Tracking-Schutz bei Apple: Endlich Nein sagen können

Apple kratzt an der Praxis von Datensammeln und Werbung im Netz. Die Empörung ist groß. Dabei wäre es Zeit für ein Verbot personalisierter Werbung.

Junger Mann an ein Kissen gelehnt, das Smartphone in der Hand verdeckt sein Gesicht

Mit seiner neuen iOS-Version will Apple Use­r:in­nen vor Tracking schützen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wischen, tippen, noch einmal wischen, tippen, aufklappen, suchen, tippen, noch einmal tippen, auf OK klicken. Das ist der Prozess, um auf einem handelsüblichen Android-Smartphone die Werbe-ID zurückzusetzen. „Werbe-ID?“, fragen Sie jetzt. Gut, dass Sie fragen! Denn viele Nut­ze­r:in­nen wissen nicht einmal, dass es so etwas auf ihrem Android-Telefon gibt. Eine ID, die es Seitenanbietern und Werbetreibenden ermöglicht, den:­die Nut­ze­r:in über verschiedene Anwendungen hinweg zu tracken.

Wer die ID nicht regelmäßig zurücksetzt – Prozess siehe oben –, ermöglicht umfangreiche Einblicke in das persönliche Nutzungsverhalten, in Interessen, Vorlieben, Lebensumstände, vielleicht auch Krankheiten. Und ermöglicht, spätestens wenn Log-ins dazukommen, auch noch eine Identifizierung. Zwar lässt sich ebenfalls einstellen, dass die Werbe-ID nicht für Profilbildung oder Werbung verwendet werden soll. Aber das klingt mehr nach unverbindlicher Bitte als nach Vorgabe.

Dieses Umfeld muss man im Hinterkopf behalten, wenn es um den Tracking-Schutz geht, den Apple mit seiner neuen, in dieser Woche erschienen iOS-Version verspricht. Das Konzept erscheint simpel: Apps müssen künftig die Erlaubnis einholen, wenn sie ih­re:n Nut­ze­r:in digital verfolgen wollen. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist angesichts der mittlerweile üblichen Praxis von Tracking und Werbung nahezu revolutionär.

Denn der Standard ist: Wenn du dich nicht mit allen technischen Mitteln, die Browser und Betriebssystem hergeben, wappnest, damit merklich deinen Komfort einschränkst und immer wieder überprüfst, ob diese Schutzmechanismen noch dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, dann verfolgen wir dich. Und zwar gerne, ohne großartig transparent zu machen, wer da eigentlich welche Daten sammelt, für welchen Zweck, wie lange sie gespeichert werden und wo, wer sie vielleicht zusammenführt und welche Profile daraus entstehen.

Facebook ist entsetzt

Dementsprechend sorgt Apples Änderung auf dem Markt für Entsetzen. Facebook liegt diesbezüglich schon seit Monaten mit Apple im Streit, zuletzt drohte das Unternehmen mit einer Kostenpflicht für seine Dienste. Was ein bisschen lustig ist, denn es gibt sicher den einen oder die andere Kundin, die gerne für Facebook zahlen würde, wenn das Unternehmen im Gegenzug seine allumfassende Datensammelei einstellen würde. Zuletzt schalteten Verbände der deutschen Medien- und Werbewirtschaft das Bundeskartellamt ein.

Alleine diese gesammelte Gegenwehr zeigt: Apples Vorstoß wird etwas ändern. Das Tracking erschweren, Nut­ze­r:in­nen besser schützen und, ja, auch der Werbebranche das aktuelle Konzept von Werbung zerschießen. Zumindest ein bisschen. Schließlich ginge Werbung für Desktop-Nutzer:innen weiterhin wie gehabt, und auch bei Googles Android-System, das im Vergleich zu iOS immer noch den größeren Marktanteil stellt, würde sich nichts ändern.

Und deshalb ist das zwar ein guter Ansatz von Apple, aber eben nicht genug. Da weder Google – immerhin auch Betreiberin diverser Dienste, die mit Werbung und Tracking zu tun haben – noch Werbetreibende freiwillig auf die digitale Verfolgung verzichten werden, wäre das Mindeste ein Verbot personalisierter Werbung im Netz.

Das wäre eine Abkehr des Werbesystems, wie es sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat: mit Werbeplätzen, die innerhalb von Sekundenbruchteilen versteigert werden. Mit Daten, die gesammelt und weiterverkauft und weiterverkauft und irgendwo wieder aggregiert werden. Mit unzähligen eingebundenden Skripten, die auf einer durchschnittlichen Webseite laufen und abgreifen, was sie abgreifen können. Mit kostenlosen Apps, deren vermeintliche Hauptfunktion eigentlich nur der Köder ist und deren eigentlicher Zweck im Sammeln persönlicher Daten liegt. Daten, die dazu dienen sollen, möglichst passgerechte Werbung auszuspielen, auf dass der:­die Nutzer:in, klicken, kaufen, konsumieren möge.

Komplettes Verbot von Tracking

Was mit solch einem Verbot noch ginge? Kontextwerbung – also platzierte Werbung nach dem Auftreten bestimmter Schlagwörter im Netz oder in Zeitschriften. Oder Gießkannenwerbung wie im öffentlichen Raum. Die EU arbeitet ohnehin gerade an einer Regulierung von Onlineplattformen. Ein Verbot personalisierter Werbung würde sich da wunderbar einfügen, und falls das das nicht reicht, auch direkt ein komplettes Verbot von Tracking. Der Aufschrei wäre dann noch viel gewaltiger, schließlich ist Tracking auch die Basis vieler Empfehlungen, etwa bei Diensten wie Youtube, Amazon oder Facebook.

Eine gesetzliche Regelung wäre auch aus einem zweiten Grund wünschenswert: Für Apple ist es in dieser Situation leicht, auf Privatsphäre zu setzen, weil das Unternehmen – im Gegensatz zu Google – sein Geschäftsmodell nicht auf Werbeeinnahmen zentriert hat. Zwar will auch Google in seinem Chrome-Browser das Tracking per Cookies einschränkten, und auch für Android soll es Berichten zufolge ein paar Restriktionen planen. Aber die Privatsphäre der Nut­ze­r:in­nen wirklich privat zu lassen – nein, das ist nicht Googles Anliegen.

Doch auch für Apple gilt: Ob der Tracking-Schutz etwas ist, das aus der Überzeugung des Unternehmens kommt oder doch eher aus der Marketingabteilung, das weiß nur Apple selbst. In jedem Fall sind die Nut­ze­r:in­nen diesem konzentrierten Markt ausgeliefert: Sollte es sich Apple eines Tages anders überlegen, wäre der Schutz ganz schnell dahin. Ein Update reicht.

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