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US-Staat gegen PornhubGeilheit blockiert

Mohamed Amjahid
Kommentar von Mohamed Amjahid

Im US-Bundesstaat Texas blockiert die größte Pornoplattform Pornhub ihre Seite für Besucher. Wird das im Wahljahr den Unmut der Wähler nach sich ziehen?

Pornoseiten in Texas sind seit vergangener Woche nicht wie üblich erreichbar Foto: imago

D er Ausdruck Average Joe meint in den USA einen durchschnittlichen Bürger: der US-amerikanische Max Mustermann sozusagen. Im Durchschnitt guckt dieser Bürger zwei bis drei Mal pro Woche Pornos. Und: Mehr als die Hälfte der Joes verbringt pro Besuch auf Pornoseiten weniger als fünf Minuten am Stück dort. In Texas sind all diese Durchschnittsangaben seit vergangener Woche schlagartig gen null gesunken.

Der Bundesstaat im Süden der USA ist jetzt nämlich weitestgehend pornofrei. Es ist der bisherige Höhepunkt einer politisch-juristischen Schlammschlacht zwischen Pornhub, dem weltweit größten Anbieter pornografischer Inhalte, und erzkonservativen Politiker*innen. Seit vergangenem Donnerstag hat Pornhub seine Dienste in Texas eingestellt. Der Porno-Anbieter reagierte damit auf ein neues Gesetz und ein Gerichtsurteil, die eine offizielle Altersüberprüfung für Use­r*in­nen von Porno-Seiten vorschreiben, mit Personalausweis oder sonstigen offiziellen Dokumenten.

Im anonymen und schnelllebigen Netz nicht wirklich praktikabel. Zumindest die Texas-Joes gucken jetzt also in die Röhre – und könnten sich bei dieser Porno-Misere nun grundsätzliche politische Gedanken machen. Andere US-Bundesstaaten haben ähnliche Anti-Porno-Gesetze angekündigt, jüngst das ultrakonservativ regierte Oklahoma. Es stellt sich also die Frage: Wird der Porno-Frust des Average Joe die US-Präsidentschaftswahl dieses Jahr beeinflussen können?

Wer sich zumindest in Texas nun ein paar geile Videos reinziehen möchte, liest meistens eine Protest-Erklärung vom Pornhub-Mutterkonzern, zu dem auch Seiten wie YouPorn oder PornMD gehören. Darin wird das erklärte Ziel des texanischen Gesetzgebers infrage gestellt. Offiziell geht es den konservativen Po­li­ti­ke­r*in­nen um den Schutz von Minderjährigen, dieses Ziel unterschreiben auch linke oder liberale Gruppen. In konservativ geprägten US-Bundesstaaten wurde in den vergangenen Monaten der Kinderschutz aber als Argument genutzt, um in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens bestimmte Moralvorstellungen durchzusetzen.

Erzkonservative Gruppen, vor allem fundamentalistisch-christliche Organisationen und Eltern, sind auf dem Vormarsch. Sie wollen Abtreibungen gänzlich verbieten, haben in mehreren Bundesstaaten Dragshows aus dem öffentlichen Leben gedrängt, trans Menschen werden attackiert, Kunst und Kultur zensiert, queere Bücher zum Beispiel aus Bibliotheken verbannt. Queer-feministische Ak­ti­vis­t*in­nen gehen gegen diese Zensur und den Angriff von rechts auf die körperliche Selbstbestimmung auf die Straßen und ziehen vor Gericht. In Texas musste nun der Porno dran glauben. Ausgerechnet dieser Schritt könnte für den erzkonservativen Moralautoritarismus aber nach hinten losgehen.

Pornoseiten-Sperre betrifft auch Konservative

Verschiedene Studien besagen, dass bis zu 98 Prozent der Männer in den USA regelmäßig Pornos konsumieren, praktisch fast jeder Joe. Je nach Alter bis zu 60 Prozent der Frauen, immerhin mehr als die Hälfte der Jolenes. Rein statistisch betrachtet müsste also mit hoher Wahrscheinlichkeit der Pornokonsum auch unter texanischen Po­li­ti­ke­r*in­nen eine Rolle spielen – nicht als Gegenstand politischer Debatten, sondern als privates Vergnügen. Anders gesagt: Auch Konservative holen sich bei Videos mit Titeln wie „Quick Blowjob in the Office“ oder „MILF spanking him real good“ einen herunter.

