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Umgang mit sexualisierter GewaltTäter outen, Betroffenen glauben

Ein linker Aktivist soll heimlich aufgenommene Nacktfotos einer Frau geteilt haben. Seine Genoss_innen outen ihn. Zu Recht?

Wie können potentielle Opfer sexueller Gewalt geschützt werden? Foto: imago/sirylok

S exualisierte Gewalt ist ein Tabuthema. Auch wenn es den Anschein macht, dass seit Jahren viel darüber diskutiert wird, dauert es bei Bekanntmachung ganz konkreter Fälle oft nicht lange, bis sich ein regelrechter Mob bildet, der Betroffenen grundsätzlich misstraut und Täter in Schutz nimmt.

Das ist der gesellschaftliche Aspekt des Tabus. Hinzu kommt der juristische: Wer nicht vor Gericht bewiesen hat, dass sich die Tat so wie geschildert ereignet hat (auch wenn es nahezu unmöglich nachzuweisen ist), darf nicht öffentlich darüber sprechen. Wenn doch, flattert schon mal eine Abmahnung ins Haus, mit der Aufforderung eine Unterlassungserklärung abzugeben. So geschehen diese Woche bei der Medienstrategin und linken Aktivistin Emily Laquer.

Auf ihrem Twitter-Account hatte Laquer am Montagabend einen Thread verfasst, der im Wortlaut ein Statement des Bündnisses Interventionistische Linke (IL) wiedergibt. Bei dem Text handelt es sich um ein sogenanntes Täter­outing, wobei das Wort „Täter“ an keiner Stelle vorkommt. Es wird von einem inzwischen aus sämtlichen Strukturen der IL ausgeschlossenen Mann gesprochen, der nach einvernehmlichem Sex mit der Betroffenen Nacktfotos von ihr in der Chatgruppe eines Männernetzwerks herumgeschickt haben soll.

Von der Existenz dieser Fotos will die Betroffene nichts gewusst haben, sie seien ohne ihr Einverständnis gemacht und weiterverbreit worden. In derselben Chatgruppe sollen wohl Listen über Frauen geführt worden sein, mit persönlichen Daten, Vorlieben und Tipps wie diese Frauen am besten angesprochen und aufgerissen werden können.

Wenn Vorwürfe noch nicht veröffentlicht sind

Der Beschuldigte wurde in dem Post mit Vornamen genannt, außerdem wurde ein Foto von ihm veröffentlicht sowie die Stadt genannt, in der er aktiv war. Inzwischen ist das IL-Statement offline. Auch Emily Laquer musste ihren Thread löschen, da sie eine Unterlassungserklärung unterschrieben hat, wie sie auf Anfrage mitteilt. Über den konkreten Fall darf sie nicht mehr sprechen. Doch sie antwortet mit ihren politischen Grundsätzen: „Betroffenen glauben, Täter rausschmeißen, die Gegenwehr des Täterumfelds zurückdrängen.“

Auf Social Media wurde derweil heftig diskutiert: Ist es fair, Name und Foto eines Beschuldigten zu veröffentlichen, ohne vor Gericht zu klären, ob die Vorwürfe stimmen? Warum wird eine Unterlassungserklärung abgegeben, wenn in der IL doch laut Statement keine Zweifel daran bestehen, dass die im Chat geteilten Fotos und Infos eindeutig dem Beschuldigten zugeordnet werden können?

Nun kann es viele Gründe geben, warum Betroffene nicht vor Gericht gehen. Zum einen ist sexualisierte Gewalt oft nur bedingt nachweisbar und die juristischen Erfolgschancen entsprechend gering. Zum anderen dauert ein Prozess oft Jahre, und die Gegenseite zielt darauf ab, die Betroffene zu diskreditieren, was sie nur weiter in die Ohnmacht drängt.

