„Trump Derangement Syndrome“ in den USA: Das US-amerikanische Problem mit der Realität
Republikaner in Minnesota wollen Kritik an Donald Trump pathologisieren. Das ist eine neue Stufe des Umbaus hin zu einem autoritären System.
T reuen Trump-Anhängern ist jedes Mittel recht, die Realität nach ihrem Willen zu verzerren, Trump wie einen Gott zu idealisieren und jegliche Kritik zu diffamieren. Jetzt wollen sie nicht nur die Landesgrenzen der USA verschieben, sondern auch die Kategorien, wer psychisch gesund sei.
Am 13. März 2025 brachten fünf republikanische Senatoren von Minnesota einen Gesetzesentwurf zum sogenannten „Trump Derangement Syndrome“ (TDS) ein. Im Gesetzesentwurf steht, dass TDS als eine offiziell anerkannte psychische Erkrankung in zwei verschiedene Abschnitte des Landesrechts, die sich mit Definitionen der psychischen Gesundheit befassen, aufgenommen werden soll.
Das „Syndrom“ wird hier als „akuter Ausbruch von Paranoia bei ansonsten normalen Personen“ durch die Politik Donald Trumps definiert. Die Betroffenen leiden unter „intensiver verbaler Feindseligkeit“ und wären seinen Anhänger:innen gegenüber aggressiv.
Zum Schweigen bringen
Ganz klar im Visier: jede noch so kleine Kritik an Donald Trump. Kritische Stimmen sollen strukturell zum Schweigen gebracht werden.
Den Begriff Trump Derangement Syndrome gibt es in einer anderen Version bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten. Mit dem „Bush Derangement Syndrome“ erklärte Charles Krauthammer, ein konservativer Kolumnist und Psychiater, kritische Stimmen zu Bushs Politik oder seiner Persönlichkeit für paranoid.
2015 wurde dann das TDS als Begriff von Esther Goldberg eingeführt. Sie verwendete den Begriff erstmals in der konservativen Zeitschrift The American Spectator, wo er für die „Verwirrung“ führender Republikaner:innen stand, wenn sich diese mit Trumps Politik befassten. Diese Verwirrung führte dazu, dass sich die Politiker nur auf Trumps Rhetorik konzentrierten anstatt auf seine Politik.
Die Zielrichtung des Gesetzesentwurfs in Minnesota richtet sich dabei auch gegen Personen, die tatsächlich eine mentale Erkrankung haben. Die Politisierung und Instrumentalisierung psychischer Erkrankungen banalisiert ihr Leiden.
Strategische Verschiebung
Dass der TDS-Gesetzentwurf in Minnesota durchkommt, ist unwahrscheinlich. Denn im Senat haben die Demokraten eine knappe Mehrheit. Doch die strategische Verschiebung, wer als gesund gilt und wer als krank, ist in den USA bereits in vollem Gange.
Denn anders als Trump-Idealisierer:innen und er selbst es unterstellen, ist die Berichterstattung über den 47. Präsidenten vergleichsweise nüchtern. Mit dem sogenannten „Sanewashing“ wird Donald Trump in den meisten Medien nicht als der größenwahnsinnige Mann gezeigt, der er ist, sondern einer gründlichen Dusche aus Vernunft und Rationalität unterzogen.
Das Endprodukt ist ein Präsident, welcher so scheint, als habe er einen Plan und sei eben nicht ein verurteilter Straftäter, welcher in seinem Wahn, jegliche Kritik an ihm unterbinden zu wollen, die Demokratie abschafft.
Bemerkenswert vernünftig
Mit „Sanewashing“ werden radikale, politisch gefährliche und widersprüchliche Aussagen innerhalb rationaler Kategorien erklärbar übersetzt. Trumps irrationale Rhetorik wird dargestellt, als würden die Aussagen politischen Konventionen entsprechen. Die Anwendung traditioneller journalistischer Prinzipien, aufbauend auf Neutralität, Objektivität und Fairness, führt dazu, dass Trump bemerkenswert vernünftig herüberkommt.
Schon bei der Präsidentschaftsdebatte zwischen ihm und Kamala Harris war klar, dass die Medien einen Doppelstandard einführten: Das Level, was „normales Verhalten“ sei, war bei Trump viel niedriger angesetzt als bei seiner Kontrahentin. Spätesten da war klar: Mit Trump ist die Medienlandschaft weitgehend überfordert.
Der Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School Lance Dodes sagt dagegen klar, dass Trump nicht nur Empathie und Reue fehlt, sondern auch durch starke Impulsivität und einen Realitätsverlust gekennzeichnet ist.
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