Oder wegen des aktuellen Streiks von Pornhub eben nicht. Es gibt zwar technische Möglichkeiten, die Porno-Blockade für den sexy Feierband nach der Plenardebatte zu umgehen, zum Beispiel mit der Nutzung einer anonymen Netzwerkverbindung, die den Standort verschleiert, für all jene, die technisch nicht so versiert sind, bleibt aber nur noch die Fahrt nach Mexiko oder ins verhasste liberale Kalifornien übrig.

Average Joe will sich in einem hedonistisch-kapitalistischen, very American Selbstverständnis einfach durchschnittlich und auf der Stelle aufgeilen: Werden die Erzkonservativen in diesem US-Wahljahr also über die von ihnen selbst erzwungene Porno-Flaute stolpern?

Pornhub ist nicht nur der größte Porno-Anbieter im Netz, sondern überhaupt eine der meist besuchten Seiten weltweit. In den USA liegt der Dienst mit mehr als 3 Mil­liar­den Besuchen pro Monat nur knapp hinter Amazon und Facebook, noch vor Wikipedia und weit vor cnn.com. Auf den vorderen Rängen finden sich auch andere Porno-Anbieter wie xvideos oder xhamster. Und genau darin liegt die Power des Pornos: Während andere körperfeindliche Maßnahmen wie Drag-Verbote eher kleine Minderheiten betreffen, steht Joe nun am Scheideweg. Für die Republikaner stimmen und nie wieder bouncende Brüste mit einem Klick bestaunen? Oder sich doch für die geile Freiheit entscheiden?

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Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
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18 Kommentare

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  • In einem Land, wo nackte Brüste zensiert werden, aber jedes Kind eine Knarre irgendwo abgreifen kann, wird eine "Porno-Sperre" sicher keinen großen Aufschrei auslösen. Da könnte ja jemand aus der Familie, Nachbarschaft oder Firma mitkriegen, dass man sowas guckt - nee, nee. Und weil jeder so geübt darin ist, das zu verheimlichen, wird man das auch weiterhin schaffen - erst recht beim Konsum per VPN - und damit kann man problemlos wieder konservativ wählen. Vordergründig stimmt man mit deren "Werten" ja überein. Soll bloß keiner behaupten, man wäre nicht moralisch "sauber".

  • Wie geht das technisch? Funktioniert es auch gegen Zugriffe über den Tor-Browser? Wohl kaum, außer dass man die Zugriffe aus Texas nicht mehr messen kann...

  • Der texanischen Average Joe besorgt sich einfach einen VPN und macht sich über sowas einfach keine Gedanken.

  • Geil! Porno gegen Trump bzw. Konservativismus. Das ist mal echt ne schwere Waffe.



    Leider wird sich das regeln, indem Texas das entsprechende Gesetz nicht verabschiedet, fürchte ich. Aber wenn die hart bleiben, wird das echt gut. Biden hat schon so gut wie gewonnen.

  • scheint, der autor ist fasziniert vom wort “geil”.



    kann man ihm nur bruce und bongo empfehlen.

  • Betrifft ich zum Glück nicht, weil ich keine klassischen Pornos konsumiere, aus queerfeministischen Gründen.

    Mich macht eine andere Sache sauer: Altersverifikation.

  • Sehr interessant was sich da evtl. anbahnt. Ich könnte mir vorstellen, daß dies die Konservativen schon Stimmen kosten wird. Am Gesamtergebnis für Texas wird es vermutlich nichts ändern, weil die komplette Zensur ja nur zeitlich begrenzt ist. Allerdings fühlt es sich sicherlich für einige wie ein Eingriff in die eigene Freiheit an. Entscheidend wird auch sein, wie lange dieser Umstand bestehen bleibt.

  • "…. dieses Ziel unterschreiben auch linke oder liberale Gruppen."

    Paperlapapp….. Wenn dem so wäre wäre die Altersbestätigung längst realisiert, es gäbe keinen Widerstand einschlägige Pornoliteratur aus Schulbibliotheken (!!!!) zu verbannen, "drag Queen Hours for Kids“ gäbe es auch nicht usw. usf.

    "….. für all jene, die technisch nicht so versiert sind, bleibt aber nur noch die Fahrt nach Mexiko oder ins verhasste liberale Kalifornien übrig."

    Ja, klar. Der typische average Joe wird nun hunderte Meilen weit fahren um Pornos zu konsumieren anstatt 5 Minuten zu googeln um rauszukriegen wie VPN funktioniert.

    Finds echt uncool das Herr Amjahid uns Texaner für minderbemittelt hält.

    Und PS: wir hassen Kalifornien nicht. Ein Fakt den in Deutschland nicht viele wissen: es gibt keine "Blue states".Es gibt "Blue cities" welche alleine durch ihren Bevölkerungsreichtum den Demokraten die Macht sichern. Außerhalb dieser Städte wird nahezu ausschließlich republikanisch gewählt.