Ihr aus der Ohnmacht herauszuhelfen, das scheint wiederum der Anspruch der IL zu sein, die einen sehr ausführlichen Leitfaden erarbeitet hat zum Umgang mit sexualisierter Gewalt innerhalb der eigenen Reihen (den sich übrigens auch ruhig andere linke Räume und Parteien zu Gemüte führen sollten). Es gibt sehr genau organisierte Strukturen und Gruppen, die in solchen Fällen handeln, an oberster Stelle stehen dabei die Bedürfnisse der Betroffenen.

Es ist davon auszugehen, dass im aktuellen IL-Fall die Betroffene kein Vertrauen in einen juristischen Weg hat und ihr Wunsch sich lediglich auf den Schutz weiterer potenziell Betroffener beschränkt. Denn das inzwischen gelöschte Outing zeugt an keiner Stelle von Rache oder Strafe, sondern von dem Anliegen, andere, die unwissentlich aufgezeichnet worden sein könnten, zu schützen und warnen. Doch diese Warnung ist leider nicht mehr möglich.

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Fatma Aydemir
Redakteurin
ehem. Redakteurin im Ressort taz2/Medien. Autorin der Romane "Ellbogen" (Hanser, 2017) und "Dschinns" (Hanser, 2022). Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Delfi" und des Essaybands "Eure Heimat ist unser Albtraum" (Ullstein, 2019).
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29 Kommentare

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  • Der Artikel hat den Umgang mit "sexueller Gewalt" in Gesellschaft zum Thema. Er bezieht sich auf einen konkreten Fall. Aus dem Artikel entnehme ich, dass sehr vieles am Geschehen unklar ist. Der Artikel nimmt auch Bezug auf die "Rechtslage", falls dieser (wie andere) Fall zur Anzeige käme, "vor Gericht verhandelt würde.



    Im letzt genannten Zusammenhang: Das Thema "sexuelle Gewalt" ist sehr ernst zu nehmen. Deshalb ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass das Thema bei seiner Abhandlung die Frage der "Beweislastumkehr" nicht auslässt (Kommentar @Lowandorder u. a.). Auch wenn sich dieser Artikel zuerst mit einem "Bewältigungsversuch" eines Falls von "sexueller Gewal" innerhalb einer pol. Bewegung befasst. Auch der Artikel verdeutlicht jedoch, dass dieser Grundsatz der Rechtsordnung dabei nicht so einfach dabei ausßer Acht gelassen werden darf, wie mir das im Artikel der Fall scheint.



    Gerade wenn das Thema von einer Leserschaft ernst genommen werden soll, dann sollte ein Artikel darüber auf die Frage der Beweislastumkehr eingehen. Denn gerade aus dieser Artikel vermittelt mir den Eindruck, dass die pol. Organisation "iL" dieses Prinzip in Frage stellt. Ein Prinzip, das auch auch außerhalb rechtsstaatlicher Verfahren Sinn macht. Ich denke das gehört zur Information einer Leserschaft unverzichtbar dazu, wenn Organisationen da andere Standpunkte einnehmen, bei der Klärung und Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt. Ich wende mich gegen ein Aufweichung der Regelungen, wer in rechtsstaatlichen Verfahren eine Beweislast zu erbrngen hat. Wenn die iL das anders sieht - soll sie es sagen. Dann kann gestritten werden. Nur das auch schon ein wenig klandestin hinter den Berg zu halten, wie mir scheint - das macht in diesem Fall eine Organisation nur unglaubwürdig.

  • Wollen wir ins Mittelalter zurück und den vermeintlichen Delinquenten an den öffentlichen Pranger stellen - heute anstatt in der Dorfmitte eben im Internet? Man nahm es damals auch nicht so genau mit der Beweisführung, sondern war sehr schnell bei der Vorführung der "Delinquenten". Vielleicht stimmt ja etwas nicht mit unserem Bildungssystem, dass die Grundlagen des Rechts bei manchen Selbstgerechten nicht bekannt sind.

    • @resto:

      “Sorry - aber #metoo - ist für mich moderner Pranger!“ Ruppert “Plotte“ von Plottnitz - exRAF-Anwalt & exJuMi Hessen aufm KritJur-Kongress in Ffm



      &



      Erika Burgsmüller - RA-feministisches Urgestein nickt & “Ich kann es meinen Geschlechtsgenossinen nicht ersparen!



