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Umverteilungspläne der SPDUnd die ganz unten?

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Die Pläne der SPD, den Reichsten mehr zu nehmen, sind löblich und richtig. Transferleistungen für die Ärmsten spielen aber keine Rolle mehr.

SPD-Vorstandsklausur, erstmals ohne Kevin Kühnert Foto: Annette Riedl/dpa

D ie Idee klingt so gut, dass wir zum Haken erst später kommen. Der SPD-Vorstand gibt auf seiner Klausur, auf der er Vorentscheidungen für den Wahlkampf trifft, den herrschenden Verteilungskämpfen eine neue Richtung: die Mehrheit gegen die da oben. Das eine Prozent der Bevölkerung, das die meisten Einnahmen hat, soll höher besteuert werden. Die Masse soll dafür weniger Abgaben zahlen, höhere Löhne bekommen, von besserer Bildung und einer besseren Infrastruktur profitieren.

Das ist dreifach richtig. Erstens ist es nicht gerecht, wenn in der Krise für den Großteil das Leben schlechter wird, während die Reichen weiter reicher werden. Zweitens schadet es der Volkswirtschaft, wenn sich der Staat zentrale Aufgaben nicht mehr leisten kann und großen Bevölkerungsgruppen das Geld für den Konsum fehlt. Und drittens: Wenn die Probleme der mittleren Schichten wachsen, aber niemand Politik für sie macht – dann muss man sich nicht wundern, wenn der Blick nach unten geht. Dass Verteilungskämpfe zuletzt nur nach unten so gut funktioniert haben, gegen Flüchtlinge und gegen Arme, kommt nicht von ungefähr.

Und damit kommen wir jetzt doch zum Haken. In den vergangenen Monaten konnte sich den Tritten nach unten auch die SPD nicht entziehen. Im letzten Wahlkampf warb sie noch mit der Überwindung von Hartz IV, und tatsächlich führte sie in dieser Legislatur das Bürgergeld ein. Als sie damit fertig war, schaffte sie es im Kern aber gleich wieder ab. Auch Sozialdemokraten beteiligten sich zuletzt am Diskurs gegen vermeintlich faule Arbeitslose. Im aktuellen Vorstandsbeschluss setzt die SPD diesen Duktus zwar nicht fort. Maßnahmen, die explizit den Ärmsten nützen, tauchen aber auch dort nicht mehr auf.

Ähnlicher Kurs bei den Grünen

Eine ähnliche Schwerpunktsetzung zeichnet sich für 2025 bei den Grünen ab, dem Hauptkonkurrenten im Kampf um die linke Mitte. Auch in deren Papieren ist derzeit verstärkt die Rede davon, die Reichen stärker zu besteuern – etwa durch geschlossene Lücken bei der Erbschaftsteuer. Auf der Ausgabenseite setzen auch sie vermehrt auf Schulen, Krankenhäuser und andere Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Die Kindergrundsicherung aber, ihr sozialpolitisches Kernprojekt, das in dieser Legislatur sicher nicht vollendet wird? Taucht in den Konzepten nicht mehr auf.

Es scheint, als ob Transferleistungen toxisch geworden sind. Und selbst wenn im Wahlkampf wirklich ein Verteilungskampf gegen die ganz oben beginnt, heißt das nicht automatisch, dass der Verteilungskampf gegen die ganz unten endet. Sie könnten auch einfach unter die Räder geraten.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ganz einfach - Transfergesellschaften muss man sich leisten können und WOLLEN. Aktuell sieht das weder zum ersten noch beim zweiten so aus als ob das hinkommt. Ansonsten würden linke Parteien mit entsprechenden Programmen wohl mehr Wählerstimmen erhalten.

    Eine Möglichkeit wäre es Transfer auf das und die zu beschränken die es tatsächlich nötig haben. Und ja - jeder Fall von "ich hartze lieber oder geh ins Bürgi" sind dann ein Fall zu viel denn für jeden gehen 2-3 Leute arbeiten.

  • Die Mittelschicht hat Abstiegsängste. Die untere Mittelschicht wurde spätestens mit Einführung des Bürgergelds der Unterschicht ökonomisch gleichgestellt. Das hat in unserer klassistischen Gesellschaft großes Konfliktpotenzial. Zumindest haben die regierenden inzwischen begriffen, dass das Problem nicht mit mehr Sozialleistungen zu kitten ist. Die Mittelschicht rechnet nicht damit diese Leistungen selbst je in Anspruch zu nehmen, sondern sieht sich nicht ganz zu Unrecht als reinen Zahlmeister. Das ist auch hier in unserer AfD-Hochburg in den täglichen Gesprächen stets der Haupttenor. Die eigenen Löhne und Renten sind zwar sehr niedrig, über 40% der Einwohner bekommen nur Mindestlohn. Was die Leute aber wirklich stört, ist das Neuankömmlinge oder Faulenzer das Gleiche erhalten. Die meckern nicht über die eigene Minirente, sondern über Renten für Ukrainer.



    Wir können diese Dynamik natürlich entrüstet verurteilen. Ich befürchte nur die Gesellschaft wird sich an dem Punkt nicht kurzfristig ändern. Deutschland müsste das Lohnniveau drastisch anheben. Am einfachsten ginge das über weniger Sozialabgaben und Steuern. Einwanderungsland und Sozialstaat passen sowieso nicht zusammen.

  • Ich begrüße eine Linksausrichtung der SPD.



    Die höhere Besteuerung der Reichen ist ja kein neues Thema für die SPD, es muss allerdings auch Partner geben, mit denen es durchzusetzen ist.



    In der laufenden Legislaturperiode wurde der Mindestlohn erhöht und das Bürgergeld eingeführt.



    Ganz nebenbei wurden auch etwa 100 Mrd. als soziale Abfederung für die Auswirkungen des Ukrainekriegs in die BürgerInnen investiert.



    Das setzt, neben den Corona Hilfen , eine sozialdemokratische Ausrichtung fort, die bereits in Zusammenarbeit mit Kanzlerin Merkel begann.



    Im krassen Gegensatz steht dazu CDU und FDP.



    Die Idee der Grünen, sozialdemokratischer als das Original zu werden, hat sich in der letzten Zeit nicht bestätigt. Die Regierungsbeteiligungen in NRW und Schleswig Holstein hat die CDU nicht grün, sondern die Grünen schwärzer gemacht.



    Nun senden die Grünen fast schon verzweifelt Signale an die CDU, die bestenfalls ignoriert werden.



    Was jetzt schon klar wird, ist, dass zur nächsten Bundestagswahl echte Alternativen zur Wahl stehen.



    So können auch die Exlinken, die für Taurus Lieferungen sind, seit gestern CDU wählen.

  • Es wäre schön, wenn die SPD das durchzieht, die Steuern wieder gerechter erhoben werden und wenn starke, reiche Menschen ihren Anteil auch begleichen.

    Ich habe da große Zweifel, weil die SPD jahrelang sich nicht bewegt hat, weil jetzt nur ein Jahr bis zur Bundestagswahl übrig ist, weil die Koalition zerstritten ist und weil die Armut in Deutschland durch die Hartz4 -Reformen überhaupt erst in dieser Dimension entstanden ist. Dafür hat sich die SPD jahrelang gelobt.

    Es gibt einen gigantischen Billiglohnsektor, den die SPD erfunden hat. Es gibt einen staatlich festgelegten Mindestlohn, weil Tarifverträge immer weniger Arbeitnehmer erfassen. Es gibt immer mehr arme Rentner, die arbeiten müssen, auch dies geht auf die SPD und ihre 'Reformen' zurück.

    Fazit: Sehr schön, glauben tue ich das erst, wenn es wirklich passiert.

