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Treffen von Trump und PutinDer neue Trump-Putin-Pakt

Beim Treffen in Alaska beraten die Präsidenten der USA und Russlands über ein Kriegsende – durch Zugeständnisse der Ukraine. Selenskyj soll einem „Deal“ zustimmen.

Hat für Putin den roten Teppich ausgebreitet: US-Präsident Trump begrüßt den russischen Präsidenten in Alaska, am 15.8.2025 Foto: Julia Demaree Nikhinson/AP/dpa

Nach dem Gipfeltreffen der Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin in Alaska sind die Umrisse der sich anbahnenden amerikanisch-russischen Verständigung über die Ukraine klar geworden. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag berichtete, soll die Ukraine kampflos ihre wichtigsten Verteidigungslinien im Osten des Landes räumen.

Die Übergabe von Gebieten an Russland durch die Ukraine sei aus russischer Sicht die Vorbedingung für eine „umfassende“ Friedensregelung, so soll es Trump am Samstag in seinen Telefonaten mit europäischen Amtskollegen dargestellt haben. „Trump sagte, er glaube, dass ein schneller Frieden ausgehandelt werden kann, wenn Selenskyj zustimmt, Russland den Rest des Donbass zu geben, auch die nicht russisch besetzten Teile“, berichtet die New York Times.

Konkret sieht der Plan vor, dass die Ukraine den letzten Teil des seit 2014 umkämpften Gebietes Donezk komplett an Russland übergibt – also die Region von der belagerten Kleinstadt Pokrowsk bis zu den festungsartig ausgebauten Stellungen rund um die Städte Kramatorsk und Slowjansk weiter nördlich, wo sich momentan die intensivste Kämpfe abspielen und beide Seiten das Gros ihrer Kampftruppen zusammengezogen haben. Im Gegenzug würde Russland den Krieg im Süden des Landes entlang der bestehenden Frontlinie einfrieren, die ohnehin größtenteils entlang des Dnipro verläuft und seit der ukrainischen Befreiung der Stadt Cherson im November 2022 sowie den begrenzten ukrainischen Vorstößen südlich von Saporischschja im Sommer 2023 weitgehend stabil ist. Insgesamt gesehen wäre dies weitgehend eine ukrainische Kapitulation.

Für ein „umfassendes“ Friedensabkommen müssten außerdem, so wiederholte es Präsident Putin am Samstag im Kreml, „die Wurzeln des Konflikts“ beseitigt werden – das bedeutet, nimmt man vergangene Putin-Äußerungen zum Maßstab, ein Ende der Unabhängigkeit und Bündnisfreiheit der Ukraine sowie insgesamt der Nato-Militärpräsenz in ganz Osteuropa und damit ein russisches Veto über die zukünftige Sicherheitsarchitektur in Europa. Eigentlich braucht man doch die Nato gar nicht, wenn wir beide uns so gut verstehen, soll Putin Trump beim ­Gipfel von Alaska ins Ohr gesäuselt haben, neben vielen anderen Schmeicheleien.

Ein Handschlag auf dem roten Teppich

Das Treffen hatte mit einem Handschlag auf dem roten Teppich begonnen, auf der Landebahn des US-Militärstützpunkts bei Anchorage im US-Bundesstaat Alaska. Das US-Militär erwies dem vom Internationalen Strafgerichtshof mit Haftbefehl gesuchten russischen Staatschef mit einem Überflug von Kampfjets die Ehre, zum Gipfelort fuhr Putin mit Trump zusammen in dessen Limousine. Man habe produktive Gespräche geführt, hieß es nach etwa drei Stunden hinter verschlossenen Türen.

„Wir sind noch nicht dort, wo wir hinwollen, aber wir haben eine sehr gute Chance, dorthin zu gelangen“, sagte Trump auf seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin im Anschluss. Zum ersten Mal seit 2018 standen die beiden Männer wieder gemeinsam auf einer Bühne. Im Hintergrund waren groß die Worte „Pursuing Peace“, also „Streben nach Frieden“ zu lesen. Bei diesem Streben bleibt es vorerst, denn auch Putin machte keine konkreten Zusagen. Laut ihm markierte das Treffen in Alaska allerdings „einen Schritt Richtung Frieden“.

Der russische Präsident kann zufrieden sein. Von einem Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine vor Beginn von Friedensgesprächen, wie ihn Trump bis dahin gefordert hatte, ist ausdrücklich keine Rede mehr – der Krieg darf weitergehen, bis ein für Russland akzeptabler Friedensvertrag steht. Von neuen US-Sanktionen gegen Russland, falls die russischen Angriffe nicht enden, ist ebenfalls keine Rede mehr, auch nicht von „Sekundärsanktionen“ gegen Staaten, die russisches Öl kaufen und damit Russlands Krieg finanzieren.

Was genau Trump und Putin miteinander alles besprochen haben, blieb offen. Das angesetzte erweiterte Treffen zwischen den Regierungsdelegatio­nen beider Länder fiel aus, ebenso das gemeinsame Mittagessen. Sicher lief nicht alles in Putins Sinne. So wurde ihm ein Brief der First Lady Melania Trump übergeben, worin er aufgefordert wird, „die Unschuld der Kinder zu schützen“ und „ihr Lachen wiederherzustellen“ – der Den Haager Haftbefehl gegen Putin bezieht sich auf seine Rolle bei der Verschleppung Tausender ukrainischer Kinder nach Russland.