      Aber - anders als früher - besteht heute ein nicht unwesentlicher Teil meiner Arbeit darin - ihnen den Gang zur Polizei die Anzeige den Prozeß auszureden. Weil‘s vorne & hinten nicht stimmt!“



      & noch erschreckender



      Die erfahrene hamburgische (Jugend)&Strafrichterin auf dem Richterratschlag “Bitter. Aber in gegen 70 % der Verfahren erfolgt deswegen keine Verurteilung weil‘s - plus die miesensten Motive - schlicht unwahr ist!“



      (& das nach Filter - RA - Schmier - StA • !)

  • Danke für diesen wichtigen Input ! Tatsächlich werden für die Gesellschaft wichtige Maßnehmen immer wieder im falschen Licht dargestellt. Was war z.an den Hexenverbrennungen sooo schlecht ? Klar traf es ab und an auch die falschen, aber die Möglichkeit der Bevölkerung Rothaarige des Hexen Kults zu beschuldigen führte erfolgreich zur breiten Identifikation von Hexen und der Eingrenzung des Hexen Kults. Dafür muss die Gesellschaft in Kauf nehmen, dass ein paar zu Unrecht beschuldigt, an den Pranger gestellt und verbrannt wurden. Auch wird die Notwendigkeit einer neutralen Sachbetrachtung und daraus folgenden geregelten Maßnahmenkatalogen die für alle gelten, völlig überschätzt. Wozu soll das gut sein ?? Hier heisst es von der Geschichte lernen ! Nicht nur Freisler stellte klar, dass Justiz vor allem den temporären Volkswillen anstatt in todes Holz geschriebenen Floskeln zu folgen hat. Und was der Volkswille ist, bestimmt nun mal jene, die sich dazu als berufen erklärt. Selbst Maos Kulturrevolution wäre gescheitert, wenn man neutrale Maßstäbe an die Auswahl jener gelegt hätte, die in die Gulags kamen oder zum Wohle des Volkes gleich hingerichtet wurden. Und was das an Zeit gekostet hätte…. Durch Möglichkeit der Nachbarschaftanzeige wurden aber zum Glück schnell und effizient die Feinde der Revolution identifiziert. Aber es entwickelt sich ohnehin positiv in die richtige Wahrnehmung von Recht. Es ist im Glück zwischenzeitlich nebensächlich, ob dieses oder jenes was der Nachbar oder der Ex Freund über Dritte äußert richtig oder gelogen ist. Schnurzeel. Wie der Artikel zeigt. Man setzt die Information breit angelegt in die Welt. Sorgt dafür das das Leben der Beschuldigten ruiniert ist. Und unterschreibt danach gerne die Unterlassung, bevor das vor Gericht zur Klärung geht und womöglich die Lüge über di Behauptung aufgeklärt wird. Justiz ist in der Fähigkeit Recht zu wahren zwischenzeitlich völlig überschätzt und hoffungslos dem Soz. Media Recht unterlgen.

  • Mal wieder werden Fälle aus dem Linken Spektrum von der Presse herangezogen, um über Sexismus zu debattieren.



    Outen in allen anderen Etagen?



    In dem hier berichteten Fall hat sich der Mann ja schon krass verhalten: ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung Fotos in abgetrenntem Chat rumreichen. Wer seine Freundin Frau liebt macht so was nicht.



    Von daher finde ich es richtig wie von der iL vorgegangen wurde.



    Das sollte linke Gruppierungen immer unterscheiden: es geht um die eigene Glaubwürdigkeit und die Möglichkeit für alle von Diskriminierung und Sexismus Betroffenen sich ohne Angst oder Vorbehalte vertrauensvoll in diese Gruppen zu begeben. und was der Mann gemacht hat ist vor allem eines: ein massiver Vertrauensbruch gegenüber allen.