    Davor bleibe ich sehr skeptisch. Bislang hat seit 1982 jede Regierung Reiche und Unternehmer unterstützt und entlastet, vor allem steuerlich. Seit 1982 stehen Durchschnittsarbeitnehmer immer unter Druck, verdienen oft wenig, geringe Lohnerhöhungen, unsichere Renten und geringe Ersparnisse. Inzwischen findet die untere Mittelschicht nicht mal bezahlbare Wohnungen.

  • Tobias Schulze trifft meiner Meinung nach den berühmten Nagel auf den Kopf.



    Mein Eindruck ist, dass die SPD und die Grünen die Ärmeren und Armen nicht nur vergessen, sondern sie, machttaktisch und bezüglich von Wahlen, "aufgegeben" haben (im Sinne von: die wählen uns sowieso nicht mehr, dann müssen wir ihnen auch nichts mehr bieten).

    Meiner Überzeugung nach müssten in Zeiten knapperer Kassen (oder: zwar ausreichend gefüllter Kassen, aber grosser Probleme - Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur im Land, Ausrüstung der Bundeswehr, höhere Anforderungen im Bereich der Terrorabwehr und der Bekämpfung der Cyberkriminalität, Klimaschutz, Digitalisierung - mit gewaltig-grossem Finanzbedarf) die staatlichen Leistungen auf den Prüfstand.



    Damit nur noch diejenigen staatliche Hilfen bekommen, die sie auch brauchen; die, die gut verdienen und/oder ein entsprechendes Vermögen haben, brauchen weder Kindergeld noch andere staatlichen Leistungen; warum müssen nur die Ärmeren und Armen ihre Bedürftigkeit nachweisen, um staatlich unterstützt zu werden?

    • @Der Allgäuer:

      Wenn man in Ihrem letzten Absatz den ersten und zweiten Teil tauschen würde, hätte man keine Frage, sondern eine Antwort 😜

  • Transferleistungen wurden bisher immer von der Mitte finanziert. In den letzten Jahren ist der Abstand zwischen Mitte und unten so weit geschrumpft, dass sich das nicht mehr rechtfertigen lässt.

    Würde ich aufhören zu arbeiten, würden wir laut Caritas-Rechner mit 3 Kindern ca. 3500€ Bürgergeld netto bekommen + kostenlosen kiga etc. Das ist mehr, als jetzt auf dem Konto landet. Wie will man da weitere Transfers rechtfertigen?

  • 6G
    610354 (Profil gelöscht)

    Wurde es den Parteien gedankt, sich um die Ärmsten zu kümmern? Nein, die Ärmsten haben den Mittelfinger gezeigt und AfD gewählt.



    Die Gründe dafür sind nebensächlich. Fakt ist, die Ärmsten als Zielgruppe kostet doppelt und dreifach Wähler.

    Aber in den Raum gefragt, gibt es überhaupt eine Partei, welche die Ärmsten/Arbeitslose als Wählergruppe versteht?



    Auch die Linke schafft das nicht, sondern versucht einem Arbeitslosen (mit Kredit für Heizkosten), zu erklären, dass seine Probleme gelöst sein werden, sobald endlich alle "Bürger*innengeldempfänger*innen" sagen.

  • @Janix: Springermüll oder nicht. Sicherlich sollte man versuchen die Schere Arm/Reich zu verkleinern. Wenn man aber durch Subventionen und Zwang es Arbeitgebern überhaupt ermöglicht niedrige Löhne zu zahlen, hilft das überhaupt nicht. Die Abgabenlast muss runter. Sicherlich in den unteren Löhnen noch mehr als weiter oben. Die Subventionen dürfen gerne in Kitas, ÖPNV, bezahlbaren Wohnraum und ordentlichen KVs für alle fliessen.







    Die Abgaben weiter oben sind schon hoch genug, da muss es echt nicht noch höher. Die Arbeitnehmer sind nach wie vor diejenigen die den Staat alles ermöglichen was er so treibt. Und es kommt ehrlich gesagt wenig zurück. Das ist es, was die SPD auszeichnet.

