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UN-Hilfen für IdlibHunger und Macht

Julia Neumann
Kommentar von Julia Neumann

Die UNO und Russland haben sich geeinigt: Sechs Monate noch können Hilfsgüter nach Syrien gebracht werden – über einen einzigen Grenzübergang. Das ist kein Erfolg.

Einziger Weg für Hilfe: der Grenzübergang in Bab al-Hawa an der syrisch-türkischen Grenze Foto: Mahmoud Hassano/reuters

D ie USA und Russland loben sich dafür, im Sicherheitsrat einen Kompromiss für die Hilfslieferungen nach Nordwestsyrien gefunden zu haben. Doch der Kompromiss, dass die UNO nun für weitere sechs Monate Hilfen über die Türkei an 4 Millionen Notleidende in Nordwestsyrien schicken kann, ist ein Versagen. Schon im Winter muss erneut darüber debattiert werden, wie die Millionen Vertriebenen, die in unfertigen Häusern oder Zelten leben, an Essen kommen. Mit einem einzigen für Hilfen offenen Grenzübergang wird lediglich der Status quo erhalten.

Russland hatte mit der Souveränität Syriens argumentiert und damit die Frage nach humanitärer Hilfe wieder einmal zu einer geopolitischen gemacht. Doch Hunger darf kein politisches Druckmittel sein, um eine Zusammenarbeit mit Assad zu erzwingen. Grenzübergänge für Hilfen aus dem Irak und Jordanien sind schon geschlossen, weil Russland und China sich im Sicherheitsrat quer stellten. Seit der Schließung des Grenzübergangs Al Yarubiyah im Januar 2020 ist laut der Organisation CARE der Bedarf an humanitärer Hilfe im Nordosten Syriens um 38 Prozent gestiegen. Die Diskussion um Bab el-Hawa hat davon abgelenkt, dass es mehr Zugänge geben müsste – und nicht weniger. Es braucht dringend eine politische Lösung.

Russland erzwang von UNO-Generalsekretär António Guterres auch eine Einschätzung über alternative Routen für die Hilfsgüter via Damaskus. Doch das ist Humbug: Die Güter müssten dann von Damaskus im Südwesten des Landes aus nach Nordwestsyrien gebracht werden – entlang der Frontlinie in Rebellengebiete, die Assad aushungern möchte. Trotz monatelanger Gespräche ist bisher kein Truck mit Hilfslieferungen nach Nordwestsyrien gelangt.

Infografik: infotext-berlin.de/MG

Mehr noch: Ohne Monitoring der UNO könnten die Hilfen vom Regime selbst abgezwackt werden, denn Assad braucht dringend selbst Ressourcen, um Sanktionen zu umgehen und die Bevölkerung in seinen Gebieten zu ernähren.

Das Veto-Problem

Die irrsinnige Debatte darum, eine Lebensader zu offenzuhalten, zeigt einmal mehr, dass die Institution des Sicherheitsrates, mit fünf großen Veto-Mächten, den Grundsätzen der humanitären Hilfe widerspricht: Er verhindert Unparteilichkeit und macht die UN zu einem politischen Instrument, das von alten Großmächten lenk- und erpressbar ist.

Dass die UNO sich politischem Druck beugt, hat sie schon mehrfach bewiesen: Die syrische Regierung drohte seit 2011 immer wieder damit, der UNO Visa und Genehmigungen zu entziehen, sollten Grenzübergänge gegen ihren Willen passierbar bleiben. Die UNO musste sich darauf einlassen, um zumindest jenen Hungernden zu helfen, die in den Gebieten unter Assads Führung leben. Die großen Geberländer, darunter auch Deutschland, müssen daher dringend alternative Wege finden, um auch ohne UNO-Mandat eigenständig Medizin, Zelte und Mehl an Zi­vi­lis­t*in­nen liefern zu können.

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Julia Neumann
Korrespondentin Libanon
Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.
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4 Kommentare

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  • Ich finde die Karte hilfreich, würde jedoch gerne wissen, wo sich die Islamisten befinden. Selbstverständlich wäre es human, auch die Islamisten zu unterstützen, aber wenn ich mir ansehe, was Islamisten in vielen Teilen dieser Welt anrichten, frage ich mich, ob es nicht kontraproduktiv wäre, ihnen bei der Wiedererstarkung zu helfen. Dass Herr Assad kein Interesse daran hat, dass Islamisten in seinem "Hoheitsgebiet" gestärkt werden, kann ich nachvollziehen.



    Würden wir es ernst meinen, müssten wir diese Leute aus Syrien herausholen, aber in welchen Ländern dieser Welt, wollen sich Islamisten integrieren? Ich weiß es nicht.

  • Was hindert uns eigentlich daran, Hilfsgüter ohne Zustimmung Assads nach Nordsyrien zu bringen? Die Grenzübergänge werden doch von unserem Verbündeten Türkei beherrscht. Auf beiden Seiten der Grenze.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Geht um UN Hilfen, die UN kann nicht gegen ein Veto von einem der 5 Veto Mächte handeln, weshalb ich den Wert den hier in den Diskussionen die Leute einem UN Mandat beimessen nicht verstehe, aber sie haben Recht Deutschland könnte direkt helfen. Da es aber in Idlib ziemlich viele Islamisten gibt und man mit der Besetzung durch die Türkei nicht glücklich ist will man lieber durch die UN helfen um da politisch Abstand zu halten.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Das stimmt. Aber was hindert uns daran Hilfen ohne Umweg über die UN direkt zu schicken? Sonst sind wir doch auch nicht so schüchtern.

        "...um da politisch Abstand zu halten."

        Die Bundesregierung hat in Sachen Syrien nie politisch Abstand gehalten. Sie war vorn mit dabei, als es darum ging, das Land in Krieg und Zerstörung zu stürzen.