Trans*rechte in Europa: Europarat setzt Maßstäbe
Der Europarat hat eine historische Resolution zu Trans*-Rechten vorgelegt. Jetzt muss Deutschland nachziehen. Wie man es macht, zeigt Malta.
BERLIN taz | Seit Jahren arbeiten Trans*-Aktivist_innen auf institutioneller Ebene für eine Anerkennung ihres Kampfes um Menschenrechte. Sie marschieren nicht durch die Institutionen, sondern zu ihnen hin: Organisationen wie Transgender Europe (TGEU) leisten beharrlich Lobbyarbeit und weisen immer wieder auf die ungenügenden rechtlichen Umstände für Trans*menschen hin.
Nun zeigt ihre Arbeit Früchte: Mit einer überwältigenden Mehrheit hat der Europarat am 22. April eine wegweisende Resolution gegen die Diskriminierung von Trans*menschen (Englischer Volltext beim Europarat / deutsche Übersetzung von Triq e.V.) verabschiedet – auch mit den Stimmen der Bundesregierung.
Der Europarat ruft seine Mitgliedsstaaten auf, Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität explizit zu verbieten und in alle zukünftigen Antidiskriminierungsgesetzen explizit mitaufzunehmen. Die Personenstandsänderung, also die formelle Änderung des Geschlechts auf Dokumenten wie Ausweis, Reisepass und Geburtsurkunde, müsse schnell, transparent und niedrigschwellig möglich sein. Die Staaten sollten erwägen, ein drittes Geschlecht als zusätzliche Geschlechtsoption in Ausweisdokumenten anzubieten.
Außerdem müsse das Verfahren der Geschlechtsangleichung (Hormontherapie, Operation und psychologischer Support) einfach zugänglich sein und von den Krankenkassen bezahlt werden. Auch dürfe Transsexualität nicht als Krankheit gelten oder als solche behandelt werden, ein Stigma-freier Zugang zu notwendigen medizinischen Maßnahmen sei zu gewährleisten.
„Historisch“, „wegweisend“, „bahnbrechend“
Trans*-Interessengruppen sind von der Resolution begeistert: Transgender Europe (TGEU) bezeichnet das Dokument als „historisch“, der Verein Transinterqueer (TRIQ) nennt es „wegweisend“ und „bahnbrechend“. TGEU-Sprecher Richard Köhler erklärte: „Wir sind begeistert, diese Empfehlungen senden eine klare Botschaft an Trans*leute, dass sie die gleichen Rechte haben wie alle anderen auch.“ Die Resolution sei die wichtigste und weitestgehende Erklärung für die Rechte von Trans*menschen, die je auf europäischer Ebene gegeben wurde. „Nun ist es an den Mitgliedsstaaten, diese maßgebende Resolution in eine gelebte Realität umzusetzen“, ergänzt der TGEU-Co-Vorsitzende Alecs Recher.
Und da ist noch viel Raum für Verbesserungen, gerade in Deutschland. „Der Europarat bestätigt, was Trans*-Aktivist_innen und die Forschung schon lange gefordert haben. Die engen Kriterien der deutschen Standards zur Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen sind weder stigmafrei noch menschenrechtskonform“, heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins Transinterqueer. Es gebe Zwangsmaßnahmen (ein Jahr Alltagstest mit „begleitender“ Psychotherapie), eine pathologisierende und stigmatisierende Diagnostik. „Es bedarf grundlegender Reformen des medizinisch-juristischen Umgangs mit Trans*menschen in Deutschland“, heißt es weiter. „Dem Selbstbestimmungsrecht von Trans* muss endlich Vorrang eingeordnet werden.“
Wie man es gut macht, zeigt das Beispiel Malta: Dort hat das Recht auf selbstbestimmte Geschlechtsidentität seit Anfang April Verfassungsrang. Das „Gesetz über Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale“ (Gender Identity, Gender Expression and Sex Characteristics Bill) erlaubt den Einwohner_innen Maltas die rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität ohne vorherige medizinische Diagnose, Behandlung oder Operationen und ohne Zwangsscheidungen. Zudem soll intersexuellen Babys oder Kindern kein Geschlecht zurechtoperiert werden, sondern erst, wenn sie alt genug sind, das selbst entscheiden zu können – was Inter*-Aktivist_innen seit Langem fordern. Die Resolution des Europarates begrüßt die maltesische Gesetzgebung ausdrücklich.
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