    Achja, und Wahlkampfversprechen die nicht gehalten werden. Erinnert sich noch jemand ans Klimageld?

  • Wir brauchen höhere Löhne und Gehälter im unteren und mittleren Einkommensbereich und in genau diesen Einkommensbereichen auch eine Senkung von Steuern und Abgaben, gegenfinanziert mit höheren Steuern für Reiche und gerne auch einer Bürgerversicherung in die alle Einkommensarten einzahlen. Wir brauchen einen Mindestlohn von mindestens mal 15 Euro und einen höheren Steuerfreibetrag.

    Was wir NICHT brauchen sind höhere Sozialleistungen, sorry. Wir brauchen einen größeren Lohnabstand. Jeder der sich einredet es gingen doch alle gerne 150+ Stunden pro Monat arbeiten für 200 Euro mehr anstatt für 200 Euro weniger zuhause zu bleiben (bzw hier und da ein bisschen schwarz dazuzuverdienen und unterm Strich möglicherweise mehr zu haben als jemand der Vollzeit angemeldet arbeiten geht), lügt sich selbst was zurecht.

    Was wir auch nicht brauchen sind Lohnsubventionen in der vielfältigen Form wie wir sie heute verteilen, z.B. in Form von erhöhten Zuverdienstgrenzen, oder 1000 Euro vom Staat wenn jemand länger als ein Jahr arbeitet. Wir brauchen reguläre auskömmliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

  • Das Bürgergeld ist ja nach der Einführung keineswegs wieder gekürzt worden. Im Gegenteil, aufgrund der Inflation ist es massiv erhöht worden. Im Gegenzug hat das Volk und die Springerpresse immerhin wieder ein paar Sanktionen eingeführt.

    Anders als der Artikel suggeriert sind die Bürgergeldempfänger einfach nicht dran!

    Das die schlimmsten Fehler der Erbschaftsteuer gerade die ganz oben bevorzugen muss korrigiert werden. Keine Frage. Die versprochenen Wohltaten werden damit nicht finanziert werden können. Es gilt die bestehenden Lücken zu füllen.

  • Die SPD muss sich entscheiden, ob sie für die arbeitende Mittelschicht oder die Sozialleistungsempfänger einsetzt. Die SPD stand früher immer für den kleinen Malocher ein; das ist derzeit vorbei🥶

  • Wenn die SPD jetzt schon anfaengt links zu blinken obwohl die Wahl noch deutlich laenger hin ist als 6 Monate, steht das Ende der Ampel kurz bevor.

  • Die Wählerschicht und Stammbasis der SPD hat nur leider den Springermüll geschluckt, dass die anderen Armen schuld wären. Die Spitze den neoliberalen Denkmüll nach Nozick, man müsse die Reichen schonen.



    Die Linken sollten wohl noch vor der Wahl in die SPD kommen, das Schiff stärken und den Kurs noch stärker auch zum Sozialen wenden.

    • @Janix:

      Leider sind diejenigen Linken in der SPD, die diese linke Politik antreiben, entweder schon weg oder waren nie da.



      Für mich sind SPD und Grüne schon lange keine Mitte (Mitte-links) Parteien mehr. In Teilen wollen sie sogar die AfD noch rechts überholen.



      Mittlerweile sehe ich aber auch sonst keine linke Kraft mehr in diesem Land. Das einzig "linke" ist, wenn Arbeitslose "soziale Politik" wünschen, die nur darauf ausgerichtet ist noch schwächere zu treten, egal ob Obdachlose oder Geflüchtete. Das ist aber so weit weg von links....

      Eine linke Kraft würde dem Staat gut tun, aber ich denke in unserer aktuellen egoistisch-opportunistischen Gesellschaft hat dies kaum eine Bewandnis.

    • @Janix:

      Und nach der Wahl wieder Pustekuchen von den Seeheimern. Die Linke, enttäuschte linke Grüne und der soziale Rest der SPD sollten gemeinsam was neues starten.