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US-Armee in SyrienKein Abzug ohne Sicherheitsgarantien

Trump bremst den Rückzug der US-Truppen aus Syrien. In Jerusalem kann John Bolton die Gemüter beruhigen, in der Türkei soll er für die Kurden eintreten.

Raus aus Syrien: ja. Aber wann? Foto: dpa

Jerusalem taz | Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, schon gar nicht, wenn es aus der Küche von US-Präsident Donald Trump kommt. Nachdem der von Trump angekündigte Truppenabzug aus Syrien die Gemüter in Jerusalem erregt hatte, konnte US-Sicherheitsberater John Bolton sie im Verlauf seines Besuchs wieder beruhigen. In jedem Fall solle, bevor die Soldaten ihre Rucksäcke packen, „die Sicherheit Israels und unserer Freunde in der Region garantiert sein“, erklärte er nach Beratungen mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Die Beziehungen zwischen dem Weißen Haus und Jerusalem seien, so fügte er hinzu, „die besten in unserer Geschichte“.

Netanjahu nutzte die Gelegenheit, um die USA und überhaupt „alle Staaten“ dazu aufzufordern, „die Souveränität Israels über die Golanhöhen“ anzuerkennen, die für die Sicherheit seines Landes „von extremer Bedeutung“ seien. Israel hat die 1967 im Sechstageskrieg eroberten Golanhöhen Ende 1981 annektiert.

Trumps überraschende Ankündigung kurz vor Weihnachten, die rund 2.000 in Syrien stationierten US-Truppen abzuziehen, hatte in Israel die Sorge geweckt, dass sich die iranischen Revolutionsgarden in dem entstehenden Vakuum ausbreiten werden. Zudem hoffte man, dass Washington einen Gegenpol zu Moskau bilden würde, das in Syrien über die vergangenen Jahre großen Einfluss gewonnen hat.

Dies ist „das Ende der Liebesaffäre“, kommentierte Jaron London in Jediot Achronot. Nun zeige sich, dass Israel nur „ein militärischer Vorposten“ sei, „ein Testfeld für amerikanische Waffen“. Ähnlich enttäuscht über den Chef im Weißen Haus kommentierte Emmanuel Navon von der Times of Israel. Die Entscheidung Trumps, „Amerikas Verbündete im Stich zu lassen“, sei ein „strategischer und moralischer Fehler“.

Kein genauer Zeitplan

Die Empörung in Jerusalem und andernorts, gekoppelt mit dem Rücktritt von Verteidigungsminister James Mattis, ließ Trump auf die Bremse treten. Wenn er anfangs Syrien – das Land, „in dem es nur Sand und Tod“ gebe –, augenscheinlich gar nicht schnell genug verlassen konnte, so dämpfte er am Sonntag seinen Ton. Er habe niemals gesagt, „dass wir über Nacht rausgehen“. Die Truppen würden erst dann abgezogen, wenn der IS besiegt sei. Einen genauen Zeitplan habe man nicht, so Bolton. Er sprach von „Bedingungen“ und „der Schaffung von Umständen, die wir sehen wollen“. Laut NBC werde inzwischen sogar eine dauerhafte Stationierung von US-Truppen im Süden Syriens erwogen.

Boltons Reise gilt außer Israel den Kurden, die während des Bürgerkriegs Seite an Seite mit den US-Truppen gegen die Allianz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad kämpften. Der US-Sicherheitsberater wird am Dienstag in die Türkei reisen, um von Präsident Recep Tayyip Erdoğan Garantien für die bisherigen Verbündeten einzufordern. „Es gibt Ziele, die wir erreichen wollen, die den Abzug aus Syrien beeinflussen“, meinte er.

Die USA wollen sicherstellen, dass die Türken die Kurden nicht abschlachten

Auch US-Außenminister Mike Pompeo signalisierte, die USA wollten sicherstellen, „dass die Türken die Kurden nicht abschlachten“. Ohne die im Norden Syriens stationierten Amerikaner wären die Kurden der türkischen Armee ausgeliefert, die bereits mit einer Offensive drohte. In Ankara gilt die kurdische YPG als Terrorgruppe. Bereits im Vorfeld der Türkei-Reise Boltons kommentierte Ibrahim Kalin, Sprecher Erdoğans, dass die YPG „kein Verbündeter der USA“ sein könne.

Die Türkei verfolge mit ihrem Kampf gegen „die Terroristen der PKK und deren syrischen Zweig“ das Ziel, andere Kurden „aus der Tyrannei und Unterdrückung“ dieser Gruppen zu befreien. Schwierige Vorzeichen für Bolton: Sollten die Kurden sich von den USA im Stich gelassen sehen, müssten sie sich neue Verbündete suchen. Zur Debatte stünden Russland und Assad – ihre bisherigen Feinde.

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