    • @nzuli sana:

      Übrigens steht nicht fest, "was der Mann gemacht" hat. Da steht Aussage gegen Aussage. Andersrum kann man durch solche öffentlichen Anschuldigungen sehr leicht jemanden Unliebsamen fertigmachen.

    • @nzuli sana:

      Da tut sich das "Linken Spektrum" aber keinen Gefallen, wenn es dermaßen rechtsstaatliche Prinzipien missachtet. Warten wir ab, bis diese Selbstjustiz einmal jemanden von denen trifft: dann wird aber sofort die Opferkarte gezogen.

  • "Betroffenen glauben, Täter rausschmeißen, die Gegenwehr des Täterumfelds zurückdrängen.“

    Ich verstehe daraus "potentielle Täter vorverurteilen, Selbstjustiz üben, unerwünschte Unterstützung der Gegenpartei mundtot machen "

    Für so etwas haben wir eine Judikative und eine Exekutive. Gewiss sind solche Fälle sehr schwierig, die Beweisführung manchmal unmöglich. Ich habe dafür leider keine Lösung und fühle mit den Opfern. Aber dennoch: Wie hier von Emily Laquer gefordert darf die Lösung in einer Demokratie NICHT aussehen.

    • @Iris Winkler:

      …anschließe mich.

      kurz - den “roche de bronze“ des aufgeklärten Strafrechts - “in dubio pro reo“ - im Zweifel für den Angeklagten -



      via Beweislastumkehr etc aushebeln:



      NO WAY •



      (einmal unsagbar Schwarzer/Kachelmann sollte als Beleg reichen!)

  • Keine Ahnung, was da wirklich passiert ist, aber ich finde, das Beschuldigte grundsätzlich zumindest das Recht haben sollten, sich zu verteidigen und gehört zu werden. Das scheint hier wohl eher nicht der Fall gewesen zu sein:

    gegendarstellungouting.wordpress.com/

    • @Matthias:

      Ich hoffe, dass der ganze Sachverhalt von qualifizierten Stellen aufgeklärt werden kann.

      Die Gegendarstellung für sich genommen listet jedoch nur Behauptungen ohne prüfbare Quellen auf. Das halte ich für nicht sonderlich hilfreich, zumal die Autor:innen anonym bleiben.

      • @Terraformer:

        Ja, vor allem betreibt die Gegendarstellung Victim Blaming, indem sie z.B. der Betroffenen vorwerfen, warum sie sich mit der gewaltausübenden Person überhaupt getroffen hat, etc.



        Das Outing der iL kann, wenn gewollt, auch ohne Victim Blaming kritisiert werden. Und sollte auch ohne Victim Blaming auskommen!

    • @Matthias:

      Danke für den Link.

      So klar scheint der Fall ja doch nicht zu liegen.

      Das hat eher einen Hauch von Schauprozess und es geht wohl nicht nur um he says, she says.

  • Das Outing ist auf Indymedia online, es gibt auch eine Gegendarstellung die auch im Internet findbar ist.

  • es empfiehlt sich dazu mal hier reinzulesen:



    rehzimalzahn.net/?p=867

    • @M. Winter:

      Tatsächlich interessant. Es wird schwierig bleiben, einen vernünftigen Weg zu Interessen der von Gewalt betroffenen Person und korrektem und weiterführendem Umgang mit TäterInnen zu finden.

      • @aujau:

        Vorallem auch mit vermeintlichen Täter_innen.

  • "oft nur bedingt nachweisbar und die juristischen Erfolgschancen entsprechend gering. Zum anderen dauert ein Prozess oft Jahre"



    Schwierige Beweisführung und lange Prozessdauer dürfte es in nahezu jedem Strafprozess geben. Wenn das die Kriterien sind um Prinzipien wie einen zweifelsfreien Nachweis von Schuld aufzugeben, sollte man der IL vielleicht gleich die gesamte Judikative übertragen. Auch teure Fahnder*innen bei der KriPo ließen sich so problemlos einsparen, wozu soll man noch aufwändig Beweise zusammentragen, wenn man doch einfach nur den Betroffenen zu glauben braucht.



