Umgang des Kremls mit Nawalnys Tod: Es geht um Erniedrigung
Die Tage nach dem Ableben von Alexei Nawalny zeigen den Zynismus von Putins Russland. Repressionen gegen Andersdenkende werden zunehmen.

D ass Russlands Präsident Wladimir Putin über Leichen geht, wenn es dem eigenen Machterhalt dient, ist bekannt. So gesehen ist – grausam, aber wahr – auch das tragische Ende von Alexei Nawalny im heutigen Russland business as usual. Eine neue Qualität hat jedoch das Katz-und-Maus-Spiel rund um die sterblichen Überreste des prominentesten Kremlkritikers. Einen Menschen auch noch nach seinem Tod maximal zu erniedrigen und die Angehörigen gleich mit, darum geht es. Mehr Anschauungsmaterial, wie zynisch, menschenverachtend und moralisch verwahrlost dieses System ist, braucht es nicht.
Dazu passt auch der Umgang der Sicherheitskräfte mit den Russ*innen, die am vergangenen Wochenende, allen Einschüchterungen und realen Risiken zum Trotz, in mehreren Städten des Landes spontan ihre Anteilnahme am Tod Nawalnys bekundeten: Gewalt, Hunderte Festnahmen und ein juristisches Nachspiel, das viele Teilnehmer*innen zu erwarten haben. Offensichtlich haben Putin und seine Handlanger Angst vor trauernden Menschen mit Blumen und Kerzen, die sich in stillem Gedenken versammeln.
Man kann sich die Frage stellen, was dieses brutale Vorgehen über den tatsächlichen Zustand des Regimes aussagt. Wie auch immer der Befund ausfällt – für die, die in Haft gequält und tagtäglich entmenschlicht werden, macht das keinen Unterschied.
Ob die Journalistin Anna Politkowskaja, der Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der Chef der Wagner-Truppe Jewgeni Prigoschin oder jetzt Nawalny: Über die Hintergründe und Umstände dieser Verbrechen in staatlichem Auftrag werden wir vielleicht nie die Wahrheit erfahren, zumindest nicht, solange Wladimir Putin im Kreml sitzt. Er wird sich schon im kommenden Monat für eine weitere Amtszeit bestätigen und entsprechend feiern lassen.
Schon jetzt steht fest, dass sich die Repressionen gegen Andersdenkende verschärfen werden. Und Nawalny wird nicht der Letzte sein, der für ein anderes Russland mit seinem Leben bezahlt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder