Trump mit Coronavirus infiziert: Was wäre, wenn?
Die Coronainfektion des US-Präsidenten Donald Trump einen Monat vor der Wahl wirft viele Fragen auf, politische und juristische. Vier Szenarien.
Szenario 1: Infiziert, aber keine Symptome
Trump selbst und auch alle womöglich weiteren Mitglieder seines inneren Kreises, die sich infiziert haben könnten, zeigen keinerlei Symptome, können aus der Quarantäne heraus ihre Geschäfte weiterführen, twittern und Wahlkampfvideos veröffentlichen. Nach zwei Wochen beendet Trump nach einem weiteren – dann negativen – Test die Quarantäne und nimmt die Wahlkampfveranstaltungen wieder auf.
In diesem Fall könnte die Infektion Trump eindeutig nutzen: Er würde sich einerseits als fitter, starker Gewinner präsentieren. Außerdem würde seine Genesung die Botschaft bekräftigen, Covid-19 sei gar nicht so schlimm. Die Börsenkurse, die unmittelbar nach der Nachricht in der Nacht zu Freitag stark abrutschten, würden sich rasch erholen.
Dieses Szenario bringt in den sozialen Medien viele Personen dazu, an einen Fake zu glauben, wie schon bei der Corona-Infektion des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro Anfang Juli. Dessen Popularitätswerte sind inzwischen, nach erfolgreicher Genesung, auf einem Allzeithoch.
Szenario 2: Mittlerer oder schwerer Verlauf
Trump, die First Lady, sein Schwiegersohn Jared Kushner oder andere prominente Figuren aus dem Weißen Haus zeigen einen mittleren oder gar schweren Verlauf. Damit wäre die Gefährlichkeit des Virus unmittelbar und an oberster Stelle sichtbar.
Wenn es Trump selbst betrifft, wäre sein Nimbus der Unverwundbarkeit dahin, er könnte nicht mehr in den Wahlkampf eingreifen und nichts dafür tun, den Vorsprung seines demokratischen Konkurrenten Joe Biden aufzuholen. Vizepräsident Mike Pence müsste zumindest zeitweise die Amtsgeschäfte übernehmen. Zudem würden Diskussionen darüber befeuert, ob Trump, falls gewählt, überhaupt sein Amt antreten könnte.
Szenario 3: Ein Kandidat stirbt vor dem Wahltermin
Im Prinzip sehen die Statuten beider Parteien vor, dass im Fall des Todes eines bereits von der Partei nominierten Kandidaten die jeweiligen National Committees sofort einen neuen Kandidaten benennen. Allerdings muss dessen Name dann auch noch auf die Wahlzettel – und der Termin dafür ist in fast allen Bundesstaaten bereits verstrichen, zumal in vielen Staaten bereits Stimmen abgegeben werden konnten.
Einen Automatismus, dass eine für einen verstorbenen Kandidaten abgegebene Stimme automatisch für den von der Partei benannten Nachfolgekandidaten gezählt wird, gibt es nicht – darüber müssten im Zweifelsfall Gerichte entscheiden.
Szenario 4: Ein Kandidat wird gewählt und stirbt
Bei den Wahlen am 3. November erhält ein Kandidat ausreichend Stimmen, um eine Mehrheit im Electoral College zu gewinnen und Präsident zu werden. Aber er stirbt vor der Amtseinführung am 20. Januar. Für diesen Fall hat die US-amerikanische Verfassung ein äußerst kompliziertes Vorgehen vorgesehen. Wichtig ist vor allem der Zeitpunkt und plötzlich – was bei all den Unsicherheiten bei der Wahl 2020 ohnehin viele erwarten – werden all jene normalerweise von der Öffentlichkeit völlig unbemerkten Termine zwischen Wahl und Amtseinführung wichtig:
Bis zum 8. Dezember müssen die Bundesstaaten alle eventuellen Streitigkeiten über das Abstimmungsergebnis geregelt und ihre Wahlleute für das Electoral College benannt haben. Das Electoral College tritt in einem Wahljahr offiziell stets „am ersten Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember“ zusammen. Das ist in diesem Jahr der 14. Dezember.
Stirbt der Kandidat mit den meisten Wahlleuten vorher, stellen sich viele Fragen: Einerseits kann auch in diesem Fall die Partei, der der Wahlsieger angehört, einen Nachfolger bestimmen. Andererseits binden manche Staaten ihre Wahlleute an den Kandidaten, der den Staat gewonnen hat. In diesem Fall müssten die Wahlleute ihre Stimme für einen toten Kandidaten abgeben – oder aber der entsprechende Bundesstaat müsste kurzfristig seine Regeln ändern.
Es gibt zu diesem Zeitpunkt keinen Automatismus, dass der Vizepräsidentschaftskandidat aufrückt, auch wenn es das Wahrscheinlichste wäre. Eine Vielzahl an Rechtsfragen ist zu klären, die Gesetze der Bundesstaaten variieren stark, aber am Ende müssen die Wahlleute jedes Bundesstaats für einen Präsidenten und Vizepräsidenten stimmen.
Diese Wahlscheine müssen bis zum 23. Dezember beim Präsidenten des US-Senats abgegeben sein: Das ist der amtierende Vizepräsident Mike Pence.
Am 3. Januar tritt der neu gewählte Kongress zusammen, am 6. Januar trifft er sich in einer gemeinsamen Sitzung zur offiziellen Zählung der Wahlleute-Stimmen. Erst wenn der Kongress das Ergebnis bestätigt hat, gibt es einen offiziellen „president-elect“ – stirbt der nach diesem Datum, tritt die verfassungsmäßige Nachfolgeregelung in Kraft, das heißt, dem Präsidenten folgt automatisch der gewählte Vizepräsident.
Stirbt aber der gewählte Kandidat zwischen dem 23. Dezember und dem 6. Januar, wird es völlig unübersichtlich. Kann sich der Kongress am 6. Januar nicht darauf einigen, die für den nunmehr verstorbenen Kandidaten abgegebenen Stimmen einfach dem gewählten Vizepräsidenten zuzuschreiben, müsste der Kongress selbst einen Präsidenten wählen.
Diese Aufgabe würde dem Repräsentantenhaus obliegen, wobei jeder Bundesstaat eine Stimme hätte. Dieses Verfahren könnte zu massiven Streitigkeiten führen, wenn etwa in einem Bundesstaat der demokratische Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen die Mehrheit erzielt hat, die meisten Abgeordneten des Staates aber Republikaner sind – oder umgekehrt.
In keinem Fall allerdings sieht die Verfassung eine Neuwahl nach dem Tod eines Kandidaten oder bereits bereits vereidigten Präsidenten vor.
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