    Damit soll nicht gesagt sein, dass sexualisierte Gewalt oder übergriffiges Verhalten kein riesen Problem sei, sondern, dass der Umgang der linken Szene damit mE kaum weniger problematisch ist. Ich habe mehr als genug Fälle erlebt in denen Leute aufgrund von Anschuldigungen, teilweise eher banaler Art, massivst sanktioniert wurden, bei denen letztlich niemand wirklich fundiert beurteilen konnte ob sie stimmten oder nicht. Die Konsequenzen von vollständiger sozialer Ächtung, Ausschluss aus Strukturen und Gruppen, die oft genug gleichermaßen soziales Umfeld und Lebensinhalt darstellen, dürften in ihrer Tragweite für die derart Bestraften kaum weniger hart sein als die Verurteilung durch ein staatliches Gericht und die Gruppendynamiken die sich bei solchen Gelegenheiten regelmäßig entfalten sind kaum weniger eklig und übergriffig als die "Täter" denen man derart zu begegnen versucht.

    • @Ingo Bernable:

      Vielleicht ist es sexualisierte Gewalt ja auch gar kein Riesenproblem sondern konstruiert?

      Natürlich ist das ein Riesenproblem.

      Aber sowas kommt raus wenn Interventionisten in ihrem Eifer die Grundlagen unseres Rechtssystems für unbrauchbar erklären, wenn es gerade nicht in den Kram passt.

    • @Ingo Bernable:

      So ist es. Der IL-Leitfaden sieht eine Aufklärung der Frage, was passiert ist, überhaupt nicht vor. Er beruht auf der Annahme, dass Falschbeschuldigungen so gut wie nie vorkämen, und will jede Diskussion über Sachverhalte von vornherein unterbinden. Es geht auch nicht darum, der Person, die die andere beschuldigt, irgendwelche bestimmten Angaben zu "glauben". Vielmehr sieht der Leitfaden überhaupt nicht vor, dass konkrete Angaben erforderlich sind, um den Beschuldigten als Täter zu behandeln und ihm innerhalb der Gruppe jegliche Verteidigung gegen den Vorwurf zu verunmöglichen. Es genügt die bloße Äußerung eines unspezifischen Vorwurfs, um den Beschuldigten zu "erledigen", der allenfalls mit einem Geständnis noch auf Gnade hoffen darf, aber nur, wenn einstimmig entschieden wird, dass er weiter mitmachen darf. Das Ganze erinnert an die Schauprozesse in der Sowjetunion zur Zeit des stalinistischen Terrors, nur dass die Interventionistische Linke gegen den Beschuldigten keine physische Gewalt anwenden will.

      • @Budzylein:

        Aber sie wenden doch Gewalt an, Herzblatt.



        Vorläufig nocht nicht physisch aber man kann sich doch denken, was passiert wenn diese Truppen mal an etwas mehr Macht kommen.



        Selbst die blutigsten Regime hatten anfänglich nur Grosses und Edles im Sinn, bis sie dann an die Schalthebel der Macht und die Waffenkammern kamen.



        Merke, Extreme sind eigentlich immer Scheisse.

        • @papa21:

          Ja, Papa, man kann sich vorstellen, wie es aussähe, wenn diese Leute mal Macht bekämen. Ich habe mich in meinem Kommentar aber lieber auf das beschränkt, was im Leitfaden steht, und das genügt eigentlich schon, um diese Organisation zu beurteilen.

  • Was spricht denn dagegen, das eigene - erweiterte Umfeld zu warnen und ggf. die Leute auch aufzufordern, andere ebenfalls zu warnen. Man muss das ganze aber nicht unbedingt im Internet "weltweit" publizieren....das dürfte doch nachvollziehbar sein, zumal so ein Eintrag eben nicht wieder verschwindet.

    Ein Täter bekommt in Deutschland eine Strafe, die irgendwann endet- ein Pranger im Internet kann "lebenslang" bedeuten.

    • @Dr. McSchreck:

      in Zeiten von sozialen Medien ist das eigene Umfeld nicht mehr vom weltweiten Netz zu unterscheiden.



      Ganz besonders, wenn Sie vom erweiterten Umfeld sprechen.

      • @Herma Huhn:

        Selbstverständlich kann man das unterscheiden. Das persönliche Umfeld informiert man über Mail, im persönlichen Gespräch, Messenger.

        Auf einer Webseite erfährt es die ganze Welt, auch Menschen - durch Google - die erst in einigen Jahren mit dem anderen in Kontakt kommen werden, Arbeitgeber, neues Umfeld, neue Nachbarn....

  • Den Leitfaden der Interventionistischen Linken, der im Artikel dankenswerterweise verlinkt wurde, sollten sich nicht nur andere linke Gruppen zu Gemüte führen. Der Leitfaden ist als Zeitdokument absolut lesenswert. Vor allem Personen, die erwägen, bei der Interventionistischen Linken mitzumachen oder mit ihr gemeinsame Aktionen durchzuführen, sollten diesen Leitfaden unbedingt lesen. Und zwar vorher.

  • Danke für den Artikel. In vielem Stimme ich zu, vor allem in dem Punkt "Betroffenen glauben". Das ist sehr wichtig, wie geschrieben, um auch einer Dynamik des Anzweifelns von Betroffenen entgegen zu wirken. Zu der es ja leider sehr oft kommt. Die grundsätzliche Aussage "Täter rausschmeißen" möchte ich nicht unterstützen. Das ist finde ich im Einzelfall zu betrachten. Diese pauschale Forderung finde ich nicht hilfreich. Es macht wohl einen Unterschied, ob eine gewaltausübende Person ihre Taten zugibt und Verantwortung übernehmen möchte, oder ob sie alles abstreitet etc. Ich kann hier differenzieren, UND gleichzeitig Betroffenen ihre Erfahrungen glauben. Zu dieser Gleichzeitigkeit sind wir in der Lage, und es sollte auch unser Anspruch sein, finde ich. Wir brauchen Strukturen, die eine kollektive Verantwortungsübernahme für sexualisierte Gewalt ermöglichen (siehe Transformative Justice) sowie eine individuelle Verantwortungsübernahme der gewaltausübenden Person fördern und einfordern. Ein "Täter raus" greift sexistische Strukturen nicht an, sondern verschiebt das Problem.

    Zur Diskussion dieses Falles auf Social Media: ja, auch ich habe die Stimmen gelesen die eine juristische Aufarbeitung des Falles fordern. Ich stimme zu, dass das nicht hilfreich ist, und kritisiere diese Fokussierung auf unser Justizsystem. Betroffene sollten da zu nichts gedrängt werden.



    Gleichzeitig gab es auch andere Kritik, die hier im Artikel nicht erwähnt wurde: die Frage danach, wie es genau dem Opferschutz dient, wenn Foto und Name des Täters veröffentlicht werden. Und diese Frage stelle ich mir auch. Dass ein Mann, der nicht zu seinen Taten steht, aus der IL ausgeschlossen wird, ist verständlich. Dass informiert werden soll, dass es zu sexualisierter Gewalt kam, auch. Dennoch ist es ein massiver Schritt Namen und Foto zu veröffentlichen. Dass jedes kritische Hinterfragen dieses Schrittes als "Täterschutz" diffamiert wird, finde ich bedenklich.



    Schade dass ein Dialog nicht möglich ist.

    • @Noa:

      "Ich kann hier differenzieren, UND gleichzeitig Betroffenen ihre Erfahrungen glauben."



      Offengestanden erschließt sich mir nicht ganz, wie eine Differenzierung möglich sein soll, wenn die Aussagen einer beschuldigenden Person der einzige Maßstab sein sollen.

  • „Betroffenen glauben, Täter rausschmeißen, die Gegenwehr des Täterumfelds zurückdrängen.“

    Wie bei Kachelmann ?



    Oder lieber wie bei Gustl Mollath?