    Deswegen hassen wir keine Bundessataaten sondern die liberalen Cities. Ganz egal ob es sich nun z.B. um LA,CA oder Austin, TX handelt.

  • Soweit ich weiß ist in der kompletten muslimischen Welt Pornographie massiv eingeschränkt oder komplett verboten - teils drohen drakonische Strafen, Stichwort Iran, Pakistan, Saudi Arabien, etc...



    Trotzdem hat dort jeder unzählige 'Filmchen' auf seinem Handy - vom Taxifahrer bis zum Zollbeamten, alles schon live erlebt 🤷‍♂️



    Yasmeena Ali, Persia Pele, Zarina Masood und wie sie nicht alle heißen genießen Bekanntheitsgrade weit über ihre Landesgrenzen hinaus - die kennt dort jeder wie bei uns vielleicht Dolly Buster oder eben Riley Reid in den USA.



    Zu hoffen das blockierte Pornoseiten einige Konservative in den USA dazu bringen am Ende gegen Trump zu wählen halte ich für absolut aussichtslos - zumal man heute eben NICHT mehr technisch versiert sein muss, sorry, da liegt der Artikel leider völlig falsch - Opera, NordVPN, etc... es gibt unzählige Browser oder Apps die automatisch sowieso nur noch VPN-Server anwählen - alles was es dafür braucht ist ein einziger Klick 🖱️

  • 🤡 No sex for Trump fans 🤡

  • Auch bei uns ist eine Altersprüfung für jugendgefährdende Inhalte vorgeschrieben. Funktioniert aber nicht, weil die deutschen Behörden offenbar zahnlose Tiger sind. Jedes Kind ist mit zwei Klicks bei allem Angebot drin, wie auch Jan Böhmermann gezeigt hat. Hier könnte die Werteunion einmal zeigen was sie drauf hat.

  • "Für die Republikaner stimmen und nie wieder bouncende Brüste mit einem Klick bestaunen? Oder sich doch für die geile Freiheit entscheiden?"

    Das steht doch gar nicht zur Debatte, da jeder Volljährige sich die Filme weiterhin reinziehen kann, wenn er oder sie denn möchte.

    Jugendschutz in dieser Branche wäre eigentlich schon längst fällig. Warum kommt denn sowas in Europa nicht? Und warum hört man hier die üblichen feministischen Stimmen nicht schreien, bei der ganzen Ausbeutung der hunderttausenden Frauen?

    • @Micha.Khn:

      Ich denke schon, dass "sich abmelden müssen" für viele konservative ein No-Go wäre.



      Dadurch wirkt es nicht mehr geheim und anonym. Und eventuell kann dann sogar Gott die Daten einsehen und das kostet sie dann ihren Platz in Paradies.



      (Zumal das vierte Gebot in heutigen Pornos sehr wichtig zu sein scheint)

    • @Micha.Khn:

      Wie im Artikel klar zu lesen ist, geht das, zumindest was Pornhub angeht, nur mit Proxyservern, denn Pornhub selbst hat seinen Dienst in Texas eingestellt, anstatt eine Altersverifiktion einzuführen.



      Mit einem Proxyserver wiederum können auch Minderjährige weiterhin Pornos schauen.



      Ich frage mich außerdem, wie sicher so eine Altersverifikation sein soll in einem Land ohne Personalausweise. Einen Führerschein für den Onlinegebrauch zu fälschen, dürfte selbst für Amateure nicht schwer sein und überprüfen lässt sich das auch kaum.

    • @Micha.Khn:

      "Jugendschutz in dieser Branche wäre eigentlich schon längst fällig."

      Zumindest in Deutschland wird das längst versucht. Siehe Rundfunkstaatsvertrag bzw. später Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.



      (Einige Änderungen dieser Verträge haben Anfang des Jahrhunderts dafür gesorgt, dass deutsche Anbieter, die bis dato immerhin noch versuchten, das Alter ihrer Nutzer per Perso-Nummer und Kreditkarte abzuprüfen, einfach ins Ausland abwanderten - wo sie gar keine Schranken mehr vor ihre Angebote stellen mussten. Wer braucht schon .de-Domains für Schweinkram?)

  • Ich habe wenig Hoffnung, dass die Sperre von Pornoseiten die "konservativen " bigotten Politiker Stimmen kostet. Pornos gab und gibt es immer auch im tiefsten reaktionären Mief aller Länder.

    • @aujau:

      Zur Not auf ollen VHS-Kassetten.

      • @Tetra Mint:

        Oder mit einem VPN.