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Umstrittene Palästinenserparole„From the River …“ ist verboten

Innenministerin Faeser sieht in der Palästinenserparole ein „Kennzeichen“ verbotener Gruppen. Bayern und Berlin setzen das Verbot bereits um.

Berlin, 4. November: Demonstration unter dem Motto „Freies Palästina“ Foto: Stefan Boness

Freiburg taz | Bereits Anfang November hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Palästinenserparole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ verboten. Diese sei ein Kennzeichen der verbotenen Organisationen Hamas und Samidoun. Sie hat damit eine zentrale Parole der palästinensischen Bewegung für strafbar erklärt, ohne das Strafrecht zu ändern und ohne den Bundestag oder die anderen Ressorts der Bundesregierung zu beteiligen.

Wie aktuell bekannt wurde, wendet nicht nur die Polizei in Berlin, sondern auch die Staatsanwaltschaft in München das Verbot bereits an.

Die Parole ist hoch umstritten, weil die Formulierung „From the River to the Sea“ den Fluss Jordan und das Mittelmeer meint, also das Gebiet, in dem heute der Staat Israel liegt. Viele Be­ob­ach­te­r:in­nen sehen in der Parole daher eine Verneinung des Existenzrechts Israels. Ende Oktober hat Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) eine Initiative angekündigt, das Strafgesetzbuch zu verschärfen. Eine Leugnung des Existenzrechts Israels solle künftig strafbar sein, hier gebe es eine Strafbarkeitslücke.

In der Regel nicht bestraft

Andere Stimmen, wie Ex-Bundesrichter Thomas Fischer, argumentierten, die Parole „From the River …“ sei jedenfalls dann strafbar, wenn sie implizit der „Billigung von Straftaten“ dient. Allerdings ist das Problem aktueller propalästinensischer Kundgebungen weniger, dass die Hamas-Massaker vom 7. Oktober bejubelt werden, sie werden eher verschwiegen. Die Kundgebungen konzentrieren sich ganz auf Israels Angriffe auf den Gazastreifen und damit verbundene zivile Opfer. Insofern konnte die Parole an sich zuletzt in der Regel nicht bestraft werden.

Dennoch hat die Justizministerkonferenz am Freitag den Vorstoß Posecks nur bedingt unterstützt. Der Beschluss lautete: Sollten sich in der Praxis tatsächlich Schutzlücken ergeben, werden die Länder und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) „schnellstmöglich gemeinsam mit dem Bundesminister der Justiz Vorschläge zur Behebung dieser Lücken erarbeiten.“

Grund für die Zurückhaltung könnte sein, dass Innenministerin Nancy Faeser am 2. November im Verbot des Netzwerks Samidoun und im Betätigungsverbot für Hamas jeweils die Parole „‚Vom Fluss bis zum Meer‘ (auf Deutsch oder in anderen Sprachen)“ als deren Kennzeichen verboten hat. Wer gegen das Verbot verstößt, macht sich nun wohl nach Paragraf 20 des Vereinsgesetzes und Paragraf 86a Strafgesetzbuch strafbar. Es drohen Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.

Das Verbot der Parole „From the River …“ wird aber sicher noch vor dem Bundesverwaltungsgericht angegriffen. Es könnte rechtswidrig sein, weil die seit den 1960ern gebräuchliche Parole möglicherweise gar kein „Kennzeichen“ der Organisationen Hamas (1987 gegründet) und Samidoun (2012 gegründet) ist. Dass die Parole von Faeser als Kennzeichen von Hamas UND Samidoun verboten wurde, spricht auch gegen ein Zeichen zur Unterscheidung von Organisationen.

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12 Kommentare

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  • diese parole stehjt sinnbildlich für die auslöschung israels. ob das nun die sammydoun oder ham'mas propagieren ist nebensächlich. der iranische präsi raisi hat diese parole als lösung für den nahost vor 2-3 tagen am arabischen gipfel vorgeschlagen. damit ist doc der beweis idirekt erbracht. die hochgehängte hoffnung auf das bundesgericht diesen verbot zu kippen ist ein typisches rückzugsgefecht der ham'mas freunde.

  • "Das Verbot der Parole „From the River …“ wird aber sicher noch vor dem Bundesverwaltungsgericht angegriffen. Es könnte rechtswidrig sein, weil die seit den 1960ern gebräuchliche Parole möglicherweise gar kein „Kennzeichen“ der Organisationen Hamas (1987 gegründet) und Samidoun (2012 gegründet) ist. Dass die Parole von Faeser als Kennzeichen von Hamas UND Samidoun verboten wurde, spricht auch gegen ein Zeichen zur Unterscheidung von Organisationen."

    Sehe ich auch so. Das ist wieder mal eine undifferenzierte Pauschalzensur vom BMI. Vielleicht wird sich ja das Bundesverwaltungsgericht ein bisschen mehr Mühe geben.

  • Danke für den informativen Bericht.



    Ich begrüße das Verbot des Slogans und die Geschwindigkeit, mit dem dieses Verbot verhängt wurde.

    • @Philippo1000:

      Ich begrüße die bevorstehende Befassung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Causa. Eine 60 Jahre alte Parole einer 10 Jahre alten Organisation zuzuschreiben, ist allzu offensichtlich Quatsch.

  • Eretz Israel hat sozusagen die identische Bedeutung wie "vom Jordan bis zum Mittelmeer."



    Beide Sprüche ignorieren, dass es da eine Aufteilung gab.



    Wobei Israel mit Siedlungen schon Fakten geschaffen hat, die zu beseitigen ähnliche Trümmerhaufen hinterlassen dürfte wie die Zerstörung der Wohngebiete in Gaza.



    Oder mit der Wasserversorgung im Westjordanland.



    www.youtube.com/watch?v=XmLS1od4cwM

    • @Zeit und Raum:

      Danke für das Video. Sollte sich jede(r) anschauen und vielleicht dann die Haltung zu Israel dann doch etwas korrigieren.



      Im Prinzip liegt auch Greta Thunberg schon richtig, besonders die Westbank und auch Gaza sind ein Klimaproblem bzw. ein Problem, dass denen das Wasser genommen wird. Ein Zustand der so nicht hinnehmbar ist.

  • Wir müssen noch viel radikaler verbieten. Die Linke muss sich endlich ehrlich machen. Viel zu lange haben wir internen Anitsemitismus verschwiegen....wir sind ansonsten nicht besser als die Reichsbürger. Jetzt muss Schluss sein mit dem Kuschelkurs gegen Judenhasser*innen

    • @casio:

      Ich weiß ehrlichgesagt nicht mehr was da noch groß zu retten sein soll? Die Fehler die nach dem WK II und auch 2015 / 2016 (und bis heute) gemacht wurden sind kaum mehr auszubügeln. Die Integration in unser Wertesystem ist bei vielen Menschen eben gescheitert und ich weiß nicht wie das aufgefangen werden soll.



      Es gibt ja nicht Mal im Ansatz Bemühungen personell aufzustocken oder irgendwas zu machen.



      Wir holen wahllos ins Land und wundern uns das es keine Wohnungen gibt, schiefe Weltbilder mitgebracht werden, Schulen und Kindergärten überlastet sind und das Gesundheitssystem auf dem letzten Loch pfeift.

      Eigentlich müssten wir jedes Jahr mehrere hundert Dörfer inkl. Infrastruktur neu bauen und die Klimaziele beerdigen.



      Stattdessen wird dort wo eh schon Druck ist immer weiter gepresst.

      Auch als eigentlich linker sehe ich, das wir hier mit Volldampf gegen die Wand fahren.



      Statt zu Bremsen drücken wir aber weiter auf das Gaspedal.

      • @FalscherProphet:

        Ihre Darstellung ist übertrieben.



        "Wir holen wahllos ins Land?"



        Das Grundrecht auf Asyl besteht zu Recht und da Sie den 2ten Weltkrieg erwähnen, wir können froh sein, dass andere Länder während des dritten Reiches deutsche Flüchtlinge vor den Nazis aufgenommen haben.



        Da haben wir noch Einiges an moralischer Wiedergutmachung zu leisten.



        Schulen und insbesondere Kitas waren schon vor 2015 zu wenige da, offenbar setzen die Ministerpräsidenten der Länder falsche Akzente .



        Ein Bremsklotz für Wirtschaftswachstum sind zu wenige ArbeiterInnen.



        Wir brauchen schon 250.000 Menschen jährlich, um das vorhandene System zu erhalten.



        Sollte die 4Tage Woche kommen, natürlich mehr.



        Somit ist Migration unsere Rettung.



        Ein guter Weg ist das neue Fachkäftezuwanderungsgesetz, dass Vielen die Möglichkeit eröffnet, ohne Lebensgefahr zuzuwandern.



        Deutsche Moralvorstellungen sollten natürlich auch in den Deutschkursen vermittelt werden.



        Die von der CDU geforderte Nichtanerkennung wegen Antisemitismus, beinhaltet allerdings eine Doppelmoral: was machen wir mit gebürtigen Deutschen, die die gleiche Meinung haben?



        Ist es da egal?

  • Between the Sea and the Jordan... “Likud Party: Original Party Platform (1977)



    a. The right of the Jewish people to the land of Israel is eternal and indisputable and is linked with the right to security and peace; therefore, Judea and Samaria will not be handed to any foreign administration; between the Sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty.



    b. A plan which relinquishes parts of western Eretz Israel, undermines our right to the country, unavoidably leads to the establishment of a "Palestinian State," jeopardizes the security of the Jewish population, endangers the existence of the State of Israel. and frustrates any prospect of peace. "



    www.jewishvirtuall...f-the-likud-party#

    • @hamann:

      Egal, ob man likud als ebenso radikal ansieht oder nicht, läuft deren Parole in die andere Richtung, sollte also vom Verbot nicht betroffen sein.

    • @hamann:

      Nur demonstriert der Likud in Deutschland nicht.

      Und in Israel gab es enorme Demonstrationen gegen ihn.

      Sehen Sie irgendwo arabische Demonstrationen gegen Hamas?