Ukraine will Auslieferung Wehrpflichtiger: Selenskis Plan ohne Rechtsgrundlage

Ukraines Präsident Selenski will in die EU geflüchtete, wehrpflichtige Männer per Auslieferung zurückhaben. Die Bundesregierung gibt sich ahnungslos.

Helm mit Totenkopf und Gewehr mit den Farben der Ukraine

Helm mit Totenkopf und Gewehr eines ukrainischen Soldaten Foto: Ricardo Moraes/reuters

Ukrainische Militärdienstpflichtige, die derzeit in der EU leben, sind in heller Aufregung. Präsident Selenski hat angekündigt, Auslieferungsanträge zu stellen, um all diejenigen zu rekrutieren, die geflüchtet sind. Sie alle erhalten derzeit einen befristeten humanitären Aufenthaltsstatus nach der sogenannten Massenzustromrichtlinie der EU.

Sie sind geflohen, weil sie sich nicht für den Krieg rekrutieren lassen wollen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Aber klar ist, dass in der Ukraine jede legale Möglichkeit, den Kriegsdienst zu verweigern, ausgesetzt worden ist. Kriegsdienstverweigerer werden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Yurii Sheliazhenko, der sich im Rahmen der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung für sie einsetzt, wurde zu Hausarrest verurteilt. Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung wird von der Ukraine missachtet.

Bei uns in der Beratung gibt es zunehmend Anfragen von ukrainischen Männern, die bereits im Krieg waren. Sie sind zum Teil schwer traumatisiert oder verletzt und befürchten, trotzdem wieder an die Front geschickt zu werden. Die Ankündigung von Präsident Selenski hat keine rechtliche Grundlage. Nach Artikel 4 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens darf bei Militärstrafvergehen keine Auslieferung erfolgen – eine Überstellung wäre illegal. Das gilt für alle Länder der Europäischen Union.

Druck auf Ukrainer im Ausland

So erweist sich die Ankündigung von Selenski als Versuch, den Druck auf ukrainische Männer im Ausland zu erhöhen. Da die Bereitschaft für einen Einsatz im Krieg sinkt, wird nun der Druck erhöht. Die letzten Reserven sollen mobilisiert werden. Die Ankündigung hat vermutlich auch das Ziel, Einfluss auf die weitere Gestaltung der EU-Richtlinie für Ukrainer zu nehmen. Sie läuft spätestens im Februar 2025 aus.

Die Bundesregierung gibt sich ahnungslos. Auf Nachfrage beharrt sie darauf, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine weiter existiert. Damit droht den Verweigerern, dass ihre Entscheidung nicht ernst genommen wird, selbst wenn sie Asyl beantragen.

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Rudi Friedrich ist Geschäftsführer von Connection e. V. Der Verein setzt sich für Kriegs­dienst­ver­wei­ge­r*in­nen weltweit ein – mit der #ObjectWarCampaign insbesondere für Ver­wei­ge­r*in­nen aus Russland, Belarus und der Ukraine.

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