Vor allem für Putin ein Erfolg

Aber am Ende war das Treffen an sich vor allem für Putin ein Erfolg, da waren sich alle Beobachter einig. „Zum Kotzen“ sei das, schrieb in gewohnter Klarheit der britische Ex-Premierminister Boris Johnson, eigentlich ein Freund Trumps, aber ein noch engerer Freund Selenskyjs. „Putin wird mit einem Lächeln im Gesicht nach Moskau zurückkehren“, bilanzierte der ehemalige US-Botschafter in Russland, John Herbst. Trump benotete hinterher das Treffen mit „zehn von zehn“ möglichen Punkten, im russischen Fernsehen hieß es sogar „fünfzehn von zehn“.

Putin brachte auf der Pressekonferenz Moskau als möglichen Ort für ein zweites Treffen ins Spiel. „Das wäre interessant“, sagte Trump mit einem Lächeln auf den Lippen. Dabei lief Putins Moskau-Angebot seinem eigenen Vorschlag zuwider, als Nächstes ein Dreier­treffen mit dem Präsidenten der ­Ukraine abzuhalten – nach US-Berichten ist dafür Freitag, der 22. August im Gespräch.

Zunächst will Trump am Montag Selenskyj im Weißen Haus empfangen – genau dort, wo er ihn am 28. Februar gemeinsam mit seinem Vize J. D. Vance vor laufender Kamera zusammengeschissen hatte. Voraussichtlich wird Trump diesmal Putins Vorstellung eines Friedensplans unterbreiten und Selenskyj dringend die Zustimmung empfehlen. „Mach einen Deal“, hatte Trump in einem Interview mit Fox News direkt nach dem Treffen mit Putin auf die Frage geantwortet, was er Selenskyj sagen wolle, und hinzugefügt: „Jetzt liegt es wirklich an Präsident Selenskyj, die Dinge in die Tat umzusetzen.“ Mit den „Dingen“ ist wohl Putins neuer Friedensplan gemeint.

Ein Telefonat zwischen Trump und Selenskyj am Samstag soll „schwierig“ verlaufen sein. Der ukrainische Präsident lehnt eine Übergabe des gesamten Donbass an Russland rundheraus ab – das wäre bloß ein „Sprungbrett für die nächste Offensive“ Russlands, sagte er. Am Samstagabend erklärte der ukrainische Präsident: „Wir sehen, dass Russland zahlreiche Rufe nach einem Waffenstillstand zurückweist und noch nicht geklärt hat, wann es mit dem Töten aufhört. Das verkompliziert die Lage.“

Wenn Russland nicht einmal zu einer einfachen Feuerpause bereit sei, könnten weitergehende Verpflichtungen sehr schwer sein, fügte er hinzu. Er verwies auf die Staaten Skandinaviens und des Baltikums, traditionell die engsten Verbündeten der Ukraine in Europa, die in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Alaska-Gipfel auch die klarsten Worte wählten: „Die Erfahrung lehrt, dass man Putin nicht trauen kann […] Die Wurzeln dieses Krieges sind Russlands Aggression und imperialistische Ambition.“

Europa zu deutlich mehr Zugeständnissen bereit

Das Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus am Montag wird nun mit Spannung erwartet. Am Sonntag meldeten sich immer mehr Mitreisende – bis zum Nachmittag EU-Kommissions­präsidentin Ursula von der Leyen, Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie die Staats- beziehungsweise Regierungschefs von Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien und Italien.

Noch am Sonntagnachmittag wollte diese europäische „Koalition der Willigen“ per Videoschalte ihre gemeinsame Position dazu festlegen. Das hatte sie schon am vergangenen Mittwoch im Hinblick auf den Trump-­Putin-Gipfel getan und von Trump als Reaktion den Satz geerntet: „Europa sagt mir nicht, was ich tun soll.“ Selenskyj traf am Sonntagnachmittag im Gebäude der EU-Kommission in Brüssel ein.

Europas schon fast körperliche Solidaritätsbekundung mit Selenskyj kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Europäer gegenüber Trump – und damit gegenüber Putin – zu deutlich mehr Zugeständnissen bereit zu sein scheinen als die Ukraine.

So bekennen sich die europäischen Länder schon seit einer Weile nicht mehr ausdrücklich zu den völkerrechtlich geltenden Grenzen der Ukraine. Schon vor einer Woche erklärten sie stattdessen die aktuelle Frontlinie zum „Ausgangspunkt“ von Friedensgesprächen, und zu Grenzveränderungen sagen sie, diese dürften nicht „mit Gewalt“ geschehen – am Verhandlungstisch aber schon, das wird impliziert. Die lange Zeit von europäischen Ländern geforderten „Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine verwässern immer mehr. Von einer Nato-Mitgliedschaft ist schon länger keine Rede mehr; die noch vor wenigen Monaten von Großbritannien und Frankreich in Aussicht gestellte Friedenstruppe entlang einer Waffenstillstandslinie wird mangels Kapazitäten und US-Beteiligung nicht mehr weiterverfolgt.

In der letzten gemeinsamen europäischen Erklärung von vergangenem Donnerstag war von „eisernen Sicherheitsgarantien“ die Rede, der britische Premierminister Keir Starmer sprach am Samstag von „robusten Sicherheitsgarantien“, Bundeskanzler Merz nur noch von einer „Absicherung“ eines Friedensschlusses mit Russland. Auch Trumps Abkehr von einer Waffenruhe als Voraussetzung für Friedensgespräche mit Putin trägt Merz mit.

Unabhängig von allen diplomatischen Manövern geht der Krieg weiter. Den jüngsten russischen Vorstoß im Donbass hat die Ukraine nach eigenen Angaben weitgehend zurückgeschlagen – genau in dem Gebiet, das sie nach Putins und Trumps Vorstellungen jetzt der russischen Armee freiwillig überlassen soll.

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