jahren sind das 15 Milliarden. Das ist unser Beitrag zum Anstieg der Meeresspiegel und auf der anderen Seite zum ausbleibenden Anstieg der kleinen Wasserkreisläufe. Das Wasser verdunstet dann nicht, es bringt keine Vegetation hervor, das ist bedrohlich für die Ernten und die Bodenfruchtbarkeit. Die Thermoregulation wird gestört, ... Wenn man die Wasserverdunstung im Land um einen Millimeter pro Quadratmeter reduziert, wird mehr Wärmeenergie in die Atmosphäre abgegeben, als die gesamte Slowakei in einem Jahr verbraucht. In den letzten drei Jahrzehnten ist es uns gelungen, diese Verdunstung um fünf Millimeter zu reduzieren“, so der Experte.

        Was das Grundwasser anbelangt, so ist laut Michal Kravčík das Abfließen von Regenwasser aus bebauten Gebieten auch die Hauptursache für den sinkenden Grundwasserspiegel und in der Folge auch für das Austrocknen von Brunnen. ..."

    • @Wunderwelt:

      Sie haben aber schöne Schubläden!



      Diejenigen der nachfolgenden Generation haben in der halben Lebenszeit schon das doppelte an Flugkilometern auf dem Zettel.



      Wer zahlt denn gerade die 30.000€ für jeden "kostenfreien" Studienplatz?



      Glücklicherweise kenne ich aber Gleichgesinnte sämtlicher Altersstufen und bin nicht so verbittert wie Sie.



      Beim Thema Schublade könnten Die ja mal nachforschen, wer das Klimaschutzgesetz durchgesetzt hat.



      Wäre ein Anfang, die "die da oben, alles Schuld" Schublade leicht zu unterteilen...

  • Warum müssen wir Europäer Vorreiter einer globalen Klimapolitik sein? Damit geben wir allen anderen Ländern ja einen Freibrief.



    Insofern macht es die Bundesregierung schon richtig.

    • @Dirk Osygus:

      Weil Europa sich damit Märkte sichert, weil Klima- aka Menschenschutz weltweit Thema und Politik ist, weil Europa sich aktuell mehr erwärmt als viele andere Regionen...?