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„Trump Derangement Syndrome“ in den USADas US-amerikanische Problem mit der Realität

Kommentar von Julia Schöpfer

Republikaner in Minnesota wollen Kritik an Donald Trump pathologisieren. Das ist eine neue Stufe des Umbaus hin zu einem autoritären System.

Wer ist hier krank? Donald Trump 2015 Foto: dpa

T reuen Trump-Anhängern ist jedes Mittel recht, die Realität nach ihrem Willen zu verzerren, Trump wie einen Gott zu idealisieren und jegliche Kritik zu diffamieren. Jetzt wollen sie nicht nur die Landesgrenzen der USA verschieben, sondern auch die Kategorien, wer psychisch gesund sei.

Am 13. März 2025 brachten fünf republikanische Senatoren von Minnesota einen Gesetzesentwurf zum sogenannten „Trump Derangement Syndrome“ (TDS) ein. Im Gesetzesentwurf steht, dass TDS als eine offiziell anerkannte psychische Erkrankung in zwei verschiedene Abschnitte des Landesrechts, die sich mit Definitionen der psychischen Gesundheit befassen, aufgenommen werden soll.

Das „Syndrom“ wird hier als „akuter Ausbruch von Paranoia bei ansonsten normalen Personen“ durch die Politik Donald Trumps definiert. Die Betroffenen leiden unter „intensiver verbaler Feindseligkeit“ und wären seinen An­hän­ge­r:in­nen gegenüber aggressiv.

Zum Schweigen bringen

Ganz klar im Visier: jede noch so kleine Kritik an Donald Trump. Kritische Stimmen sollen strukturell zum Schweigen gebracht werden.

Den Begriff Trump Derangement Syndrome gibt es in einer anderen Version bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten. Mit dem „Bush Derangement Syndrome“ erklärte Charles Krauthammer, ein konservativer Kolumnist und Psychiater, kritische Stimmen zu Bushs Politik oder seiner Persönlichkeit für paranoid.

2015 wurde dann das TDS als Begriff von Esther Goldberg eingeführt. Sie verwendete den Begriff erstmals in der konservativen Zeitschrift The American Spectator, wo er für die „Verwirrung“ führender Re­pu­bli­ka­ne­r:in­nen stand, wenn sich diese mit Trumps Politik befassten. Diese Verwirrung führte dazu, dass sich die Politiker nur auf Trumps Rhetorik konzentrierten anstatt auf seine Politik.

Die Zielrichtung des Gesetzesentwurfs in Minnesota richtet sich dabei auch gegen Personen, die tatsächlich eine mentale Erkrankung haben. Die Politisierung und Instrumentalisierung psychischer Erkrankungen banalisiert ihr Leiden.

Strategische Verschiebung

Dass der TDS-Gesetzentwurf in Minnesota durchkommt, ist unwahrscheinlich. Denn im Senat haben die Demokraten eine knappe Mehrheit. Doch die strategische Verschiebung, wer als gesund gilt und wer als krank, ist in den USA bereits in vollem Gange.

Denn anders als Trump-Idealisierer:innen und er selbst es unterstellen, ist die Berichterstattung über den 47. Präsidenten vergleichsweise nüchtern. Mit dem sogenannten „Sanewashing“ wird Donald Trump in den meisten Medien nicht als der größenwahnsinnige Mann gezeigt, der er ist, sondern einer gründlichen Dusche aus Vernunft und Rationalität unterzogen.

Das Endprodukt ist ein Präsident, welcher so scheint, als habe er einen Plan und sei eben nicht ein verurteilter Straftäter, welcher in seinem Wahn, jegliche Kritik an ihm unterbinden zu wollen, die Demokratie abschafft.

Bemerkenswert vernünftig

Mit „Sanewashing“ werden radikale, politisch gefährliche und widersprüchliche Aussagen innerhalb rationaler Kategorien erklärbar übersetzt. Trumps irrationale Rhetorik wird dargestellt, als würden die Aussagen politischen Konventionen entsprechen. Die Anwendung traditioneller journalistischer Prinzipien, aufbauend auf Neutralität, Objektivität und Fairness, führt dazu, dass Trump bemerkenswert vernünftig herüberkommt.

Schon bei der Präsidentschaftsdebatte zwischen ihm und Kamala Harris war klar, dass die Medien einen Doppelstandard einführten: Das Level, was „normales Verhalten“ sei, war bei Trump viel niedriger angesetzt als bei seiner Kontrahentin. Spätesten da war klar: Mit Trump ist die Medienlandschaft weitgehend überfordert.

Der Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School Lance Dodes sagt dagegen klar, dass Trump nicht nur Empathie und Reue fehlt, sondern auch durch starke Impulsivität und einen Realitätsverlust gekennzeichnet ist.

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schreibt für tazzwei / Medien, studiert Soziologie und Medienwissenschaft und interessiert sich für internationale Literatur, Filme & Popkultur.
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11 Kommentare

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  • In dieselbe Richtung, aber noch bedrohlicher, scheint die letzte Abweiseung des frz. Wissenschaftlers zu gehen, auf dessen Handy trumpkritische Aussagen gefunden wurden und der deswegen nicht einreisen durfte. Bedrohlicher, weil es die Trump-Kritik da nicht nur pathologisiert, sondern kriminalisiert wird. Die gegen Trumps Wissenschaftspolitik gerichteten Aussagen in den Chets auf dem Handy des Mannes sollen den Grenzern zufolge "Hass auf Trump zum Ausdruck bringen und als Terrorismus eingestuft werden können".



    www.faz.net/aktuel...ump-110369480.html

  • Ob die US-Amerikaner so etwas lesen (dürfen/können)?

  • spontane Assoziation meinerseits dazu:



    Worte wie: "linke, grüne Spinner", "geradeaus denken" und "alle Tassen im Schrank haben" aus dem Munde unseres (leider) designierten Kanzlers......

  • Dann wäre im Moment wohl die halbe Menschheit "krank".

    Krank ist besonders der Präsident, der paranoid hinter jeder Kritik eine politisch motivierte Verschwörung vermutet osä

  • Das Pathologisierung war schon immer eine unverschämte Waffe, um politische Gegner zu diffamieren. Ein Akt des Ableismus.

  • Das Bildungsministerium abschaffen, weil es "nichts bringt"...da hat er sogar noch recht...insbesondere wenn er den Nebensatz (der eigentlich der Hauptsatz ist)



    "nichts bringt, für Leute wie mich..." vollkommen unter den Tisch kehrt

  • Sanewashing, schöner Begriff, passt auch auf so manche/n AfD-Politiker/in, den/die man in Talk Shows einlädt, wo dann Hitler zum Kommunisten wird oder man empfiehlt, die Sonne wegen des Klimawandels zu verklagen.



    Das Schräge an diesen Zeiten: die Irren stehen nicht mehr mit der Dornenkrone in der Fußgängerzone sondern regieren unsere Staaten, führen Fraktionen im Bundestag, leiten Ministerien. Dann Kritik an den Wahnsinnigen zum Wahnsinn oder zur Straftat zu erklären ist da nur konsequent.



    So richtig ein Mittel gegen den ganzen Irrwitz hat noch niemand, die vorherigen Mittel der Demokratie, Debatte, Protest usw. helfen gegen diese Menschen nur sehr bedingt.

    • @Bambus05:

      Ich fürchte der Konsens darüber, die Gesellschaft demokratisch zu gestalten, ist kleiner, also von weniger Menschen getragen, als gedacht.

  • Mal abgesehen von dem infantilen Begriff ist das auch ein Problem was auf den ÖRR zukommt, jetzt wo sie sich entschieden haben "auch die Position der AFD wiederzugeben". Lieber ungefilterte Hetze in den Nachrichten bringen oder doch alles auf ein sendbares Maß herunterdampfen? Mit letzterem macht man die Spinner halt noch anschlussfähiger.

  • Letztendlich ist Donald J. Trump, psychologisch gesehen, ein Psychopath. Und wie es bei Psychopathen üblich ist verbreitet er bei seinen Kritikern genug Angst, so dass diese oft schweigen. Sie verkennen aber, dass Trump eigentlich machtlos ist, wenn alle Kritiker ihn sachlich und fundiert angreifen.



    Seine Fans wird das nicht umstimmen, aber die eindeutige Mehrheit derjenigen, die ihn nicht wie einen Gott verehren. Aber man muss sich trauen und erkennen, dass er nur heiße Luft ausstößt. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.

  • Absolutely insane.